
Nach einer viel zu kurzen Nacht krähte irgendwo draußen penetrant ein Hahn.
Isan wälzte sich herum und zog sich ihr Kissen über den Kopf. Sie war müde und hatte entschieden zu wenig Schlaf bekommen in dieser Nacht. Nach der Begegnung mit dem jungen teirand im nächtlichen Gemüsegarten hatte sie sich leise wieder zurück in die Burg geschlichen. Waýreth Althopian hatte immer noch fest geschlafen. Isan stellte sich vor, wie froh der Ritter sicherlich war, nach der langen Reise endlich wieder in einem vertrauten Bett zur Ruhe gekommen war
Tatsächlich war das Nachtlager in Spagor ausgesprochen komfortabel und bequem. Das Mädchen hätte ihre Schlafstätte somit allzu gern noch länger genossen. Aber das lautstarke Federvieh hatte etwas dagegen. Isan schlug die Augen auf und blinzelte unter dem Kissen hervor. Die Tür zum Nebenraum stand offen. Und Althopians Bett war leer.
Isan seufzte und richtete sich auf. „Herr?”, rief sie nach ihm. Aber er war nicht da.
Wo konnte er zu so früher Stunde schon wieder hingegangen sein? War es hier üblich, dass die yarlay auf den Beinen sein mussten, bevor der teirand sich erhob? Das wurde nicht einmal in Valvivant so streng gehandhabt.
Sie gähnte, erhob sich, schlurfte zum Fenster und schaute heraus. Von hier aus konnte sie die Dünen sehen, und dahinter das Meer, noch grau in der Morgendämmerung. Am Horizont hatten sich hohe Wolken aufgetürmt. Das Chaos würde heute wohl kein gutes Wetter gen Süden schicken.
Sollte sie losziehen und ihn suchen? Oder wäre es vielleicht doch ratsam, ihn heute zunächst einmal zu sich kommen zu lassen? Aber wie sollte es überhaupt weitergehen? Wenn der teirand es nun so eilig hatte, der teiranda seine Aufwartung zu machen, der Rotgewandete hingegen darauf bestand, dass Althopian zuerst den Schattensänger abpasste – wie konnte das zusammenfinden, wenn der Magier gerade eben erst aufs Meer herausgefahren war?
Außerdem, und das war das, was Isan am meisten am meisten beunruhigte: Was hatte Althopian dem jungen Regenten eigentlich erzählt? Was glaubte dieser vorzufinden, wenn er sich nach Wijdlant begab? Wusste er, dass er dort von einem Lichtwächter, einem Magier erwartet würde, der ein undurchsichtiges und offensichtlich den Mächten ungefälliges Spiel trieb? Die kurze Freude und der tiefe Stolz, die Isan damals angesichts des Lobs des Rotgewandeten über ihre Heilkünste empfunden hatte, fühlte sich in ihrer Erinnerung längst bitter und verkehrt an.
„Das ist doch alles Wahnsinn”, murmelte Isan und zog sich ihr Schlafhemd über den Kopf. Sie wusch sich mit dem Rest von dem kalten Seifenwasser und nahm sich die Zeit, endlich einmal wieder ihre Haare vor einem brauchbaren Spiegel zu richten. Bis sie damit fertig war, war von Süden die Sonne ein Stück aufgestiegen und warf ein sehr sonderbares Licht gegen die Wolken. Es war unheimlich. Alle Farben schienen ringsum leicht verschoben, aus der Ordnung gebracht vor Pataghíus Glanz.
Althopian blieb weiterhin verschwunden. Isan beschloss schließlich, sich unter das Burgvolk zu mischen und dabei nach ihm Ausschau zu halten. Sie nahm sich einen Wecken, den der Ritter am Abend bei Tisch übrig gelassen hatte und ging damit hinaus auf den Hof.
Es dauerte nicht lange, bis sie ein vertrautes Gesicht erblickte. Kelwa hatte diesmal einen Korb mit Stockfisch bei sich, den sie in der Küche abliefern wollte. Im Gegensatz zum Vortag wirkte sie weniger heiter. Als sie Isan sah, erhellte sich ihr Gesicht nur kurz.
„Hattest du eine angenehme Nacht?”
„Ich habe wenig geschlafen.”
„Was ist passiert?”
„Zuerst hat yarl Althopian mir so liebe Worte geschenkt, dass ich darüber nicht einschlafen konnte. Und dann habe ich dem teirand bei einer kleinen Serenade gelauscht.”
„Oh weh”, lächelte Kelwa geistesabwesend. „Irgendetwas ist wohl in der Luft, das die Männer dieser Tage wunderlich werden lässt.”
„Du sorgst dich um deinen hýardor?”
„Woher weißt du das?”
„Was ist geschehen?”
Die Frau deutete zum Himmel. „Schau das Wetter. Ein Sturm kommt. Er ist auf See. Zu weit draußen, um mit der nächsten Ebbe in Sicherheit zu sein.”
„Aber er hat den Schattensänger bei sich. Ihm wird nichts passieren”, tröstete Isan und stutzte im selben Moment über ihre Worte.
„Ja. Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Ich glaube, solange der Magier an Bord ist, wird er sicher heimkehren. Aber besorgt bin ich trotzdem. Und du? Was hast du auf dem Herzen?”
„Kannst du mir sagen, wo ich yarl Althopian um diese Stunden suchen müsste?”
„Hast du schon am Strand geschaut? Dort sitzt er oft, wenn er mit sich allein sein will.”
„Sollte ich ihn wohl suchen, wenn er allein sein möchte?”
Kelwa strich über Isans Arm. „Du bist ein gutes Mädchen. Lauf los und schau nach ihm. Es ist gut, wenn du ein Auge auf ihn hast.”
Die junge doayra zögerte noch einen Moment. „Kelwa”, fragte sie dann, „kann ich zu dir kommen, wenn ich eine Freundin brauche?”
„Natürlich, Kind.” Die ältere Frau lächelte milde. „Ich wäre auch froh um etwas Gesellschaft. Egnar und Majék waren noch nie so lange auf See.”
Die beiden nickten einander zu. Dann lief das Mädchen zum Tor hinaus, um die Burg herum und hinüber in die Dünen, deren Sand und Gestrüpp in diesem sonderbaren Licht sonderbar leuchteten. Der Bohlenweg aus Treibholz brachte sie schnell und ohne dass sie durch tiefen Sand waten musste, hinunter zum Wasser. Elf Fischerboote lagen, aufgereiht wie eine Perlenschnur, draußen auf ihren Plätzen vor dem Strand. Ihre Besitzer hatten wohl nicht vor, in nächster Zeit auszufahren. Nur ein Liegeplatz war verwaist. In der Ferne hinter ihnen dräute der Sturm.
Sie musste Waýreth Althopian nicht lange suchen. Er saß auf einem umgedreht nahe einer Düne liegenden Boot und starrte etwas an, was er in der Hand hielt.
„Guten Morgen”, grüßte sie beim Näherkommen.
Er hob den Kopf. „Was machst du so früh und hier?”
„Wie lange sitzt Ihr denn schon hier?”, fragte sie und setzte sich, ohne seine Erlaubnis zu erbitten, neben ihn. Dabei versuchte sie zu erspähen, mit was er da hantierte.
„Schon eine ganze Weile. Ich darf keine Zeit verlieren.”
„Ah. Ihr lauert auf die Rückkehrt des Schwarzmantels.” Sie deutete auf das verzauberte Ding in seiner Hand. „Zeigt es immer noch nach Norden?”
„Ja.”
„Das kann ich mir denken. Ich weiß nämlich, wo er ist.”
Waýreth Althopian fuhr aus seiner gebeugten Haltung hoch. „Was? Woher?”
„Während Ihr Eure mysteriöse Kuppelei für den Rotgewandeten erledigt habt, habe ich mich umgehört. Der Magier ist mit einem der hiesigen Fischer aufs Meer hinaus gefahren. Es heißt, er wolle ganz nahe ans Chaos heran. Deshalb zeigt die Scherbe nordwärts, obwohl vor uns nur Wasser ist.”
„Seit wann weißt du das?”
„Seit wir hier angekommen sind.”
„Und warum erfahre ich erst jetzt davon?”
„Hätte ich Euch vor yarl Emberbeys Ohren davon erzählen sollen, oder nachdem Ihr gestern Abend so aufgewühlt wart angesichts dessen, was Euren teirand betrifft?”
„Ist es an dir, zu entscheiden, welche Häppchen du mir zuerst vorwirfst wie einem treuen Hund?”
„Es ändert doch nichts. Der Schwarzmantel ist nicht hier. Das konnte warten.”
Der Ritter schüttelte vorwurfsvoll den Kopf, sagte aber nichts.
„Es könnte Tage dauern, bis er umkehrt”, fügte Isan nebenbei hinzu.
„Dann kann ich nur hoffen, dass mein Herr sich noch etwas gedulden kann mit seinem Liebeswerben. Ich kann mich nämlich nicht zweiteilen.”
„Darf ich zumindest erfahren, mit welchem Ansinnen er tatsächlich nach Wijdlant aufbrechen will, nun, nachdem Ihr Euch etwas gefasst habt?”
„Wirst du darüber schweigen?”
„Brächte ich damit jemanden in Gefahr?”
Waýreth Althopian seufzte. „Du musst dich nicht um das Leben meines Herrn sorgen. Der Lichtwächter hat mir glaubhaft versichert, dass er nicht beabsichtigt, ihn zu behelligen. Er braucht ihn für seinen Plan. Lebendig.”
„Der Plan, ihn mit der teiranda bekannt zu machen?”
Althopian nickte. „Mögen die Mächte geben, dass er dem Charme und Liebreiz der Dame nicht erliegt”, sagte er säuerlich.
„Und was treibt den teirand? Hat er sich nur in das Bild verliebt, dass Ihr ihm gegeben habt? Will er allein deshalb gleich losstürmen?”
„Ich habe ihm gesagt, die Dame sei in einer komplizierten Notlage und erwarte jemanden ihres Ranges, der sie rettet.” Er lächelte bitter. „Ich glaube, damit hat mich der Lichtwächter nicht einmal zu einer Lüge angehalten.”
„Und der teirand denkt, er sei der richtige Mann dafür?”, fragte Isan zweiflerisch.
„Er hat viele Romane gelesen. Seine Phantasie hat ihn übermannt, zugleich mit dem Bild.”
„Oh weh.” Das Mädchen schaute hinauf aus Wasser und dachte eine Weile nach.
„Und wenn die Mächte die beiden einander doch zu hýardoray bestimmt hätten?”
„Es würde mich überraschen, wenn der Lichtwächter nach alledem ein Mittler der Mächte wäre.”
„Mich nicht. Vielleicht weiß er selbst nicht, welche Macht ihm seine Pläne eingibt.” Isan hob ein verwaistes Schneckenhaus aus dem Sand und betrachtete es nachdenklich. „Und was hat nun der Schattensänger mit alldem zu tun?”
„Gar nichts. Ich denke hin und her und finde keinen Zusammenhang zwischen ihm und dem Schicksal meines Herrn oder dem von Kíaná von Wijdlant.”
„Dann erfahre ich darüber nichts von Euch?”
„Nein. Und wenn du mich noch so sehr darum bittest. Das ist etwas, das ich ganz allein mit mir selbst ausmachen muss.”
„Nun gut. Aber vielleicht nützt es Euch etwas, mit der Frau zu sprechen, deren hýardor ihn an Bord hat? Sie hat den Schattensänger gesehen.”
Der Ritter dachte nach. „Vielleicht wäre das gar nicht so dumm. Weißt du ihren Namen?”
„Kelwa. Sie wohnt mitten im Dorf.”
„Ah, Kelwa. Eine von den Waschmägden, nicht wahr?”
„Möglich. Ja, wahrscheinlich. Gestern war sie mit Wäsche… Ihr merkt euch den Namen einer Waschmagd?”
„Natürlich.”
„Kennt ihr auch jeden auf Eurer Burg beim Namen?”
„Warum wundert dich das? Die Leute sind mir schutzbefohlen. Natürlich weiß ich, mit wem ich mich umgebe.”
Sie lächelte. „Nun, ich glaube, es gibt genug Herren, die nicht so viel Anteil an ihren Bediensteten nehmen. Benjus von Valvivant beispielsweise ist ein guter teirand, aber er weiß sicher nicht einmal die Namen all seiner Leibdiener”
„Ich weiß”, gab er zurück und warf einen flüchtigen Blick gen Osten. „Aber so darf es nicht sein. Vielleicht ist es dennoch besser, wenn du die Frau darauf vorbereitest, dass ich mit ihr reden will. Ich will sie nicht in Verlegenheit bringen.”
„Oh, ich arrangiere das”, versprach Isan eifrig. Dann besann sie sich auf das, was der yarl zuvor gesagt hatte.
„Herr … was ist, denn Euer teirand, überwältigt von seinen Phantasien den Lichtwächter angreifen will? So wie der Smaragdritter den finsteren Eisernen Krieger?”
„Ha! Der Eisenkrieger war ein tumber Haudrauf. Solche Kerle sind leicht zu besiegen. Der Lichtwächter hingegen ist kein solcher Gegner. Für niemanden von uns. Verblendeten Heldenmut meines Herrn werde ich zu verhindern wissen.”
„Also wollt Ihr denn unbedingt wieder zurück in dieses gruselige teirandon? Dorthin, wo der Lichtwächter lauert?”
„Selbstverständlich. Ich kann meinen Herrn nicht in sein Verderben laufen lassen, auch wenn der Magier mir sein Ehrenwort gegeben hat, Asgaý von Spagor kein Haar zu krümmen. Und ich flehe die Mächte an, dass dann dieser … Fluch von mir genommen wird, wenn ich gehorsam und der Magier sein Versprechen einlöst.”
Isan dachte eine Weile nach. „Wäre dieses große teirandon, das der Lichtwächter Euch so schmackhaft machen wollte, eine gute Sache? Wenn ihr ganz ehrlich seid? Etwas, das ihr Euch wünschen würdet, für Euch und die yarlara?”
„Wenn keine unheilvolle Magie im Hintergrund dräuen würde”, antwortete der yarl, „wäre es ein Geschenk der Mächte im Weltenspiel.”
Sie seufzte. „Ich hatte gerade begonnen, mich hier einzugewöhnen. Wisst Ihr, auf den zweiten Blick scheint mir das alles hier gar nicht so übel zu sein.”
Er lächelte geistesabwesend. „Nein, fürwahr, übel ist es hier nicht. Zumindest nicht, solange man uns hier noch benötigt.”
„Was heißt das?”
„Mädchen … was bleibt einem yarl, wenn der teirand ihn entlässt?”
Sie zögerte. „Aber nein”, sagte sie dann. „Das tut er nicht. Was soll er denn machen ohne Euch?”
„Ich weiß nicht. Vielleicht findet er anderswo sein Glück. Es …”
„Herr! Schaut nur!”, rief sie aus und deutete auf den Scherbenkompass.
Der Ritter unterbrach sich und schaute hin. Dann hielt er sich das Ding näher vor die Augen, als hoffe er, dort etwas anderes zu sehen.
„Bei den Mächten”, wisperte er. „Was passiert da?”
Sie schwiegen und starrten ratlos. Denn die Scherbe hatte begonnen, sich wild um die eigene Achse zu drehen wie ein im Wind wirbelndes Blatt.
***
Majék und Egnar starrten mit bangem Entsetzen auf das, was aus dem Chaos aufzog und zu einem entsetzlichen Unwetter werden würde.
„Bei den Mächten”, sagte der Fischer schließlich tonlos. „Was hat der Kerl da nur ausgelöst?”
„Meinste, er hat das Chaos erreicht?”
„Wahrscheinlich hat es ihn verschluckt. Möglicherweise ist es dabei, zu explodieren.”
„Explodieren?”
„Ja, wie wenn man ‘ne Flamme an Mehlstaub bringt. Ist vor ‘n paar Wintern mal in einer Mühle landeinwärts passiert. Ganz schlimme Geschichte.”
In den frühen Morgenstunden, als die die Dämmerung aufzog, hatten sie die Wolkenwand bemerkt, die aus dem Chaos hervorzuquellen schien und in Windeseile den gesamten Himmel einzunehmen schien. Diese Wolken glichen nicht dem, was die Fischer als gewöhnliche Sturmwolken kannten. Sie waren dunkel und schienen nicht schwerelos zu schweben, wie es Wolken gemeinhin taten. Stattdessen glichen sie einer trüben Flüssigkeit, die sich im Wasser verteilte. Ab und zu zuckte darin ein Blitz auf, aber es grollte kein Donner. Es blieb gespenstisch still. In der Ferne toste das Chaos, aber rings um das Boot war das Wasser spiegelglatt. Keine einzige Welle wiegte das Schiff. Man hätte meinen können, sich an Land zu befinden.
Majék holte sich das Fernrohr aus dem Deckshaus und kletterte damit auf den Mast, um einen besseren Blick zu erhaschen.
„He! Vorsichtig mit dem Ding!”, mahnte Egnar. „Hat ein Vermögen gekostet!”
„Hat ‘nen Sprung inner Linse!”
„Dafür war’s billiger!” Egnar ging um das Schiff herum und schaute nach Süden. Dort war der Himmel noch klar. „Bei den Mächten, was würde ich darum geben, wenn wir jetzt die Segel setzen und schleunigst beidrehen könnten!”
„Warum machen wir’s nicht einfach?”
„Warum? Weil dieser Irre nicht an Bord ist!”
Majék klemmte sich das Fernrohr unter den Arm und deutete zu dem brodelnden Etwas rechtvoraus. „Denkste, da kommt er je wieder raus? Der ist garantiert längst dahin!”
„Ist er nicht!” Egnar griff nach dem Stundenglas. Der Sand schimmerte silbern, während er hinab rieselte. „Was immer da passiert, der Kerl ist zäh!”
„Aber …”
„Außerdem können wir hier nicht weg. Das Schiff liegt fest wie festgefroren.”
„Aber bestimmt nur, solange …”
Ein Stoß erfasste den Kutter, als sei er von unten von einem Wal gerammt worden. Majék rutschte vom Mast ab, wurde aber von der Takelage aufgefangen. Egnar kam seinerseits ins Schwanken, haschte nach der Reling und ließ dabei das Stundenglas fallen. Das Instrument fiel aufs Deck und rollte davon. Der Fischer hastete hinterher, um es einzufangen.
Aber die Sanduhr schien ihren eigenen Willen zu entwickeln. Mehrfach schlüpfte sie aus seinen Händen und holperte gegen die Neigung des schwankenden Schiffs an. Als es Egnar endlich gelang, zuzugreifen, hatte sie den Bug erreicht und sich entlang des Kiels ausgerichtet.
„Alles klar?” Majék hatte sich befreit und eilte herbei.
„Keine Ahnung! Da passiert was!”
Egnar versuchte, das Stundenglas aufzuheben, aber es lag nun unverrückbar und wie festgeklebt auf dem Bugdeck des Kutters. Wäre es nicht durch die Reling gestoppt worden, es wäre geradewegs über Bord gegangen.
Aber auch im Inneren des Glaskolbens ging etwas vor sich. Obwohl die Sanduhr sich in der Horizontalen befand, rannen die silberigen Körner weiter. Nach Norden.
„Bei den Mächten!”, schimpfte Egnar. „Was hat das wieder zu bedeuten?”
„Wir machen Fahrt!” Majék deutete mit von Angst weit aufgerissenen Augen zu dem lustigen bunten Wimpel an der Mastspitze des Bootes, der begonnen hatte, im Wind zu knattern. „Wir fahren!”
„Aufs Chaos zu!” Egnars Blicke hetzten vom Wimpel zur Sanduhr zum Chaos und wieder zurück. „Segel setzen!”
„Nun doch?”
„Wir dürfen nicht in dieses Unwetter rein! Abfallen! Sofort!”
„Aber es geht kein Wind!”
„Was? Aber …”
„Das ist Fahrtwind! Etwas zieht uns. Wahnsinnig schnell!”
„Das muss die Sanduhr sein! Die will zu ihrem Meister!”
Egnar schaute sich panisch um. Irgendeinen Weg musste es doch geben, die unfreiwillige Fahrt aufzuhalten.
Majék dachte schneller. Der Junge rannte zum Werkzeugkasten und riss einen kleinen Metallhammer hervor.
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