Merrit Althopian reagierte geistesgegenwärtig. Seine Hand fuhr nach vorn, packte Osse Emberbey beim Hemd und zog den entgeisterten Jungen mit einem Ruck unter den Tisch. Osse tat einen überraschten Laut, aber der andere hielt ihm hastig den Mund zu.

Die Stimmen der Männer näherten sich auf dem Flur.

Der blonde Junge mit der blauen Tunika legte mahnend den Finger an die Lippen. Osse verstand und nickte stumm, woraufhin Merrit Althopian seine andere Hand von Osses Gesicht nahm. Er strich die fast bodenlange Tischdecke glatt und gestikulierte dem Gleichaltrigen behutsam, sich ruhig zu verhalten.

Aber Osse hätte ohnehin nicht gewagt, sich zu rühren. Die drei Männer hatten das Amtsszimmer des teirand beinahe erreicht. Ein Ausweichen war nicht möglich – aber was mochte ihnen blühen, wenn man sie hier entdeckte?

Das Tuch verdeckte an den langen Seiten des Tisches die Sicht, nicht an den Enden. Dazu war es war aus einem hellen Stoff gefertigt, der Licht zu ihnen hindurch ließ. So konnte Osse erkennen, dass sein Gegenüber ganz jämmerlich aussah. Die eisblauen Augen des anderen Jungen waren verquollen und gerötet, so als habe er die ganze Nacht geweint. Im Gesicht hatte er eine frische Schramme wie von einer Schlägerei. Seine Gewänder waren verknittert und saßen ihm verzogen am Leib, als habe er in ihnen geschlafen.

Merrit Althopian musterte ihn seinerseits auf ganz merkwürdige Weise. Sicherlich hatte er nicht damit gerechnet, dass ihm jemand sein Versteck streitig machen würde.

Streitig? Osse wäre im Leben nicht eingefallen, dem anderen gegenüber Ansprüche anzumelden. Und Merrit Althopian … der hatte gar nicht erst versucht, ihn abzuwehren. Bereitwillig teilte der Knabe den Unterschlupf mit ihm, obwohl die Gefahr, entdeckt zu werden, nun erheblich gewachsen war.

Die beiden Jungen schauten einander an. Osse Emberbey ahnte, dass sie beide den Drang verspürten, miteinander zu reden. Aber ausgerechnet jetzt blieb ihnen nichts anderes übrig, als gemeinsam zu schweigen. Und dann war da noch ein ganz anderes Gefühl, ein irritierendes, das ihn verlegen machte. Es sah Merrit Althopian, der so ganz anders war als er selbst, vor sich. Und doch hatte er dabei das Gefühl, in einen Spiegel zu schauen. Seinem Gegenüber schien es ähnlich zu gehen.

„ … natürlich war sie so aufgeregt, dass sie erst sehr spät eingeschlafen ist”, plauderte Asgaý von Spagor. „Normalerweise verschläft sie nicht so weit über die Zeit und lässt ihre kleine Gefährtin warten. Bitte, tretet ein.”

Die Jungen horchten. Die Ritter betraten den Raum, blieben aber offenbar stehen, kaum dass sie die Tür passiert hatten.

„Guten Morgen”, grüßte eine Männerstimme, die Osse nicht kannte.

„Meister Yalomiro?”, fragte Waýreth Althopian überrascht, freudig überrascht.

„Herr Waýreth. Ich freue mich, Euch nach all der Zeit wieder vor mir zu sehen. Herr Alsgör? Majestät?”

„Willkommen, Meister”, sagte der teirand. Er klang verwirrt, wenn auch sicher nicht über die respektlose Reihenfolge. Dass der Fremde die yarlay vor dem teirand ansprach, war genaugenommen eine Ungezogenheit. „Wo kommt Ihr her?”

„Ich hatte hier geschlafen”, erklärte der fremde Mann leichthin. Er hatte eine klangvolle, freundliche Stimme. Osse sah in der Miene des anderen, dass Merrit Althopian genau dasselbe dachte wie er: Wann war der Fremde ins Zimmer gekommen? Wieso hatten sie ihn nicht bemerkt?

„Vergebt mir”, ließ sich Alsgör Emberbey hören. „Ich will nicht unhöflich sein. Aber es war nie die Rede davon, dass ein Magier bei dieser Sache mitzureden hat.”

„Ich rede nicht mit, Herr Alsgör. Ich bin nur hier, um zuzuhören. Auf ausdrücklichen Wunsch der teiranda.”

„Kíaná wünscht es so”, sagte der teirand. „Sie ist aus … bekannten Gründen nicht im Raum. Ihr werdet später Gelegenheit haben, Sie danach zu fragen. Meister Yalomiro ist mit meinem Wissen und meiner Billigung hier. Und mit meinem Dank.”

Schritte näherten sich, ein Sessel wurde gerückt. Dann schoben sich die Beine von Asgaý von Spagor in der Mitte der langen Seite ein Stück weit unter den Tisch. Der teirand hatte Platz genommen, deutlich zu erkennen an seinen Schuhen aus weichem Leder und den lässigen weiten Hosenbeinen, Samt mit exotischen Blumenstickereien, wie sie in Forétern in Mode waren. Beinahe wäre er Osse auf die Hand getreten. Der Junge zog sich sacht einen Deut zurück.

„Worauf wartet Ihr?”, fragte der teirand, als sich niemand sonst rührte. „Setzt Euch! Ihr auch, Meister Yalomiro. Althopian, macht Ihr bitte noch die Tür zu. Ich wünsche, hier ganz in Ruhe und vertraut zu reden.”

Die Tür wurde geschlossen. Dann ließen die yarlay sich steif ihrem Herrn gegenüber nieder. Weitere Füße näherten sich bedrohlich den Jungen in ihrem Versteck. Herr Alsgör hatte sogar die Beschläge von seinen Stiefeln abgenommen, so klein machte er sich vor seinem Herrn. Osse seufzte und stellte dann zu seiner Überraschung fest, dass yarl Althopian dasselbe getan hatte. Merrit betrachtete die Füße seines Vaters ganz bestürzt.

Zuletzt saß der Unbekannte, in etwas Abstand an der schmalen Seite des Tisches. Er trug unauffälliges, knöchelhohes Schuhwerk und eine schlichte leinene Männerhose, beides tiefschwarz gefärbt.

„Was in diesem Raum gesprochen wird”, sagte Asgaý von Spagor, „soll nicht über die Schwelle und nicht über Eure Lippen, es sei denn zu den Ohren meiner hýardora. Bis Ihr es anders von mir hört. Dass gelobt mir, edle Herren.”

Althopian und Emberbey murmelten die zeremonielle Bestätigung. Beide klangen etwas kleinlaut dabei.

„Was Euch betrifft, Meister …”

„Oh, bitte, beachtet mich nicht weiter, Majestät. Ich werde mich in nichts einmischen, bevor ich nicht alles Wichtige gehört habe.”

Osse schaute fragend zu Merrit hinüber. Ob der wusste, wer dieser andere Mann war?

„Nun gut … Althopian, habt Ihr Euren Sohn in der Nacht wiedergefunden?”

„Nein. Aber sein Pferd ist im Stall. Er kann also nicht weit fort sein. Er …”

„Er versteckt sich oft in letzter Zeit, nicht wahr?”, fragte der Fremde, der sich gerade eben noch nicht einmischen wollte.

„Ja. Ich … ich weiß nicht mehr weiter mit ihm, Meister Yalomiro. Habt Ihr Kenntnis davon, was er heute Nacht angestellt hat?”

„Selbstverständlich.”

„Es …” Waýreth Althopian unterbrach sich. „Verzeiht, Majestät. Es gehört nicht hierher.”

„Es ist gut. Der Junge kann unmöglich den ganzen Tag über unentdeckt bleiben. Die Torwachen sind angewiesen, ihn nicht ins Freie zu lassen. Wir finden ihn. Und dann wünscht die teiranda mit ihm zu reden.”

„Warum?”, entfuhr es dem yarl, halb entsetzt.

„Na ja. Sie sagte mir, es täte dem Knaben vielleicht nicht schlecht, einmal mit einer Frau zu reden. Sie meint, nachdem …” Der teirand verhaspelte sich. Vielleicht hatte er das Thema nicht anrühren wollen, zumindest nicht so. Merrit Althopian biss sich fest auf die Lippen, Osse fühlte seine Anspannung. Ohne zu wissen, weshalb er es tat, streckte er lautlos seine Hand nach dem Jungen aus und berührte tröstend dessen Knie. Weiter langte er nicht an ihn heran. Der Fuß von Alsgör Emberbey war zwischen ihnen. Merrit Althopian zuckte zusammen und erstarrte, als er Osses Hand spürte.

„Majestät, ich weiß nicht, ob es so richtig wäre. Es … es ist mir so furchtbar unangenehm, was gegenüber der teirandanja und den Söhnen von Grootplen und Altabete geschehen ist. Bei den Mächten, dass der Junge keinen besseren Einstand wusste, als die beiden zu verprügeln und zu demütigen …”

Aha. Nun wusste Osse also, was in der Nacht geschehen war. Er musterte den anderen Jungen beeindruckt. Er hatte Láas Grootplen und Jándris Altabete am Abend in der Halle gesehen und war fast etwas eingeschüchtert von den älteren Jungen gewesen. Die beiden waren ihm vorgekommen wie verkleinerte Ausgaben ihrer Väter, die beide beeindruckende Recken waren.

Merrit Althopian errötete. Vielleicht war es ihm unangenehm, dass der andere auf diese Weise von dem peinlichen Vorfall erfuhr.

„Althopian! Es ist keine Schande dabei! Im Gegenteil! Altabete und Grootplen haben erkannt, wo sie ihren Söhnen noch Neues beibringen können. Ich sah die vier gerade auf die Wiesen gehen, und ich denke, am Abend haben wir genug Kleinholz für das Herdfeuer. Es war … inspirierend für die Herren. Es ..”

Inspirierend?” Waýreth Althopian schrie beinahe, so aufgebracht brach es aus ihm heraus, ein Ton, den er sich bei Strafe nicht gegenüber seinem Herrn hätte erlauben dürfen. Die Kinder unter und die Erwachsenen am Tisch zuckten zusammen ob des unverhofften Ausrufs. „Herr, Ihr müsst mich nicht trösten! Ihr müsst nichts schönreden! Mein Sohn scheint mir ein unberechenbarer Raufbold zu werden. Es ist, als sei mit seiner Mutter all das in ihm verloschen, mit dem die Mächte ihn beschenkt hatten!”

„Er ist ein großartiger Kämpfer, Herr Waýreth”, sagte yarl Emberbey beschwichtigend, mit einer Einfühlsamkeit, die Osse seinem Vater nie zugetraut hätte. „Ich erinnere mich nicht, jemals einen Knaben in seinem Alter mit so einer Befähigung gesehen zu haben. Und Ihr wisst, dass ich einige Jungen anleitet habe, als ich jünger war.”

„Ich will aber keinen unbezwingbaren Kämpfer”, kam es matt, mühsam beherrscht von Waýreth Althopian. „Ich will meinen Sohn zurück!” Und dann brach seine Stimme, und deutlich, viel zu deutlich war sein Schluchzen unter dem Tisch zu hören. „Die Mächte haben mir meine hýardora genommen. Und jetzt nimmt mir … irgendwas … meinen Sohn. Irgendetwas macht mir meinen Sohn zuschanden, und ich weiß nicht, wie ich ihm beistehen kann.”

Er weinte. Einen Augenblick lang herrschte oben am Tisch betretenes Schweigen. Unter dem Tisch starrte Merrit die Füße seines Vaters an, als könne er nicht fassen, dass der große, der heldenhafte Waýreth Althopian vor seinem Herrn in Tränen ausgebrochen war.

„Zumindest”, sagte plötzlich Alsgör Emberbey bitter, „hat Euer Sohn noch nicht den Verstand verloren wie der meine.”

„Der Brotschwur?”, erkundigte der Mann, den sie als Meister angesprochen hatte, sich anteilnehmend.

„Davon wisst Ihr auch schon?”, fragte Asgaý von Spagor überrascht.

„Majestät, wenn ich mir alles im Einzelnen erklären lassen müsste, dann würden wir viel Zeit verlieren. Aber was, Herr Alsgör, lässt Euch an dem Verstand des Jungen zweifeln? Zugegeben, der Zeitpunkt war etwas hastig gewählt, aber ein gewisser Übereifer liegt in der Natur Eurer Familie und hat mehr als einmal großes Unheil verhindert. Es gibt eine Menge Geschichten darüber, die báchorkoray weitertragen. Was also hat der Junge falsch gemacht?”

„Meister … ich weiß wirklich nicht, ob Euresgleichen mit den Regeln und Riten vertraut ist, dass Ihr das wirklich versteht.”

„Emberbey!”, tadelte der teirand.

„Ich muss nicht jedes Detail verstehen, Herr Alsgör, aber hier scheinen mir die Prinzipien zu genügen, die auch ein Bauer verstünde, der noch nie sein Feld verlassen hat. Euer Sohn, Euer Nachfolger, will voller Eifer und Pflichtgefühl Eure Nachfolge antreten. Andere Väter würde das freuen.”

„Andere Väter, Meister, haben Söhne, die der Nachfolge würdig sind. Das ist bei Osse nicht der Fall!”

Osse seufzte lautlos. Nun war der Moment wohl gekommen. Der Vater würde seinen Treuschwur vom teirand für nichtig erklären lassen und alles wäre aus.

Nun aber berührte ihn eine Hand, griff an dem Männerknie des still weinenden Ritters vorbei zu ihm hin. Merrit Althopian schaute ihn fragend an.

„Woher wollt Ihr das jetzt schon wissen?”

„Bei den Mächten! Meister, wenn Euch das selbst nicht auffällt! Mein Sohn ist verkrüppelt! Niemals wird er in der Lage sein, sein yarlmálon zu verteidigen, und das teirandon, seine künftige teiranda schon gar nicht!”

„Emberbey! Mäßigt Euch!” Der teirand versuchte, den alten Ritter zur Ordnung zu rufen, aber Osse wusste, dass sein Vater nun nichts auf Autorität gab. Im Gegenteil. Auch mit dem sonst so kühlen und beherrschten Ritter gingen die Emotionen durch und rissen seine Unnahbarkeit hinfort.

„Es ist allein meine Schuld! Die Mächte haben mich gestraft! Zu Recht! Zu lange habe ich die Gelegenheit verstreichen lassen, und nun, da ich mich im letzten Moment besonnen habe, da konnte es nicht mehr glücken. Zwei Mädchen und ein unbrauchbarer Sohn … ich habe die ehrbare und uralte Familie Emberbey ausgerottet mit meiner Trägheit! Zu nichts bin ich nutze, nicht einmal dazu, mein Amt ehrenvoll weiterzugeben.”

Nun war das Schweigen um einiges länger. Sogar Waýreth Althopian schien sich wieder unter Kontrolle zu haben.

„Warum, Herr Alsgör”, sprach der Fremde schließlich als erster wieder, „lehnt Ihr Euren Sohn so ab? Hat er denn ein schlechteres Herz als Ihr? Weniger Ehrbarkeit und Güte? Weniger Liebe in sich als Ihr?”

„Liebe? Ich? Ich meine … wieso …”

„Herr Alsgör. Ich verstehe nichts von menschlichen Regeln und Riten, damit habt Ihr schon recht. Aber wenn es etwas gibt, worüber sich meinesgleichen nicht täuschen lässt, dann ist es die Beschaffenheit eines Herzens. Das Eure mag fest verschlossen sein unter einer allzu harten Schale, aber ich kann es trotzdem erspüren. Also?”

Emberbey erhob sich und entfernte sich vom Tisch. Osse kannte das. Wenn ihn etwas aufwühlte, konnte sein Vater nicht still sitzen. Getrieben ging er dann im Raum herum.

„Mein Sohn, Meister, wird niemals für irgendjemanden kämpfen können. Seine Augen sind so schlecht, dass er selbst eine Turnierlanze erst erkennen würde, wenn sie ihm schon in die Brust gefahren ist. Er wird niemals an der Seite anderer yarlay etwas ausrichten können, wenn dem yarlmálon und dem teirandon Gefahr droht. Jemand anderes muss und wird es für ihn tun.”

„Jemand anderes?”, fragte Asgaý von Spagor verwirrt.

„Ja.”

„Bei den Mächten”, kam es entgeistertvon Waýreth Althopian. „Ihr habt es getan, nicht wahr? Isan hatte etwas angedeutet, aber ich hätte nicht gedacht …”

„Was? Die doayra hat … dieses naseweise Weibsbild! Das…”

„Emberbey! Was geht hier vor? Worüber redet Ihr?”, unterbrach der teirand, alarmiert.

Alsgör Emberbey setzte sich wieder. Osse musste sich verrenken, um dem Bein auszuweichen. Merrit wich ebenfalls zurück, denn die Füße seines Vaters bewegten sich ebenfalls, nervös.

„Herr”, gestand Emberbey. „Ich hätte es Euch in einem anderen Rahmen sagen wollen, aber da es die doayra vermutlich schon im ganzen teirandon herum geschwatzt hat … nachdem meine hýardora hinter die Träume gegangen ist und die Mächte mir damit die Chance auf einen … fähigen Nachkommen verschlossen haben, habe ich mich auf meine Pflicht besonnen, einen … Ersatz zu finden. So, wie es meine Pflicht gewesen wäre, wäre unsere Verbindung kinderlos geblieben. Ihr kennt die Gesetze.”

„Das müsste dann ein Sohn eines Blutsverwandten von Euch sein.”

Das war korrekt. Osse kannte die Regeln ganz genau. Und blitzartig begriff er, was der Vater damals im Regen auf dem Turm erwartet hatte.

„Ihr habt noch Verwandte?”, staunte der teirand.

„Ich habe … hatte eine ältere Schwester. Sie ging im Streit mit jemandem fort, den sie für ihren hýardor hielt. Es war eine unschöne Geschichte, ein Zerwürfnis. Mir ist bekannt, dass Eure Eltern den meinen die Schmach ersparen wollten und nie darüber gesprochen wurde. Schließlich hat sie willentlich und mutwillig Stand und Familie aufgekündigt und meinen Eltern damit die Herzen gebrochen. Jedenfalls … ich, beziehungsweise meine maedloray, hatten ihre Spur gefunden. Möge sie hinter den Träumen endlich glücklich sein. Sie ist seit fünfzehn Wintern tot.”

„Ja – und?”, fragte Waýreth Althopian.

„Es ist peinlich und schmachvoll. Sie ist damals an den Hof eines anderen yarl geraten, mitsamt Tochter, aber ohne ihren vermeintlichen hýardor. Mein Vater hatte gewusst, dass der Verruchte damals unlauteres im Sinn hatte, aber … Nun … es gibt eine Tochter dieser Tochter. Und die hat einen Sohn. Einen … brauchbaren Sohn, drei Sommer älter als der meine. Er lernt bei den Waffenleuten seines yarl.”

Osse erstarrte. Dann krampfte sich sein Herz so schmerzhaft zusammen, dass es eine Qual war, nicht aufstöhnen zu können. Der andere Junge bemerkte es, seine Hand drückte ermahnend zu.

„Ihr wollt also Euren Sohn mit Eurem Großneffen ersetzen, von dem ihr erst seit kurzem wisst?”, fragte der Schwarzgewandete. Nicht vorwurfvoll, nicht empört. Er fragte einfach, ganz ruhig.

„Natürlich nicht unbesehen.”, wandte Alsgör Emberbey hastig ein. „Aber wenn er sich gut macht und in der Lage ist, für das teirandon ein Schwert zu führen, dann …”

„Alsgör”, sagte Waýreth Althopian, „der Knabe hat also eine Ausbildung als Waffenknecht begonnen?”

„Ja. Sie schrieb, sie habe ihn dafür fortgegeben. Es bietet ihm ein gutes Leben, ein Auskommen und Unterkunft im Haushalt seines yarl.”

„Ein Knabe von zwölf Sommern unter Waffenknechten? Was soll aus dem Kind werden?”, sagte der teirand.

„Es ist eine gute Grundlage. Er ist immerhin dem Stande nach kein yarl, nicht ohne … die formelle Zustimmung der teiranday.”

Wessen Waffenknechte?”, fragte der Schwarzgewandete beiläufig.

„Ja, Emberbey, das würde mich auch interessieren.” Die Füße des teirand bewegten sich unruhig. Den Jungen blieb kaum Platz, auszuweichen, immer wieder mussten sie Hände und Beine versetzen.

Alsgör Emberbey zögerte. Das war wohl der heikelste Punkt an der ganzen Sache. Dies, und nicht der Umstand, dass es Osse Emberbey seinen Platz unter den Dienstmännern der teiranda kosten würde.

„Er steht – derzeit – im Dienst der yarlay von Rodekliv”, gestand er dann.

Einen Moment lang war es so still im Raum, dass man eine Stecknadel auf die kostbaren Steinfliesen hätte fallen hören können.

Dann brach der Tumult aus.