Dýamirée dachte überhaupt nicht über das nach, was sie tat. Die böse alte Frau, das war das einzige, was ihr in den Sinn kam, durfte diesen Stab nicht haben. Jemand musste ihr zuvorkommen und das böse Ding aus ihrer Reichweite schaffen.

Sie wusste, dass Advon ihr nachrennen würde. Das war gut.

Während sie den Stab an sich nahm, konnte Advon Farbenspiel rufen, und sie würden den Stab hoch in die Luft bringen, unerreichbar für die gemeine alte Frau. Sie würden so lange über dem Cielástel kreisen, bis die Erwachsenen die Alte niedergerungen und dafür gesorgt hätten, dass sie nicht Böses mehr tun konnte. Bestimmt hatte der Goldene doch eine Möglichkeit, sie in der Burg einzusperren, so wie der alte Schattensängermeister damals den bösen Magier in der Höhle einsperren konnte. In den Märchen wurden die Bösen am Ende immer eingesperrt, damit sie niemandem mehr etwas tun konnten.

Dann, so schoss es in weiteren flüchtigen Gedankenfetzen durch Dýamirées Kopf, während sie die Treppe herabstürmte, Runde um Runde und vorbei an herrlichen, leeren, großen Gemächern, konnten ihr Vater und ihre Mutter den Zauberstab unschädlich machen, und die Regenbogenritter würden die Chaosgeister zurück in die Wüste jagen und sie dort einpferchen. Galéon konnte ihnen bestimmt dabei helfen. Galéon konnte so viel mehr als sie alle zusammen, auch wenn er das bestritt. Galéon war … mächtig, und er war ihr Freund!

Und dann konnten sie alle endlich wieder zurück in den Boscargén, in den Etaímalon. Ihre Mutter würde ihr lustige Märchen von dummen teiranday und sprechenden Tieren erzählen, und ihr Vater würde schöne Melodien auf seiner Geige spielen, und über alledem würde der Mond leuchten und sich im See spiegeln.

Und Advon würde … wäre …

Dýamirée nahm die Stufen so hastig, dass es ein Wunder war, dass sie nicht ausglitt und stürzte. Wäre Advon dann noch bei ihr? Würde er sie in den Boscargén begleiten?

Was, wenn nicht? Was, wenn Advon den Cielástel und die heiße Wüste nicht verlassen konnte? Was, wenn seine Eltern ihm verböten, mit ihnen zu kommen?

Der Gedanke an diese Möglichkeit versetzte Dýamirée einen Stich. Was, wenn Advon gar nicht mitkommen wollte, sie nicht begleiten würde in die kühlen grünen Schatten des Tages, unter Noktámas sternenbestickten Schleier in der Nacht?

Hinter sich hörte Dýamirée die Mutter rufen, Schritte, die hinter ihr die Wendeltreppe herab stürmten. Waren das die Schritte der Mutter? Nein, so rannte die Mutter nicht. Das war ein Fremder, einer, der immer schneller wurde!

Dýamirée beschloss, sich davon nicht irremachen zu lassen. Sie musste die Hand als Erste an den schrecklichen Zauberstab bekommen. Alles andere hatte Zeit. Aber Advon, der sollte mit in den Boscargén. Den würde sie nie wieder hergeben, nie wieder. Mit ihm würde sie ihr Zimmer teilen und ihm all die Schönheit und Freude zeigen, die Noktáma ihnen schenkte. Advon, das versicherte sie sich selbst, würde immer bei ihr sein. Und sie bei ihm.

Sie erreichte die Tür am Fuß des Turmes, stieß sie auf und schlüpfte hindurch. Genau vor ihr, nur einige Schritte von der Mauer entfernt und einladend beleuchtet von all den bunten Farben ringsum, stak der Zauberstab tief in dem Sand, der den Hof zwischenzeitlich mehrere Handbreit hoch bedeckte, wo er nicht von Dächern abgelenkt worden war. Der zerbrochene Kristall war gut zur Hälfte eingesunken. Dýamirée besann sich nicht lange. Sie sprang ins Freie und zerrte den Stab aus dem Boden hervor.

Kaum hielt das kleine Mädchen die Stange in der Hand, züngelte ein silbriges Licht daran empor und sprang ihm auf Hände und Arme über und durch ihr Herz hindurch. Dýamirée keuchte überrascht auf, bevor der Schmerz sie durchflutete. Was immer sie da getroffen hatte, es war kälter als Eis, ein Frost, der in weniger als einem Atemzug Lebendiges gefrieren lassen und zersprengen konnte. Aber … es hatte sie am Leben gelassen.

„Lass los, du kleine Kröte!”, schrie derjenige, der sie auf der Treppe verfolgt hatte und nun, nur einen Augenblick zu spät, auf den Hof stürzte. Dýamirée, noch ganz außer Sinnen vor Verwirrung, schrak herum, strauchelte und fiel hin, den Stab wie verwachsen mit ihren kleinen Kinderhänden.

„Du Biest! Du widerliches, dummes Ding! Du die Mächte lästerndes Ungeheuer!” Mit schweren, etwas ungelenken Schritten und hassverzerrter Miene wankte er auf sie zu, ein alter Mann mit grauen Gewändern und einer so scheußlich verzerrten Miene, dass es Dýamirée Angst und Bange wurde. An seinem Mantel glänzten im bunten Schein der Mauern goldene Stickereien und mit Glitzersteinen versehene Knöpfe auf. „Du Missgebilde!”

Dýamirée krabbelte erschrocken vor ihm weg, den Stab abwehrend halb erhoben. Loslassen konnte sie ihn nicht, aufstehen und damit weglaufen schon gar nicht. Schon stand der Greis in der prächtigen Robe über ihr. „Du ekelhaftes Biest!”, spie er ihr entgegen. „Verflucht seist du und der, der dich zeugte!”

„Mama”, kreischte Dýamirée verwirrt. „Mama! Papa!”

„Úldaise! Was für Worte!”

Der Greis blickte ruckartig hoch. „Ihr!”, rief er verwirrt aus. „Was tut Ihr hier?”

Dýamirée schaute sich hastig um. Die alte Frau, die mit dem schief sitzenden Haar, der sie auf dem Weg zur Burg begegnet waren, stand vor dem Stall, Sand regnete auf sie nieder. Sie sah ebenso überrascht aus wie der fremde alte Mann. Einen ganz kurzen Augenblick starrten die beiden sich an, der Greis verdutzt, sie angewidert, empört.

„Lasst das Kind in Frieden”, fauchte sie ihn an. Er begann, zu grinsen.

„Willst du mich daran hindern, dummes altes Weib?”, fragte er. „Willst du mich aufhalten? Du, die du schon zu verwesen beginnst in deinem dahinrottenden Leib?”

„Geh weg von ihm”, brachte Dýamirée hervor. „Der ist böse!”

„Ich weiß, Kleines”, rief die alte Dame, würdevoll, beherrscht. Und im Herzen tief verletzt. „Jetzt weiß ich es!”

„So? Böse bin ich?” Der Greis hob seinen Gehstock und tat einen großen Schritt auf die sinora zu. „Möglich. Lass mich einmal sehen, wie böse ich sein kann!”

Und dann geschah sehr viel zugleich.

***

„Was fällt Euch ein?”, fragte Cýelú Irísolor. Genaugenommen fragte er nicht wirklich. Er brüllte, war, kaum dass der Stab seinen Weg gen Boden angetreten hatte, auf Yalomiro zugeschnellt, hatte den Schattensänger beim Kragen gepackt und war nahe daran, ihn dem Artefakt hinterdrein zu werfen.

Siledaú hatte ebenso schnell reagiert. Ebenso entgeistert wie blitzschnell hatte sie begriffen und bewertet, was geschehen war und sie war losgerannt. Der báchorkor hatte noch versucht, sich ihr in den Weg zu stellen, aber die alte Frau war mit einem Mal so agil und schnell wie ein trainierter Kämpfer und hatte ihm im Vorbeistürmen den Gehstock vor den Leib geschlagen, sodass der Geschichtenerzähler sich keuchend zusammenkrümmte, lang genug, um ihr das Durchkommen zu ermöglichen. Vielleicht hätte sie ihm auch noch den Stern entrissen, aber offenbar war der Stab nun wesentlich wichtiger.

„Haltet ein!” Yalomiro mühte sich, den wütenden Ritter auf Abstand zu halten und sich aus dessen Griff zu winden. „Umbringen könnt Ihr mich später noch!”

„Unverschämter …”

„Bei den Mächten! Lasst ab! Und macht Feuer!”

Cýelú zögerte verdutzt. „Feuer?”

„Ja, Feuer! Rasch! Licht! Irgendein Leuten, das nicht das unsichtbare Licht einer fajía ist! Ganz gewöhnliches Licht!”

„Macht schon!”, mischte sich der báchorkor ein und wankte heran. „Bevor ihr wieder zu nass zum Zaubern seid! Und lasst den camat’ay los!”

Cýelú Irísolor runzelte die Stirn. Dann fühlte Yalomiro sich fortgestoßen, zum Glück in Richtung der Mauer. Der junge Mann trat eilig zwischen ihm und dem zornig-verwirrten Ritter hin und breitete die Arme weit aus.

„Bin ich genug?”, fragte er sachlich.

Yalomiro nickte verblüfft. Woher konnte der báchorkor wissen, was er brauchte?

„Macht Feuer, Cýelú Irísolor, bevor der Verfluchte entkommt. Und versucht bitte, nicht mich zu versengen.”

„Ich erwarte eine Erklärung”, zischte der Goldene.

„Schatten!”, zischte Yalomiro ihn mit letzter Geduld an. „Ich brauche einfach nur ein Stück Schatten!”

Der Goldene schnaubte ärgerlich und ließ seine maghiscal auflodern. Für einen Augenblick stand er da, von heißen, tanzenden Flammen umgeben, eine menschliche Fackel, ohne dass ihn das Feuer verletzte. Der báchorkor ächzte vor der plötzlichen Hitze. Der Schatten, den sein Körper vor dem Lodern warf, legte sich kühl und seltsam vertraut über Yalomiro.

„Danke”, sagte er, glitt in den Schatten hinein und verschwand.

***

Der báchorkor lächelte.

„He!”, rief Cýelú überrascht. „Wie …”

Galéon wandte sich um und brachte sich in sicheren Abstand, soweit auf dem Sims noch Platz war. „Ihr könnt das Feuer wieder löschen! Bitte, spart Eure Kraft!”

„Bei den Mächten, was geht hier eigentlich vor?”

„Yalomiro!”

Da war plötzlich die camat’ayra bei ihnen, schiere Panik im Blick, völlig außer Atem. Sie erschrak wohl bis ins Mark, wurde kreidebleich, als sie ihren hýardor nicht sah und dazu den Ritter, der nach wie vor in Flammen stand. Sie musste wohl annehmen, der Goldene habe den Schwarzgewandeten vom Turm gestoßen.

„Wo ist Advon?”, fragte Cýelú Irísolor entgeistert. „Solltet Ihr nicht ins Schulzimmer …”

„Siledaú”, schrie die Frau. „Die Kinder … helft mir!”

„Advon?”

„Rennt den Turm hinab, aber die Alte …”

Der Goldene war schon in Bewegung. Grob rempelte er den báchorkor aus dem Weg und rannte treppab, der wilden Jagd hinterher. Die Frau wollte ihm nach, aber Galéon griff zu und hielt sie rasch zurück.

„Lass mich! Ich will mein Kind retten!”

„Ja, ich weiß. Das wollen wir alle. Kümmert ihr Euch um das Wasser!”

„Um das … was?”

„Salghiára Lagoscyre, so versteht doch! Ihr als Einzige habt derzeit unversehrte Kräfte!”

„Was redest du da?”, rief sie aus und wollte sich losreißen. Galéon hatte Mühe, sie zu halten, denn ihre mütterliche Rage machte sie erstaunlich stark.

„Wasser”, sagte er geduldig. „Der verfluchte Regen! Schafft den Regen weg!”

„Bist du bei Sinnen?”

„Ja!”, hielt er ihr entgegen. „Aber ich kann kein Wasser beschwören!”

Sie hielt damit inne, mit ihm zu rangeln. In ihre silbergesprenkelten Augen trat ein so verwirrter Ausdruck, dass er fast darüber gelacht hätte.

„Ich …”, begann sie, und er wusste, als nächstes würde sie ihm Gründe nennen, warum sie es nicht versuchen konnte. Er griff nach ihren Händen, hielt sie fest und versuchte, sie mit seinem Blick zu ermutigen.

„Solange es regnet”, sagte er eindringlich, „schwächt es die arcaval’ay und Cýelú Irísolor selbst. Solange es regnet, sind die Chaosgeister und mit ihnen der Verfluchte stärker als nötig.”

„Aber Siledaú sagt doch, der Regen sei nicht ihrer …”

„Das ist doch egal, solange jemand ihn bezwingt. Salghiára Lagoscyre, Schattensängerinnen haben Macht über Wasser. Selbst ich weiß das. Regen ist Wasser. Unternehmt etwas dagegen und stärkt die arcaval’ay, so wie Elosál Irísolor es tut.”

Sie schaute hinüber zu der immer noch in der Bewegung erstarrten fajía, die durch ihre Kraft das Regenbogenheer hatte erstehen lassen. Die Burg ringsum leuchtete immer noch in der düsteren Farbenpracht. Wie lange mochte Elosáls Kraft reichen?

„Ich bin nicht besonders mächtig”, sagte die Schattensängerin kleinlaut. „Ich … ich bin nicht gut in solchen Dingen.”

„Ihr habt nichts zu verlieren”, mahnte er. „Und ich weiß, dass Ihr zurzeit unsterblich seid.”

„Woher …”

Er ließ sie los und deutete hinauf zu den immer noch nassen Sand niederschleudernden Gewitterwolken. „Eines nach dem anderen. Das da, das ist für Euch.”

Sie gab nicht zu verstehen, was in ihren Gedanken nun geschah.

„Wer bist du?”, fragte sie dann, so leise, dass es durch das Gewittergrollen kaum zu hören war.

„Das, Salghiára Lagoscyre, ist im Augenblick die nebensächlichste Frage. Bringt das Wasser aus den Wolken. Tut es für Advon und Dýamirée, das Abend- und das Morgenkind! Vertraut mir, wie ich euch vertraue.”

Er verneigte sich, in der stillen Hoffnung, seine Rede möge überzeugend genug gewesen sein. Dann rannte er los. Die Kinder waren in Gefahr. Wenn sie nun nicht selbst wusste, was zu tun war, dann würde er es auch nicht mehr wenden können.

***

Ich starrte dem báchorkor hinterher und fühlte mich … veralbert. Und alleingelassen.

Nun ja, allein war ich nicht, aber was war mit Elosál geschehen? War sie zu Stein erstarrt?

Nein, sie lebte und atmete, aber ihr Blick war ausdrucklos, nach innen gerichtet. Ich tastete zu ihr hin, aber ihre maghiscal war so heiß, dass ich Abstand halten musste. Etwas schien sie zu durchfließen, vielleicht auch aus ihr herauszuströmen und sie vermutlich langsam auszutrocknen. Wenn das, wie Advon gesagt hatte, dazu diente, die Chaosgeister abzuwehren, dann leistete die fajía wohl gerade eine unglaublich kraftzehrende, heikle Aufgabe.

Aber was konnte ich tun? Warum wollte mich dieser seltsame báchorkor, der wahrscheinlich gar kein báchorkor war, davon abhalten, Dýamirée zu retten? Und wo war Yalomiro? Er konnte doch nicht so einfach verschwunden sein!

Nein, sicher war er nicht verschwunden. Sicher verfolgte er den Verfluchten, und ich würde dabei nutzlos im Weg herumstehen. Dass mir die Kinder entwischt waren, machte die Sache auch nicht besser. Das waren zwei Dinge, um die die echten, die fähigen Magier sich zu kümmern hatten.

„Arámaú”, murmelte ich. „Was soll ich denn machen mit dem Wasser? Wie soll ich denn ein so gewaltiges Unwetter … Lächerlich ist das!”

Ich trat hinaus auf den Sims und schaute nach unten. Das Wetterleuchten flackerte gegen das bunte Pulsieren an und machte mich ganz durcheinander. Da unten am Fuß des Turmes ging etwas vor sich, da war Bewegung. Ich erkannte entsetzt Dýamirée, die den Stab hielt, sah eine fremde weibliche Gestalt, auf die ein anderer Mensch mit einem Stock losging. Es überraschte mich nicht sonderlich, dass es zweifellos Úldaise Tiáramalé war. Wahrscheinlich war Ovidáol dazu in der Lage, zwischen den beiden Körpern zu wechseln, als ob er eine Maske auf- und absetzte. Dýamirée umklammerte den verdammten Zauberstab, dieses verfluchte Ding, das Ovidáol nie wieder in Gang bringen würde, mit dem kaputten Eiskristall, der …

Eiskristall?

Die Idee, die plötzlich aus meinen wirbelnden Gedanken emporragte wie ein kleiner Pflanzenkeim, durchbrach das Gefühl von Ohnmacht, Frust und Unzulänglichkeit, in das ich mich wieder einmal hatte hineinziehen lassen. Ich zögerte noch einen kurzen Moment und streckte dann die Hand aus, fing einige Sandtropfen ein und ließ meine maghiscal darüber hinwegfließen. Der matschige Klumpen wurde kalt, kleine weiße Pünktchen bildeten sich zwischen den Körnern.

Schnee. Schnee ist kalter Regen. Regen ist Wasser. Wasser im See, Wasser im Meer, Wasser in den Wolken.

Es glückte! Befriedigung, Triumph, neue Hoffnung keimte mit dem Ideenpflänzchen hervor, aber noch bevor ich selbstzufrieden jubeln konnte, löste der Schnee im Sand sich schon wieder auf und zurück blieb nasser Matsch. Nein, Schnee würde nicht viel nützen. Schnee war viel zu schwach, zumindest wenn es darum ging, zu verhindern dass das Widerwesen mit dem Wetter spielte.

Konnte Elosál mich in ihrem Zustand eigentlich sehen? Nahm sie wahr, dass ich bei ihr stand und mir Gedanken darüber machte, wie mein Anteil an unserem gemeinsamen Kampf aussehen mochte?

Ich rieb mir die Hände am Rock ab und dachte nach. Schnee war nicht schlecht, aber es reichte nicht aus. Schnee war zu sanft, zu sacht, zu leicht. Zu …

… zu warm.

***

Yalomiro taumelte durch die Dunkelheit hindurch und suchte nach der Stelle, an der er wieder hervorkommen konnte. Das musste schnell gehen, denn der Schattenwurf, den der Turm selbst im Gewitter erzeugen würde, wäre nur für einen Wimpernschlag vorhanden. Sobald es so weit war, dann durfte er nicht zögern, nicht nachdenken. Dann musste es schnell getan werden.

Lauernd wartete Yalomiro Lagoscyre in der Tiefe auf seine Chance. Die Dinge, die ihm dabei durch den Sinn strichen, waren flüchtig, unausgegoren, mehr Assoziationen als fertig geformte Ideen, aber mehr durfte er sich jetzt nicht erlauben. Der báchorkor … über den musste er später nachdenken. Da war etwas Unausgesprochenes, etwas Schwerwiegendes – etwas, das dennoch nun nicht so dringend war wie dies hier. Die Chaosgeister … gegen die konnten die Regenbogenritter mehr ausrichten als er. Salghiára … ach, Salghiára. Hoffentlich war sie mit den Kindern sicher ins Schulzimmer und zurück in den Etaímalon gelangt. Der fajía würde es sicher missfallen, dass er auf diese Weise ihren Sohn in Noktámas Heiligtum verschleppt hatte, aber da er nicht vorhatte, den Jungen als Geisel zu nehmen, waren sie mit dieser Sache nun quitt. Mochte Cýelú Irísolor, der für einen Großmeister erstaunlich wenig Selbstbeherrschung zeigte, den Knaben zurückholen.

Die Kinder … wieso hatte Pataghíu der fajía und dem Goldenen ein Kind gewährt und sich dabei dieselbe Grausamkeit erlaubt wie Noktáma? Wieso setzten die Mächte unkundige Kinder in die Obhut magischer Eltern?

Seine eigene Aufgabe, die lag klar auf der Hand, sie gefiel ihm nicht, widerstrebte ihm, machte ihm klar, dass die Zeiten verstrichen waren, in denen er unbeschwert und mit sich selbst im Reinen gelebt hatte.

Noktáma hatte ihn unter ihrem Dach behütet und zu dem werden lassen, was er war. Nun war es an der Zeit, dass er sich für ihr Spiel veränderte.