
Es ist nicht einfach, für ein Interview zu Gor Lucegath vorzudringen. Er ist sehr wählerisch bei der Auswahl seiner Gesprächspartner und Dialoge mit ihm könnten sehr anstrengend sein. Hinter vorgehaltener Hand wisperten unsere Informanten sogar, wenn er in der richtigen Laune sei, entpuppe der Magier sich als furchtbare „Labertasche“. Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es mit dem derzeit wohl mächtigsten Akteur der „Schattenherzchroniken“ zu tun haben. Gor Lucegath hat Zeit für uns, besteht aber darauf, dass das Interview in seinem Turmzimmer stattfindet. Der Aufstieg dorthin ist anstrengend undabsolut nichts für Personen, die nicht schwindelfrei sind. Der Raum wird beherrscht von einem zu großen Tisch, wo der Magier in einem Sessel an der Längsseite sitzt. Für uns stehen ihm gegenüber Stühle bereit. Die Zimmerdecke ist mit einem aufwendigen, aber ziemlich verblassten Fresko geschmückt. Obschon in einem mittelalterlichen Ambiente, fühlen wir uns frappant an ein repräsentatives Büro eines Top-Managers erinnert. Statt Kaffee gibt es Wein aus Kristallbechern.
Ich bin überrascht, dass jemand aus eigenem Antrieb den Wunsch hat, mit mir zu reden. Das kommt ziemlich selten vor. Du wirst verstehen, dass mich das ein wenig misstrauisch macht.
Ich bin hier, um mit den bekanntesten Magiern des gegenwärtigen Weltenspiels zu reden und ihnen einige persönliche Fragen zu stellen.
Hast du bereits mit Yalomiro Lagoscyre geredet?
Ja, ich …
Hat er dir auf alle Fragen geantwortet?
So ziemlich …
(Gor Lucegath schüttelt missbilligend den Kopf) Leichtsinnig. Aber dann will ich ihm natürlich nicht nachstehen. Also? Was willst du wissen?
Woher stammst du?
Ich würde es zum einen vorziehen, wenn du mich meines Ranges entsprechend anreden würdest. Ich bin ein Meister und erwarte den gebührenden Respekt. Das mag eine Formsache sein, aber es hilft ungemein, Distanz zu wahren.
Verzeihung, ich …
Ich stamme aus einem zwischenzeitlich nicht mehr existierenden yarlmálon [~ Gebiet eines Adligen] weit im Westen dieser Welt, aber diesseits des Montazíel-Gebirges. Eine raue, öde Gegend, aber nicht ohne landschaftlichen Reiz.
Wo und wie lebst du …IHR! jetzt – und warum?
Ich bin zurzeit, wie offenkundig sein sollte, Gast am Hofe der teiranda [~ Königin] Kíaná von Wijdlant. Ich wohne in diesem Gemach hier, abseits vom Trubel der Burg. Von hier aus habe ich alles im Blick.
Ist es nicht sehr umständlich, ständig diese Treppen steigen zu müssen?
(er lacht. Uns wird klar, dass das eine ziemlich naive Frage war, wenn man mit einem Magier spricht, der räumliche Entfernungen möglicherweise anders überbrücken kann.)
Magier leben gern in Türmen, wenn sie die Möglichkeit dazu haben. Böse Zungen behaupten, wir wollten damit etwas ausgleichen, aber das zeugt nur von verdorbener Phantasie. In Wirklichkeit ist so ein solider Turm sehr nützlich, um Magie zu kanalisieren.
Welchem Geschlecht fühlt Ihr Euch zugehörig und welche sind Eure Pronomen?
Ich vermute, Yalomiro Lagoscyre hast du mit dieser Frage ziemlich verwirrt. Aber auch ich kann dir nichts anderes antworten: Ich bin ein Mann.
Wie würdest Ihr Euch einer blinden Person beschreiben?
Du sitzt vor mir und kannst mich sehen. Sag du es mir.
Ähm …also, Ihr seid groß, schlank und scheint über ein gewisse Körperkraft zu verfügen. Ihr habt einen ordentlichen Haar- und Bartschnitt, beides in ergrauendem Rot. Ich tragt ein schlichtes, aber geschmackvolles und sicher sehr edles rotes Gewand und aus unerfindlichen Gründen eine Art schmale Maske über den Augen. Die Augen sind grau.
Wie alt, glaubst du, bin ich?
Schwer zu sagen. Vielleicht in den mittleren Fünfzigern?
(amüsiert sich ganz offensichtlich). Ich bin mehr als hundertfünfzig Sommer alt.
!!! Seid Ihr unsterblich?
Nein. Zumindest nicht auf die Weise, die du dir vorstellst.
Habt Ihr körperliche Beeinträchtigungen? Wenn ja, welche und wie bist du dazu gekommen?
Nein, den Mächten sei es gedankt, aber mein Geist und meine Glieder sind völlig intakt.
Seid Ihr ein Mensch?
Natürlich. Was sollte ich denn sonst sein?
Na ja, Yalomiro Lagoscyre scheint zumindest diverse Tierkörper zur Verfügung zu haben.
(Kopfschüttelnd) Er kann es einfach nicht lassen. Es stimmt, diese Art von Transformation beherrschen nur Schattensänger. Mit dieser exklusiven Fertgkeit bei jeder Gelegenheit zu prahlen, ist absolut unnötig.
Wie ist Euer Verhältnis zu Eurer Familie?
Es ist keine gute Idee, einen Magier nach … Familie zu fragen. Nicht in diesem Weltenspiel.
Aber es sind doch sicherlich noch Verwandte da, irgendwelche …. Urgroßneffen oder so etwas, oder…
Hat Yalomiro Lagoscyre dir erzählt, wie die Schattensänger ihren Nachwuchs auftreiben? Dass ihre Meisterinnen und Meister von Noktáma zu Kindern geführt werden, denen ihre Magie einzuflößen ihr in den Sinn kam? Dass Schattensänger diese Kinder mit sich nehmen, bevor es unter den Unkundigen zu magiegeborenen … Unglücksfällen kommt?
Ja. So in etwa, aber …
Bei Lichtwächtern ist das ein wenig anders. Unsere Meister finden ihre Schüler dort, wo jemand … übrig geblieben ist. Weißt du, was vor hundertundfünfzig Jahren in dieser Welt geschehen ist?
Du meine Güte. Der lange große Krieg?
Ich bin damals … übrig geblieben. Und mehr gibt es dazu nicht zu sagen.
Dann erübrigt sich die Frage, wo Ihr als Kind gern gespielt habt? Und wann Eure Kindheit endete?
Ja. Es gibt keine sentimentalen Erinnerungen, die ich hervorkramen könnte, um deine Neugier zu befriedigen.
Welche Tradition mögt Ihr gern und ist Euch wichtig?
(er schaut uns lange nachdenklich an. So lange, dass es unangenehm wird.)
Lichtwächter sind kein obskurer Kult wie die Schattensänger und kein Kampfverbund wie die Regenbogenritter. Wir waren Einzelgänger, allenfalls Meister in Begleitung von Schülern. In den ganz alten Tagen mag das anders gewesen sein, aber das ist so lange her, dass sich niemand mehr an … Traditionen erinnert. Wenn es etwas gibt, was man noch als den letzten Überrest einer .., Tradition bezeichnen könnte, dann ist es das Ritual, mit dem wir Schattensänger dem Licht geopfert haben. Mein Meister erzählte, dass in seiner Schülerzeit bei solchen Gelegenheiten sogar viele Lichtwächter zusammenkamen. Ich für meinen Teil habe es immer allein getan.
Welche ist Eure glücklichste Erinnerung?
Du fragst einen Lichtwächter nach Glück? (er will offensichtlich Zeit gewinnen und nippt an seinem Wein). Das, was für mich dem Glück am nächsten kam, ist so zerbrechlich und flüchtig, dass ich es zerstören würde, wenn ich es preisgäbe. Kein Kommentar.
Und welche ist Eure schmerzhafteste Erinnerung?
Der Augenblick, an dem der Hauch von Glück zur Erinnerung wurde. (er trinkt).
Worauf achtet Ihr als erstes bei einer anderen Person?
Hat Yalomiro Lagoscyre dich bereits mit der Erklärung gelangweilt, dass unseresgleichen Seelen lesen kann?
Ja, aber …
Ein Magier schaut immer zuerst auf die Seele, die Emotionen und Gedanken eines Gegenüber. Äußerliches ist so wandelbar und unzuverlässig, dass es Zeitverschwendung ist, sich damit abzugeben. Wenn mir jemand begegnet, ist es elementar für mich, zu wissen was ich von ihr oder ihm zu halten habe. Ob ich mich vor etwas hüten muss oder es für meine Zwecke nutzen kann. Du hast vor, nach unserem Gespräch wieder aus diesem Weltenspiel herauszutreten und fortzugehen?
Äh .. ja, eigentlich schon.
Bedauerlich. Es hätte … interessant werden können. (er lächelt dermaßen freundlich, dass es beängstigend wirkt.)
Welche Rolle nehmt Ihr in einer Gruppendiskussion oder einer Gruppenarbeit ein?
(Jetzt lacht er, als habe er gerade einen richtig guten Witz gehört. Uns wird die Absurdität dieser Frage bewusst und wir gehen zur nächsten über)
Seid Ihr ein Feigling, Draufgänger oder Mitläufer – und was muss passieren, damit sich das ändert? Das .. ähm … ist auch eine unangebrachte Frage, oder?
(stellt den Becher ab, antwortet aber nicht sofort. Er denkt ernsthaft nach). Ich bin kein Draufgänger. Ein Draufgänger zu sein ist so ziemlich das Dümmste, was ein Magier sich erlauben sollte. Wir haben alle im Weltenspiel den Mächten gefällig zu agieren. (er greift kurz an seine Maske und rückt sie zurecht). Magier, egal für welche Macht wir einstehen, müssen mit Besonnenheit, Geduld und Disziplin handeln. Aber … es gab eine Zeit, da hielt ich mich für einen mächtigen, erfolgreichen, allüberlegenen Magier. Bis zu einem Tag, an dem ich ein Feigling war. Und nein … dazu gibt es nicht mehr zu sagen.
Reden wir besser von etwas Positivem. Was könnt Ihr besonders gut?
Ich mag … Strategiespiele. Und ich denke, ich kann sehr gut improvisieren. Außerdem habe ich gehört, dass ich ausgezeichnet darin bin, sogar ohne Magie Menschen zur Kooperation zu bewegen. Im Sinne meiner Strategien, versteht sich.
Was könnt Ihr überhaupt nicht?
Ich habe kürzlich feststellen müssen, dass ich recht unmusikalisch bin. Das war mir zuvor nie aufgefallen. Mein Publikum war nicht besonders angetan. (achselzuckend) Ich mache mir nichts aus Kunst.
Was würdet Ihr gerne können?
(Er blickt nachdenklich zur Zimmerdecke auf und schweigt. Lange.).
Meister Gor? Hört Ihr noch zu? Welcher ist Euer innigster Wunsch?
Das ist etwas, das ich einem Menschen nicht erklären kann. Es wäre vergebene Mühe. Ihr würdet es nicht verstehen. Darf ich wissen, was Yalomiro Lagoscyre sich wünscht?
Er sagt, er will lieben können.
(Gor Lucegath seufzt. Dann setzt er sich wieder sachlich und aufrecht hin.) Ich sollte Mitleid mit ihm haben. Andererseits … möglicherweise ist sein Traum weniger unerreichbar als meiner.
Woran glaubt Ihr aus tiefster Überzeugung?
An das ewige Weltenspiel und das Miteinander der Mächte. (Er stützt die Ellbogen auf den Tisch, schließt die Augen und legt die Finger an die Schläfen. Hat er Kopfschmerzen?) Und daran, dass das Weltenspiel sich … entscheidet.
Wovor habt Ihr am meisten Angst?
(lächelt undurchschaubar) Du denkst doch nicht im Ernst, dass ich dir irgendwelche Schwächen und Befürchtungen preisgeben würde?
Ihr habt vor gar nichts Angst?
Doch. Aber diese Angst ist so persönlicher Natur, dass es nicht einmal einem Widersacher etwas nützen würde, davon zu wissen. Es ist einfach … privat.
Was schenkt Euch innere Ruhe?
Und nebenbei bemerkt, deine Fragen beginnen, mich zu langweilen. Das ist nicht förderlich für meine innere Ruhe. Ich glaube, du bist dir nicht im Klaren, wer ich bin.
Worüber freut Ihr Euch?
Ich freue mich AUF den Moment, in dem ich endlich im Besitz des Artefaktes sein werde, das Yalomiro Lagoscyre zur Stunde für mich herbeischaffen will.
Wofür seid Ihr dankbar?
(er seufzt und schnippt sacht eine Geste in unsere Richtung. Eine Art eiskalter Stromstoß fährt von Fuß bis Kopf durch unseren Körper und sorgt für einen kurzen Blackout, aus dem wir schmerzhaft und verwirrt wieder aufschrecken.)
Ich bin dankbar dafür, dass ich so etwas beherrsche. Wenn mir etwas missfällt, ist es effektiver als herumzuschreien. Darf ich dir Wein nachschenken?
(wir sind verstört, zumal er nun nicht mehr am Tisch sitzt, sondern neben uns an einem Regal steht, wo er Flaschen aufbewahrt. Eine hält er in der Hand. Offenbar ist seit der letzten Frage Zeit vergangen). Das ist unh… ich meine: Was findet Ihr unheimlich?
Nichts. (er gießt Wein nach) Ich habe in all den Jahren Undenkbares gesehen, das sich bis ins Detail erklären lässt.
Was findet Ihr erotisch? … Das war bestimmt eine unangemessene Frage, oder?
Nein. Aber ich kann mir vorstellen, dass du den Schattensänger damit verstört hast. Lichtwächter tragen zwar nicht diesen unheilvollen Fluch in sich, mit dem Noktáma sichergestellt hat, dass das Diebsgesindel sich nicht auf natürliche Weise und unkontrolliert fortpflanzt. Wir könnten Begierde empfinden, aber trotzdem liegt es nicht in unserer Natur, unzüchtigen Trieben nachzugeben, nicht einmal untereinander. Was also gestaltliches Wohlgefallen betrifft und Dinge, die mein persönliches Interesse erregen könnten … (er zögert). Nein. Da ist nichts.
Könnt Ihr gut stillsitzen oder braucht Ihr immer etwas zu tun?
Ich bin niemals untätig, auch wenn es scheint, als säße ich müßig herum.
Wann wart Ihr das letzte Mal so richtig wütend – und warum?
Es hat sich hier vor einigen Tagen jemand das Leben genommen, ohne dass ich das erlaubt hätte.
Erlaubt?
Ich erinnere mich, dass ich jemanden deswegen angeschrien habe. Das war eine ziemlich unwürdige Situation. Ich hatte die Beherrschung verloren. Das passiert mir sehr selten.
Und … Wann habt Ihr das letzte Mal geweint – und warum?
Das ist etwa hundertzwanzig Sommer her und geht niemanden etwas an.
Aber …
(er deutet die Schnips-Geste von zuvor an. Wir wechseln das Thema)
Worüber habt Ihr Euch das letzte Mal so richtig gefreut?
Dein Verständnis von Freude unterscheidet sich von meinem. Reden wir in meinem Fall besser von Zufriedenheit. Die letzte Gelegenheit war, als Yalomiro Lagoscyre endlich eingewilligt hat, mir das Artefakt zu bringen. Natürlich ist mir bewusst, dass er es mir nicht einfach geben wird. Aber ich bin für alles vorbereitet, was geschehen könnte.
Wann musstet Ihr das letzte Mal richtig lachen – und warum?
Ich bin ein Freund feinsinnigen Humors und mag keine derben Scherze. Was mich immer wieder amüsiert, ist, nachts in Jóndere Moréavals Kammer zu gehen und anzuschauen, was er träumt. Meist sind es kreative Mordphantasien, die sich gegen mich richten. Wenn ich ihn dann tagsüber sehe, diesen freundlichen, hübschen, sanftmütigen jungen Mann, entbehrt das nicht einer gewissen Komik.
Erzählt etwas über die Person, der Ihr am meisten vertraut!
Die meisten Menschen, die ich kenne, würden laut jubeln, wenn ich im Augenblick tot umfiele, und hernach Freudentänze auf meinem Grab aufführen. Das gilt natürlich nicht für die teiranda. Aber sie zählt nicht, aus … anderen Gründen.
Dann seid Ihr also ganz allein? Ihr habt keine Freunde, oder zumindest jemanden, der Euch nicht tot sehen will?
Nein. Aber es gibt trotzdem jemandem, dem ich vertraue. aus einem Grund, der ein wenig absurd ist. Es ist auch kein wechselseitiges füreinander Einstehen. Ich weiß also nicht, ob diese Antwort für dich zählt.
Solange ich den Namen dieser Person nicht weiß …
Es ist Yalomiro Lagoscyre. Und die Mächte mögen dir gnädig sein, wenn er davon erfährt.
Aber … er ist doch Euer Gegenspieler!
Ja. Das weiß ich. Aber das bedeutet nicht, dass ich ihm deswegen misstrauen muss. – Übrigens – seine ujora, die junge Frau aus dem fremden Weltenspiel, die nach Noktámas Launen hier unter die Figuren gemischt wurde …ich kann ihr nicht wirklich vertrauen. Sie versucht, mich auszutricksen und verbirgt Dinge vor mir, auf eine so unbeholfene Art dass es niedlich ist. Aber sie tut das nicht aus Bosheit oder Eigennutz. Sie hat Angst vor mir und um den Schattensänger. Ich empfinde eine sehr sonderbare Zuneigung zu ihr, die ich mir selbst nicht erklären kann. Ich … nun, es täte mir leid, wenn sie bei alledem zu Schaden kommt. Vielleicht ergibt sich eine Gelegenheit, sie zu überzeugen, aus dem Spiel herauszutreten, bevor es kein Zurück mehr gibt.
Von wem oder aus welchem Ereignis habt Ihr etwas Wichtiges gelernt – und was war das?
Jemand, der einmal eine Zeitlang mein Meister war, hat mir demonstriert, was geschieht wenn man aus Schmerz, Angst oder Zorn nach der Macht greift – und sie erringt. Aus solcher Macht wird sehr schnell Schuld. Und Schuld lässt sich nicht ungeschehen machen.
Das ist ein Stichwort. Wenn Ihr zwei Dinge in Eurem Leben revidieren könntet, welche wären das – und warum?
Wenn ich damals im Boscargén nicht, wie es die Achtung gebot, zuerst Meister Askýn, sondern sofort Yalomiro Lagoscyre getötet hätte, dann wäre ich längst am Ziel und hielte das Artefakt in Händen. Wenn ich viele Winter zuvor einfach weggesehen und zugelassen hätte, dass eine junge Frau von Marodeuren niedergeritten worden wäre, dann … Nein. Noch früher. Ich hätte in jener Winternacht niemals öffnen und jenem Mann zuhören dürfen, der an die Tür meines Meisters geklopft hatte.
Woran denkt Ihr, wenn Ihr zu den Sternen emporseht?
Es ist Nacht und Noktáma schmückt das Firmament mit ihrem Geschmeide. Bald wird Pataghíu von neuem die Farben mit seinem Glanz erwecken. Beides recht hübsch. Aber ohne Bedeutung für einen Lichtwächter.
Welcher ist der idyllischste Ort, den Ihr kennt?
Ich habe in all den Sommern und Wintern jedes einzelne yarlmálon gesehen und könnte mich nicht entscheiden. Aber ich glaube, am besten gefiel mir die Wüste im Süden. Die Weite, die Leere. Die Stille. Die Einsamkeit.
Wie sieht Euer Alltag aus?
(er lächelt maliziös) Nun, im Wesentlichen sitze ich hier in meinem Gemach und schmiede verstörende Pläne, um die Macht über das Weltenspiel an mich zu reißen. (er verzieht das Gesicht und greift sich wieder kurz an die Schläfe, fängt sich aber sofort wieder) Und zwischendurch gehe ich in der Burg umher, versetze hier und dort Unkundige mit beiläufigen Bemerkungen in Unruhe und achte darauf, dass es der teiranda gut geht. Das ist nicht einfach. Die teiranda braucht sehr viel Zuwendung. Ihr Geist ist in Aufruhr.
Konsumiert Ihr Rauschmittel – und wenn ja, warum und in welchem Maß?
Als Lichtwächter bin ich in allen Facetten der Kräuterkunde bewandert und kenne die Geheimnisse berauschender Pflanzen, aber ich nutze sie nicht zum … Vergnügen. (er hebt seinen Trinkkelch) Ich mag den Geschmack von Wein, doch ich bin immun gegen den Alkohol. Es ist nötig, dass ich ab und zu zur Gesellschaft mittrinke. Es ist ein sicherer Weg, Unkundige dazu zu bringen, gewisse Zauber aufzunehmen.
Was? Ist in dem Wein etwa irgendwas …
Nein, nicht im Wein. Der Wein ist harmlos. Der Becher ist das Werkzeug. Hast du noch Fragen?
(uns wird sonderbar wattig zumute. Aber das Interview ziehen wir durch). Liebt Ihr Euch selbst?
Nein. Ich denke nicht, dass ich es nach allem, was ich getan habe, verdient habe von irgendjemandem geliebt zu werden.
Bist du … Ihr … glücklich? (Blackout)
Jetzt schon. Dieses Gespräch wurde langsam … zu persönlich.
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