
Es erstarrte. Es war verwirrt, nein: Entsetzt, wenn auch nur für einen winzigen Moment.
Ich hatte irgendwann einmal, in einem früheren Leben, damals, als ich noch in einer anderen Welt lebte, ein echtes mittelalterliches Schwert in der Hand gehalten. Das war auf irgendeinem todlangweiligen Schulausflug mit unserer Geschichtslehrerin gewesen. Alle Kinder hatten bei einer museumspädagogischen Lehrveranstaltung nacheinander einmal ein echtes Ritterschwert anfassen dürfen. Die Jungs waren Feuer und Flamme gewesen. Ich hatte es schnell weitergereicht. Aber eines war mir im Gedächtnis geblieben: Schwerter waren überraschend schwer.
Meister Gors Waffe war es nicht. Es hatte gerade so viel Masse, dass es sich stabil anfühlte. Es bestand ganz offensichtlich auch nicht aus Metall sondern etwas … anderem. Etwas, das auf eine sonderbar einladende Art schimmerte.
Hätte es in meiner unkundigen Hand nicht zu Stahl werden müssen, wie zuvor bei yarl Moréaval? Ich tippte irritiert ganz vorsichtig mit der Fingerspitze an das, was ich für die Klinge hielt, aber ich spürte keine Schärfe. Trotzdem erschien augenblicklich ein winziger, seltsam metallischer Blutstropfen auf meiner Haut, so fein, als hätte ich mich beim Sticken mit der Nadel gestochen.
Das Widerwesen lachte höhnisch.
Einer der Ritter neben mir regte sich. Ich warf einen Blick hinüber. Es war yarl Grootplen. Er schaute mich nicht an, aber er gab mir anhand seiner eigenen, blutverschmierten Waffe zu verstehen, wie man so ein Ding richtig anfasste. Ich korrigierte meinen Griff und streckte Yalomiro die Klinge entgegen. Da sie so leicht war, zitterte sie in meinen bebenden Händen wie eine Feder in einem Windhauch.
„Was soll das nun?”, fragte das Widerwesen. „Du wirst nicht ansatzweise etwas erreichen, Ujora. Dein Motiv mag ja ganz drollig sein, aber es ist lächerlich und fruchtlos.”
Ich wunderte mich über die Gedanken, die mir durch den Kopf schossen – und über die Entschlossenheit, mit denen ich sie aussprach. Es hatte Zeiten gegeben, in den ich schon längst hysterisch weinend in irgendeiner Ecke gekauert hätte.
„Wenn es wahr ist, dass dieses Schwert das Einzige auf dieser Welt ist, was Yalomiro Lagoscyre töten kann … dann ist es zumindest sehr interessant, dass ich es jetzt in der Hand habe. Es sollte dich … beunruhigen, denkst du nicht?”
Es … zögerte.
„Du würdest es nicht tun”, behauptete es dann. „Du glaubst, du könntest ihn noch retten. Du willst ihn für dich. Du bist eifersüchtig!”
Das Widerwesen hatte Recht. Ich würde es nicht tun können, ich hatte nicht annähernd Ahnung, wie man ein Schwert benutzte. Aber ich würde es versuchen.
„Er würde es selbst wollen.” Mein Hals war trocken, ich bekam die Worte kaum heraus. „Bevor irgend…etwas mit seiner Magie Schindluder treibt! Ich bin eine Fremde in dieser Welt. Ich habe keine Ahnung, wie all das hier tatsächlich funktioniert. Aber ich weiß was … den Mächten gefällig ist. Yalomiro weiß das auch. Wenn er noch allein etwas vollbringen kann, wird er verhindern, dass das Weltenspiel verdorben wird. Wenn nicht … dann werde ich es für ihn beenden. Hier sind keine anderen Magier, in die du schlüpfen könntest!”
„Was für eine schöne Rede, Ujora.” Es wandte sich kopfschüttelnd ab und blieb vor Isan stehen. „Lass mich ausprobieren, wie es um Yalomiro Lagoscyres reine Magie jetzt noch bestellt ist. Inwieweit er noch Kontrolle darüber hat. Lass sehen … Was ist mit dir, Mädchen? Ich sehe, du bist noch unberührt und doch schon in deiner Weiblichkeit erwacht. Wie wäre es, wenn du in deinen letzten Augenblicken Begierde kennen lernst?”
Nein. Das war definitiv nicht mehr Yalomiro. Das war ekelhaft. Es war unerträglich, dass das Ding nun sogar mit dieser fatalen Magie spielte wie ein ungezogenes Kind.
Isan drehte sich schamesrot und verstört weg, aber er griff nach ihrem Kinn und lenkte ihren Blick auf sein Gesicht. „In aller Unschuld, kleine keusche doayra. Schau einfach nur in meine Augen.” Er lachte und nahm seinen Hut ab, damit sie sein Gesicht sehen konnte. „Lass meinen Blick deine weibliche Hitze entfachen.”
Wie ein ungezogenes Kind, das einem Erwachsenen ein Feuerzeug stahl, um damit Tiere zu versengen.
„Nicht!” Isan schüttelte sich und kniff die Augen zusammen. Die teiranda zog sie von ihm weg und legte schützend die Arme um sie. Waýreth Althopian stellte sich dem Schattensänger in den Weg.
„Kein Schattensänger würde böswillig seine Magie zum Schaden von Unkundigen verwenden. Yalomiro Lagoscyre hat mein Leben verschont, selbst als er einen Anlass dazu gehabt hätte, es auszulöschen. Nie würde er aus Übermut oder Grausamkeit handeln!”
„Es ist anerkennenswert, dass Ihr mir so naiv und frech gegenübertretet. Wenn Ihr es gar nicht abwarten könnt, vom Weltenspielbrett hinweggefegt zu werden, so ist die Reihe als nächstes an Euch. Schade. Ich hätte mir gut vorstellen können, wie Ihr und Eure Freunde eine große, mächtige Armee anführt. Vielleicht hättet Ihr diesmal Aurópéa einnehmen können. Das hätte Pataghíu und seinem Regenbogenvolk wohl Bedenken gemacht.”
„Wenn ich hier und jetzt sterbe”, sagte Waýreth Althopian grimmig, „ist es der Wille der Mächte, nicht der deine, Weltenspielverderber! Die Mächte haben uns yarlay zu Beschützern bestimmt, nicht zu Kriegsherren. Nicht zu Figuren eines chaotischen … was immer du bist!”
„Möglich”, sagte der Schattensänger und hängte seinen Hut respektlos an Althopians Schwertspitze auf. „Aber nun bin ich am Zug!”
Das ay’cha’ree glitt aus seiner Hand, achtlos ließ er es fallen. In derselben Bewegung trat er mit dem Fuß auf die Krone, die vor den Füßen der teiranda lag. Der Goldreif klappte hoch, er riss ihn mit einer fließenden, graziösen Bewegung an sich und setzte ihn sich auf die Stirn.
Das Ganze war blitzschnell geschehen, mit einer Fingerfertigkeit, die jedem Taschenspieler die Sprache verschlagen hätte. Wahrscheinlich hatte ich es nur so deutlich beobachten können, weil immer noch etwas mit dem Zeitfluss in Pianmurít nicht stimmte.
Yalomiro rückte die Krone zurecht, lächelte finster und verlor augenblicklich das Bewusstsein.
Mit einem entsetzlichen, ohrenzerfetzenden Kreischen fuhr das Widerwesen aus ihm hinaus. So wie es Meister Gor aufgegeben hatte, als der sich von der Maske befreit hatte, wallte es nun ohne Form und Masse von Yalomiro weg. Aber es war gewachsen!
Riesenhaft, wie eine Unwetterwolke unter freiem Himmel über ebenem Land waberte es und brachte jeden schier um den Verstand, der versuchte, es anzuschauen.
Die Menschen zitterten davor. Asgaý von Spagor, so unversehens im größten Abenteuer seines Lebens, umklammerte die teiranda. Isan, immer noch verstört, suchte Schutz bei Althopian, der den Hut ärgerlich von seinem Schwert abschüttelte, in Kampfstellung ging und damit angesichts des wabernden Etwas zugleich heldenhaft wie kümmerlich wirkte. Er merkte das selbst, ließ Schultern und Schwert sinken und schüttelte stumm den Kopf.
Yarl Moréaval gab sich einen Ruck. Er kniete in Blut und Scherben nieder und begann, hastig etwas vor sich hin zu murmeln. Die anderen yarlay bedachten ihn mit bestürzten Blicken. Dann folgten sie seinem Beispiel, einer nach dem anderen. Als letzter legte auch Waýreth Althopian sein Schwert nieder.
Was war das? Kapitulierten sie? War das ein Ritual, mit dem sie eine Niederlage eingestanden? Riefen sie irgendeine Macht um Gnade an?
Die Majestäten schienen das zu denken, so bestürzt wirkten sie. Auch Asgaý von Spagor und Kíaná von Wijdlant stimmten, Hand in Hand, in das Gemurmel mit ein.
Isan wollte es ihnen nachtun, aber ich schnappte sie mir.
„Isan!” Was ist in euch gefahren?”.
„Es ist vorbei, Ujora!”, sagte sie kläglich. „Schau doch nur… was können wir ausrichten gegen … das da?”
„Nichts ist vorbei! Wir … wir müssen etwas unternehmen!”
„Das Spiel ist zu Ende!”
Zu Ende? Dafür war entschieden zu viel Chaos und Unruhe in Pianmurít losgebrochen.
Und schlagartig begriff ich! Ich ließ sie los und stürzte zu Yalomiro, warf mich neben ihm auf die Knie. „Yalomiro!”
„Ujora!”, rief Isan aufgebracht. „Was machst du?”
„Ich helfe, das Weltenspiel zu retten!”
„Was?”
Ich zerrte die Krone von seiner Stirn. Sie fühlte sich glühendheiß an. Ich warf sie fort und schüttelte ihn, um ihn wieder zu sich zu bringen. „Isan! Hilf mir!”
„Was ist mit dem camat’ay geschehen?”, fragte Asgaý von Spagor, der plötzlich neben mir stand.
„Er hat das Widerwesen aus sich heraus gejagt! Versteht Ihr? Die Goldkrone … er hat … ein Kurzschluss! Er hat seine Magie abschaltet, und …””
„Ujora”, fragte Kíaná von Wijdlant und beugte sich über mich, „was redest du da für wirres Zeug?”
„Bitte, Majestät … das war alles geplant … es…”
„Weißt du, was das Widerwesen ist? Hast du eine Ahnung, was das bedeutet?”
„Nein”, fauchte ich sie an und rüttelte an Yalomiros Körper. „Ich weiß nicht einmal mehr ganz so genau, wer ich bin!”
„Es ist der Weltenspielverderber. Das Wesen, das nicht sein kann. Und weil es nicht sein kann, hat es niemals existiert. Nur in Mythen.”
„Mythen?”
„Die Mächte hatten es ins Chaos verbannt, in einer Zeit, noch bevor Menschen im Weltenspiel waren. Wenn es ins Weltenspiel eingreift, können uns nur noch den Mächten befehlen. Wenn du die Worte nicht kennst, dann schweig einfach. Wir bitten für dich mit.”
„Ich weiß nicht, was hier passiert”, sagte der teirand. „Aber wir nehmen dich mit uns hinter die Träume. Du musst jetzt aufgeben. Lass den Magier los! Es ist zu spät.”
„Aber…”
Kíaná von Wijdlant kniete neben mir und fasste meine Arme. „Bitte!”
Es war so viel Freundlichkeit an ihnen, ungeachtet der Todesangst, die sie alle gepackt hatte; angesichts des monströsen Etwas, das Pianmurít in seiner Unendlichkeit zu sprengen drohte. Für einen ganz kurzen Moment war es … Ruhe.
Aber nein. Ich konnte jetzt doch nicht aufgeben!
„Nein”, kam es von Yalomiro. Seine Lider flatterten. Als es ihm gelang, die Augen zu öffnen, waren sie klar und silbrig. Asgaý von Spagor und die teiranda wichen zurück.
„Yalomiro!”
Er setzte sich auf. Benommen blinzelte er zu dem ziellos umher wirbelnden Widerwesen auf. Dann griff er nach dem Artefakt, packte Asgaý von Spagor an der Schulter und stützte sich an ihm empor.
Der Strudel aus Garnichts stoppte abrupt. Das Widerwesen bemerkte, dass der magische Körper wieder verfügbar war. Es erstarrte, lauerte und sah in seiner riesenhaften Unbeweglichkeit monströs aus.
Die yarlay stockten in ihrem Ritual. Yalomiro hob die Hand. Er ließ das ay’cha’ree darüber schweben. Zuerst lösten sich feinste Partikelchen von seiner Oberfläche; eine Schale, die sich auflöste. Der Kern entfaltete sich von einem massiven Knäuel zu jenem schwerelosen, filigranen Lichtgebilde, das Yalomiro beschwören konnte. Er ließ es mit einem Fingerschnippen in eine Wolke aus Glitzerfunken zerbersten. Das Licht verglomm wie ein winziges Feuerwerk. Etwas sehr seltsames, das seinen Kern gebildet hatte, fiel nieder. Es war ein leeres, sonnengebleichtes Schneckenhäuschen, von der Art wie man sie zuhauf an Stränden findet.
Das Widerwesen pulsierte gespannt. Die Menschen starrten Yalomiro an.
„Ich bin mir sicher”, sagte er und fingerte etwas unter seinem Gürteltuch hervor, „dass du das hier suchst.”
Es war eine weitere murmelgroße, kristallene Kugel, in der etwas Helles pulste, warm und strahlend und … wunderbar. Es war das Artefakt.
Das echte.
Das Widerwesen stöhnte. Das klang ungefähr so, als würde man eine tonnenschwere Metallplatte über eine rostige Bodenfläche schleifen.
Yalomiro barg das Artefakt schützend zwischen Hand und Brust und ging zum Opfertisch hinüber, über dem das Widerwesen bedrohlich schwebte.
„Ich hätte nicht gedacht, dass du dich so leicht täuschen lässt”, sagte er. „Die ganze Zeit habe ich es am Körper getragen. Du hast es überhaupt nicht bemerkt. Erstaunlich und verwirrend.”
Wie ist das möglich?
„Ich soll dir tatsächlich einen Zaubertrick erklären? Nun gut: Solange ich alle hier davon überzeugen konnte, die Unkundige hielte das wirkliche Artefakt in der Hand, hast du es hingenommen, ohne es zu hinterfragen. Ich habe mir sagen lassen, in anderen Weltenspielen sei Magie nicht mehr als Taschenspielerei. Unterhaltung. Betrug. Es war mir den Versuch wert, Magie hinter einer Illusion zu verstecken.” Er lächelte finster. „Meister Gíonar, möge er hinter den Träumen etwas milder sein, hätte mich für einen derart lästerlichen Unfug sicher gescholten.”
Ich war fassungslos, und den anderen schien es ebenso zu gehen. Diese zerstörerische, fürchterliche und übermächtige Kreatur, so gewaltig und alles verschlingend sie war, hatte sich allen Ernstes überlisten lassen?
Immerhin, es schien nun wachsamer zu werden.
Willst du etwa versuchen, es gegen mich einzusetzen, wie eine Waffe? Willst du lächerlicher, sterblicher Mensch tatsächlich wagen, mich damit zu bekämpfen? Mich, der ich von Anbeginn der Zeit existiere und noch da sein werde, wenn alles Lebendige vergangen ist?
„Könnte ich dich damit verletzen? Es ist immerhin ein Funke des Lichtes, das selbst du fürchtest.”
Es verleiht dir größere Macht, als alle Magier vor deiner Zeit jemals zusammen besessen haben. Wenn du versuchst, seine Kraft mit deiner maghiscal zu verschmelzen … nun, dann können Dinge geschehen.
„Ach, Macht …” Yalomiro seufzte und betrachtete gedankenvoll das Ding in seiner Hand. „Hast du in all den Zeiten nicht gelernt, dass du einen Schattensänger nicht mit Macht ködern kannst? Sicher, du hast den Namenlosen und den Verfluchten zur Beute gehabt, und sicher noch einige andere mehr. Du hast ihnen Macht gegeben. Aber das ist es wahrscheinlich nicht gewesen, was meinesgleichen in verletzlichen Momenten gesucht hat.”
Er schaute auf den Tisch. Ich spürte das Schwert in meiner Hand. Es war, als stimme sein Schimmern in das Pulsieren des Lichtfunkens ein. Als wolle es … ja, als wolle es auf sich aufmerksam machen.
Gor Lucegath wollte Macht!
„Nein, Gor Lucegath wollte Vergeltung und Vergebung! Wie abscheulich musst du ihm mitgespielt haben, dass er sich dir hingegeben hat, nur um seinen Schmerz lindern zu können! “
Gor Lucegath war nichts als ein alberner, dummer und schwacher Geist in einem sehr brauchbaren und machtvollen Körper!
„Gor Lucegath war nahe daran, das Einzige zu entdecken, was dich in Schach halten kann. Das hast du gewusst. Und das konntest du nicht zulassen! Gor Lucegath hätte einst der goala’ay sein können, der das Licht geheilt hätte. Ich weiß nicht, was genau ihm zugestoßen ist, aber so, wie er zu mir redete, war er mit einer geweihten Magie vertraut, die ihn auf den richtigen Pfad dorthin gebracht hätte. Vermutlich hast du einen Weg gefunden, ihm gerade noch rechtzeitig den Weg abzuschneiden, damit du dir seine Seelensuche selbst zu Nutzen machen konntest. Ein Weltenspielstein des Lichtes, der sich auf ein interessanteres Ziel zubewegte als das dessen, den du vor ihm erbeutet hast!”
Du langweilst mich!
„Du hast ihm die Macht für seine Rache gegeben, damit er seine eigene Seelenqual betäuben konnte, bis du selbst Zugriff auf das Artefakt erhältst!”
Bis dahin ist es nur noch eine Frage von Augenblicken!
„Die Mächte wissen, dass du ihr Spiel störst. Noktáma verlässt sich nicht auf Zufälle und Glück. Noktáma hat mit einer neuen Figur einen entscheidenden Zug getan. Mit ihr dort. Mit der ujora.”
Nun plötzlich sahen sie mich alle mit großen Augen an. So im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen war mir unsagbar peinlich.
„Nicht ich bin Noktámas Auserwählter. Sie hier aber kam hierher, ohne zu wissen, dass durch sie dein destruktives Ansinnen durchkreuzt werden wird. Sie ist die mächtigste Figur in Noktámas Spiel!”
Was redete er da? Gehörte das zu seinem Plan? Was wollte er dem Widerwesen weismachen? Wollte er von irgendetwas ablenken?
Warum schauten mich alle so erwartungsvoll an? Warum war da plötzlich so viel … Hoffnung?
Du hast keine Ahnung, wovon du redest, kleines Menschlein mit den schwarzen Gewändern. So viele Leben, so viele Welten habe ich kommen und gehen sehen. So viele wie dich habe ich verbraucht. Du machst mir Spaß. Zumindest eine Zeitlang. Mehr nicht.
„Dann verstehe ich nicht, warum dir so viel an … Spielzeug liegt.” Yalomiro legte das ay’cha’ree auf den Tisch und schnippte mit dem Finger dagegen. Es begann, langsam zu rollen, überquerte das uralte Holz und kam schließlich in einer der Spalten zum Stillstand, wo ein goala’ay-Schwert einmal das Herz eines Schattensängers durchbohrt hatte.
Was soll das?, fragte das Widerwesen. Rost schabte auf Erz. Das war schlimmer als Kreide auf Schiefer. Wurde es misstrauisch? Warum lässt du es los?
„Ujora”, sagte Yalomiro ruhig, ohne sich zu mir umzudrehen. „Es liegt buchstäblich in deiner Hand.”
Was? Ich fühlte mich begriffsstutzig und dumm wie nie zuvor in meinem Leben. Das Schwert glomm nachdrücklich in seinem milden, wunderbaren Licht. Es war absurd.
Stand ich hier wirklich mit einem echten Zauberschwert in der Hand wie eine Klischeefigur aus einem albernen Fantasy-Roman und man erwartete von mir eine Heldentat? Waren all diese Leute denn verrückt geworden?
Nein!, kreischte das Widerwesen und wirbelte los. Offenbar war es scharfsinniger als ich. Wie eine riesige Hand schnellte es auf das ay’cha’ree zu, in dem das Licht aufgeregt pochte.
Yalomiro reagierte blitzschnell. Mit einem Satz war er wieder auf dem Tisch, stand über dem ay’ch’ree und streckte seine Hand aus. Gleißend silbern strahlte seine maghiscal von ihm weg. Das Widerwesen prallte daran ab, riss weite Teile davon mit sich und warf einige der Ritter nieder. Dann machte es kehrt und raste von der anderen Seite auf uns zu. Yalomiro fuhr herum.
„Ujora! Befreie das Licht!”
„Wie denn!”
„Fánjula!” Das war Waýreth Althopian. „Bei den Mächten! Zerschlag dieses Ding, bevor es danach greift!”
Das Schwert glomm. Es ergriff meine Hände. Er machte sich selbstständig.
War es ein letztes Aufbäumen von Gor Lucegath? War seine Magie, seine Seele, was auch immer es sein mochte, für diesen einen letzten Moment mit seinem Schwert verschmolzen?
Das Widerwesen hatte sich buchstäblich neu gesammelt, zusammengeballt, und ein zweites Mal würde Yalomiros es vielleicht nicht mehr aufhalten.
Und dann begriff ich, allerdings ohne nachzudenken. Ich stolperte nach vorn, sah dabei sicherlich unglaublich albern aus und ließ das Schwert zwischen Yalomiros Füßen auf das ay’cha’ree niederbrettern, ungefähr so elegant wie eine zu große Fliegenklatsche.
Die unzerbrechliche Schale des Artefakts zersprang unter der von Gor Lucegath beseelten Klinge zu Staub. Das aufgleißende Licht machte uns alle blind. Pianmurít verging in absoluter Stille.
Es war geschehen.
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