
Elosál schaute emotionslos auf die Unkundigen hinab. Wie sehr das, was sie sah, sie entsetzte und aufbrachte, durfte sie sich nicht anmerken lassen. Aber … dieser Frevel! Dieser aufgestachelte Wahnsinn, diese Ungeheuerlichkeit, den Cielástel zu beschädigen, ja, zerstören zu wollen!
Die Blicke der Sieben waren weit finsterer. Die Menge war so aufgebracht gewesen, dass es gar kein Problem gewesen war, sich von Osten zu nähern und ein Stück weit hinter ihnen zu landen. Nach all den Anstrengungen und Verlusten hatten die arcaval’ay viel von dem goldenen Strahlen eingebüßt, das sie üblicherweise umgab. Zum Glück schien die Präsenz der Einhörner und die besondere Gestalt der Sieben die Leute ausreichend einzuschüchtern.
Einige nahmen verlegen ihre Kopfbedeckungen ab, andere knieten nieder. Aber eine Antwort auf ihre Frage bekam Elosál nicht. Wahrscheinlich konnten sie es selbst nicht in Worte fassen, was sie zum Angriff auf Pataghíus Heiligtum bewegt hatte.
Elosál trieb Sonnenstrahl vorwärts. Schweigend bildeten die Leute eine Gasse für sie und ihr goldschimmerndes Reittier. Einer nach dem anderen folgten ihr die Ritter, der Violette voran, Indigo, Blau, Grün, Gelb, Orange und Rot. Niemandem in der Menge konnte entgehen, dass sie von einer schweren Schlacht heimkehrten. Ob man ihnen verraten sollte, dass sie erneut die Chaosgeister geschlagen hatten? Nun, darüber würde sie nachdenken müssen. Für den Moment reichte es wohl, dass sie sich ihre Gedanken machten.
Vorn am Abgrund, flankiert von den Resten der zerschmetterten Zugbrücke, stand der Stallmeister, der gute Mann, und ihm schien eine ungeheure Last abgenommen.
„Hattest du einen angenehmen freien Tag?”, fragte Elosál.
„Oh, Meisterin”, brachte er hervor. „So viel hätt’ ich zu berichten …”
„Morgen”, sagte sie sanft. „Morgen ist die Zeit dafür.”
Sie spornte Sonnenstrahl an und setzte elegant mit einigen Sprüngen über den Scherbengraben hinweg, durch das Burgtor hindurch und hielt dort neben den beiden greisen Menschen und ihren Dienern.
„Es ist spät”, sagte sie und neigte den Kopf vor Saháalír und der alten Dame. „Bitte, seid unsere Gäste. Es wird viel zu bereden geben. Morgen.”
Ein Regenbogenritter nach dem anderen überquerte den Abgrund zwischen ihnen und den Menschen. Enttäuscht und gekränkt schauten die Sieben dabei auf den Schaden. Doch für den Moment würde es so bleiben müssen. Keiner von ihnen hatte mehr genug Magie übrig, um es zu beheben.
„Bitte, Meisterin”, stammelte der Maultierführer verängstigt, „ich … ich will heim …”
Elosál horchte in sein Herz hinein. Er war es gewesen, der dem Mob das Tor geöffnet hatte, nicht aus Bosheit, allein aus Angst. Dass die Ketten nachgegeben und die Wucht des Aufpralls das Holz zerschlagen hatte, damit hatte er nichts zu tun.
Sie winkte den Indigofarbenen herbei, stieg selbst ab und deutete einladend auf Sonnenstrahls Sattel. „Bitte. Mein Ritter bringt dich auf die andere Seite. Dein Bruder wird im Tausch dafür zurück in unseren Dienst wechseln. Was ist mit dir, junger Mann? Hast du auch etwas in Aurópéa zu beenden?”
Der maedlor nickte schüchtern. Sie lächelte. „Dann bist du der Nächste. Und dann entschuldigt uns. Wir hatten eine schwere Nacht. Sorgt euch nicht um die Tiere, die ihr hier zurücklasst. Ihr erhaltet sie zurück, sobald wir das Malheur mit der Brücke gerichtet haben. Und nun lasst mich ruhen. Es ist so viel geschehen. Ich bin so müde …”
Die Unkundigen verneigten sich, mit Ausnahme des sinor, der dazu körperlich nicht in der Lage war. Der Grüne nahm sich seiner an und trug den alten Herrn behutsam fort. Die alte Frau schaute Elosál noch einmal lange und ehrfürchtig an. Dann versuchte sie einen unbeholfenen Knicks. Der Maultierführer schien nicht fassen zu können, dass man ihn ungerügt gehen ließ. Hastig nahm er die Einladung an, die kleinere Einhornstute zu erklimmen. Der kurze Flug über den scherbengespickten Abgrund machte ihn still und bleich.
Elosál hatte hier nichts mehr zu tun. Sie ging hinüber zum Stall, die ersten Schritte noch würdevoll und erhaben, dann, als sie sich unbeobachtet fühlte, matt und müde. Im Stall roch es warm und lebendig nach Tier. Die zwei Maultiere und beide Pferde drängten sich in einem der Goldkäfige. Und dort hinten, im letzten Verschlag …
„Farbenspiel?”
Farbenspiel hob Kopf und spitzte die Ohren. Zwischen seinen Kiefern schauten die letzten Reste eines Palmwedels hervor. Um den Hals hatte er locker verknotete, schmale Damenzügel hängen. Die Tür seines Käfigs war weit offen, nichts hätte ihn daran gehindert, sich über die Futterkammer herzumachen. Aber er war brav. Er folgte dem Willen seines Meisters.
Elosál langte nach seiner Schnauze und streichelte ihn. Im Hintergrund führten die ersten arcaval’ay ihre Tiere herbei. Die sonst so wilden und feurigen Einhörner schlurften müde über den Boden. „Wenn du nur reden könntest”, sagte sie liebevoll zu dem seifenblasenbunten Hengst. „Was würdest du mir erzählen? Wie viel davon würde ich dir glauben?”
Farbenspiel schnaubte und blickte sie treu aus seinen gelben Schlangenaugen an. Dann kaute er weiter.
Elosáls nächster Weg führte sie in Advons Gemach, aber dort war der Junge nicht. Einer Eingebung folgend, versuchte sie ihr Glück im Seitenturm und öffnete leise die Tür zum Schulzimmer. Dort hatten die Kinder eine Laterne angemacht. Advon saß tugendsam am Tisch und las in einem dicken Buch. Das kleine Mädchen hatte gegenüber Platz genommen und den Kopf auf die verschränkten Armen gebettet. Dýamirée Lagoscyre schlief, erschöpft und ausgelaugt.
„Mama?”, fragte Advon und tat überrascht, dies allerdings nur wenig überzeugend. Seine Augen glänzten noch nach vor Aufregung und Sorge und einer Spur schlechten Gewissens.
„Wieso seid ihr hier?”, fragte Elosál.
„Wir sollten doch hierher?”
Sie lächelte. „Und wo wart ihr zwischendurch?”
„Was war das für ein Lärm vor der Burg?”, lenkte er ab. „Waren das Menschen?”
„Unkundige Menschen, Advon. Lärm und Aufruhr um nichtige, eitle Dinge. Es ist gut, dass ihr nicht nachgesehen habt.”
„Wir … sind noch nicht lange hier”, gestand er. „Der große Knall war die Brücke, nicht wahr? Und es ist Glas kaputt?”
„Nichts, was sich nicht wieder zusammenfügen ließe. Nichts, was heute noch einen Gedanken wert wäre.”
„Tut mir leid, mit der Brücke, Mama. Mir ist nichts Besseres eingefallen.”
„Eingefallen?”
„Ich … na ja. Ich wollte nicht, dass sie hier hereinkommen.”
Sie hob fragend die Brauen. „Du wolltest das nicht? Was heißt das?”
Er schaute sie still an. In seinen Emotionen waren so viel Aufregung, Verwirrung, Erleichterung und Stolz und Liebe, dass das Durcheinander fast lustig zu beobachten war. Er riss sich schließlich zusammen und konzentrierte sich auf das, was ihm am dringlichsten erschien.
„Mama”, flüsterte er. „Schau!”
Und er entzündete eine Wachskerze, die neben ihr auf dem Wandbord stand. Ohne aufzustehen und ohne ein Feuerzeug zu benutzen.
Elosál schaute die kleine flackernde Flamme an. Ihr Herz klopfte, zunächst erschrocken und wild, und dann voller überwältigender Dankbarkeit. Was immer die Kinder erlebt haben mochten – unterwegs hatte Pataghíu ihren Sohn beschenkt. Endlich.
„Dýamirée kann jetzt auch zaubern”, wisperte er. „Ihre Magie ist ganz bunt und glitzert wie Morgentau im Mondlicht.”
Die fajía ging still zu ihm hin und schloss ihn zärtlich in ihre Arme. „Komm”, wisperte sie. „Lassen wir deine kleine Freundin ausruhen. Komm mit mir in den Saal. Wir warten in der Halle auf deinen Vater. Der wird staunen! Und wie stolz wird er sein!”
Sie löschten die Laterne. Elosál deckte Dýamirée fürsorglich mit ihrem glitzernden, irisierenden Mantel zu. Dann liefen sie durch die finstere Glasburg. Elosál ließ sich in Pataghius Halle auf ihrem Thron nieder und nahm Advon auf ihren Schoß. Der Junge kuschelte sich friedlich an und schloss müde die Augen.
Einen nach dem anderen sandte Elosál die Ritter in die Türme und gebot ihnen, zu ruhen. Einer nach dem anderen folgte ihrem Willen, und sogar die sinoray in den Gästegemächern und der Stallmeister in seiner Stube wurden von übergroßer Müdigkeit erfasst. Mit jedem, der einschlief, begann der Cielástel ein klein wenig mehr zu leuchten.
Und im Süden erhob sich Pataghíus Glanz als golden schimmernder Streifen über die Wüste Soldesér.
***
Cýelú Irísolor und ich saßen nun nebeneinander, jeweils in unsere eigenen Gedanken versunken. Nachdem das Wolkenportal verschwunden war und der Cielástel wieder zu leuchten begann, hatten sich seine Anspannung und Traurigkeit sichtlich etwas gelöst. Miteinander zu reden brachten wir noch nicht zuwege. Aber das war mir nicht unangenehm. Es war nun vielmehr ein gemeinsames Schweigen. Ich fühlte mich nicht mehr so allein.
So wie ich das unförmige Kuscheltier, schien er ein Andenken an seinen Sohn bei sich zu führen. Ich hatte zunächst gar nicht richtig erkannt, was es war, ein sonderbar verbogenes Objekt aus Gold und einem mit Glitzersteinen bedeckten Knauf. Dann verstand ich, dass es ein Messer war, vom Format her gemacht für eine Kinderhand, aber verkrümmt und gestaucht wie zerkaut und ausgespuckt.
Als sich im Süden das erste Sonnenleuchten zeigte, fiel ihm ein Stein vom Herzen. Er seufzte schwer und murmelte einen Dank an Pataghíu. Auch ich fühlte Erleichterung. Eine nicht endende Nacht fühlte sich sogar für Schattensänger unerträglich an. Und, das musste ich zugeben: Der Sonnenaufgang über der Wüste hatte etwas wahrhaft Magisches. Es waren ganz besondere Farben, ein goldenes Leuchten auf dem Sand.
„Ich möchte Euch etwas zeigen”, sagte Cýelú Irísolor plötzlich.
„Was denn?”
„Das möchte ich Euch nicht erklären. Ich will, dass Ihr es seht, bevor ich Worte darum mache. Ich vermute, ihr werdet es dann besser verstehen.”
„Gut. Und wo ist es?”
Er erhob sich. „Ein Stück südlich von hier. Wir haben es gut versteckt. Perlenglanz bringt uns hin.”
Als hätte er uns gehört, hob der Einhornhengst den Kopf. Er hatte die letzten Stunden im Sand liegend gedöst und wirkte ausgeruhter als sein Herr.
„Aber Euer Goldzeug … meine maghiscal …”
„Ich will, dass Euch das nichts antut. Einverstanden?”
Was blieb mir anderes übrig? Und tatsächlich brachte er es irgendwie fertig, seine eigene maghiscal so zu dämpfen, dass ich die Hitze zwar bemerkte, aber gerade so ertragen konnte. Das machte den Ritt nicht angenehm, aber möglich. Ich versuchte, mich am hinteren Sattelbogen festzuhalten, Perlenglanz hatte es nicht allzu eilig, sodass es leidlich komfortabel war.
Tatsächlich war es auch kein allzu weiter Flug. Die Sonne war noch nicht weit über den Horizont gestiegen, als wir landeten, neben einem etwas sonderbar stromlinienförmig geformten, sandbedeckten Felsen von etwa fünfzehn Metern Länge. Der ragte aus der ansonsten recht ebenen Sandlandschaft hervor und wirkte ein wenig deplatziert, ein wenig wie ein gestrandeter, übergroßer Delphin.
Ich hangelte mich von Perlenglanz herab und ging nähert heran. Was konnte das sein? Vielleicht ein magischer Stein, eine Kultstätte für Pataghíu, von der noch niemand gehört hatte? Jedenfalls war es tatsächlich nicht das, was es auf den ersten Blick zu sein schien. Es lag Magie darauf, allerdings alte, abgestandene Magie. Wie ein Getränkerest, der in einem Glas eingetrocknet war.
„Was ist es?”, fragte ich den Goldenen, der ebenfalls abgestiegen war. „Was für einen Zauber zeigt Ihr mir da?”
Er zögerte, fast so, als wäre er kurz davor, es sich anders zu überlegen. Dann hob er die Hand und strich die Illusion beiseite. Die Oberfläche des Steins sortierte sich neu und gewährte mir einen Blick darunter.
Vermutlich habe ich minutenlang einfach nur dagestanden und fassungslos gestarrt. Ich hatte in dieser Welt die wunderlichsten Dinge gesehen. Aber nichts hatte mich auf einen solchen Anblick vorbereiten können. Das war … absurd! Das durfte nicht sein! Nicht in diesem Weltenspiel. Es riss mich aus der Stabilität, die ich hier zwischen Burgen und Rittern und Wundern und Märchen gefunden hatte.
„Das …”, brachte ich hervor, „ist doch unmöglich!”
„Wieso? Ihr seid doch auch hier?”
„Darf ich es mir ansehen?”
„Nur zu.”
Ich tappte, wie im Traum, näher an das Flugzeug heran. Es mochte magisch getarnt gewesen sein, aber es hatte wahrscheinlich fast anderthalb Jahrhunderte in der Wüste gestanden. Sandstürme hatten über die Zeit die Lackierung in weiten Teilen abgeschmirgelt. Die Flügel waren breit und tief angesetzt, aber weitgehend unter dem Sand verweht. Das, was ich für eine kuriose Felsform gehalten hatte, war das Heck, das hoch aufragte. Das Cockpit saß am anderen Ende des langgesteckten Rumpfes wie eine kuppelförmige Beule. Da das Flugzeug sich mit seiner Nase tief in den Boden gegraben hatte, konnte ich Sand wegstreichen und hineinschauen.
Natürlich war es drinnen dunkel. All die Instrumente und Anzeigen, die normalerweise sicher geblinkt und geleuchtet hatten, waren schwarz, natürlich, es gab ja keinen Strom. Aber dennoch war etwas an den Instrumentenbrettern und der Cockpitausrüstung noch falscher als das Flugzeug als solches. Ich kletterte fasziniert weiter hinauf, spähte hinein und fand, dass sich die transparente Abdeckung für Glas sehr seltsam anfühlte. Möglicherweise war es gar keines.
„Seid Ihr … hiermit in dieses Weltenspiel gekommen?”
Er nickte. Mir wurde klar, weshalb er ein so meisterhafter Flieger war, selbst, wenn er ein Einhorn unter dem Sattel hatte und nicht … so etwas.
Das Flugzeug machte mir plötzlich Angst. „Habt Ihr gewusst, wie es passiert ist?”
„Nein. Es hat mich angezogen. Magisch angezogen. Das meine ich ganz wörtlich. Die Luftströmungen und all das. Es war wie ein Portal. Blendend hell. Wunderschön. Warm. Friedlich. Ich habe mich danach gesehnt, obwohl es ganz plötzlich da war und ich keine Ahnung hatte, dass es existierte.”
Aufschriften oder Flaggen auf dem Rumpf hatte die Wüste längst ausgekratzt, nur hier und da erahnte ich Reste eine Tarnlackierung. Ich betrachtete das Innenleben des Cockpits. Auf dem Pilotensitz lag ein Helm mit Schläuchen und Kabeln. Vielleicht hatte Cýelú darauf seinen Zauber aufgebaut.
„Vermisst Ihr Eure Geburtswelt?”, fragte ich fasziniert.
„Nein.”
„Glaubt Ihr, jemand vermisst Euch?”
Er lächelte sarkastisch. „Die offizielle Lesart wird sein, dass ich während meiner Mission in einen ungeklärten Flugunfall verwickelt wurde, dessen Ursache Gegenstand einer Untersuchung sei. Vielleicht haben sie mir posthum einen Orden verliehen, damit niemand Fragen stellt.”
„Und was ist wirklich passiert?”
„Ich hab die Maschine geklaut. Ich hab alles abgeschaltet, womit sie mich schnell hätten orten können, und dann bin ich übers Meer raus.”
„Warum klaut jemand einen Kampfjet?”
„Beim nächsten Start”, sagte er und lehnte sich mit dem Rücken an dieses Ding, das sein Weltenschlüssel gewesen war, „hätte ich Fracht ausliefern müssen.”
Ich kletterte zu ihm hinab und überlegte, wie ich es formulieren konnte, ohne einen Fehler zu machen.
„Seid Ihr … desertiert?”
„Desertiert? Nein. Ich glaube nicht. Aber diese Maschine hier, ein Topsecret-Prototyp, die wäre die einzige gewesen, um diese Fracht zu transportieren. Es war ein klassifiziertes Projekt, höchste Geheimhaltungsstufe, ein Transportmittel für eine entsetzliche Geheimwaffe. Natürlich haben die anderen davon mitbekommen, aber ihnen fehlte die Zeit, sich zu wappnen. Sie waren wehrlos. Ich hab ihnen … Zeit verschafft. Zumindest hoffe ich das.”
„Dann seid ihr ein Verräter?”
„Nein. Ich bin ein Mensch mit einem Gewissen. Die Sache war der helle Wahnsinn, von Anfang an. Es war unfair. Es war … den Mächten unserer Welt nicht gefällig.”
„Aber was hattet Ihr mit dem Flugzeug vor? Irgendwo hättet Ihr doch landen müssen.”
„Natürlich. Am Meeresgrund oder frontal an einer Bergspitze, je nachdem, wie weit ich gekommen wäre. Oder eben in einer Wüste, in einer anderen Welt.”
„Ihr wäret gestorben, um die … Lieferung zu verzögern?”
Er schaute zu Boden. Perlenglanz schupperte sich derweil entspannt am Höhenruder. „Ja. Ja, das war es.”
„Gelandet seid Ihr in einer fremden Welt, mitten in einem neuen Krieg? Magie gegen Monster?”
„Die arcaval’ay waren ziemlich erschrocken, als ich vom Himmel fiel und dabei gleich ein paar von den ganz großen Chaosgeistern gefällt habe.” Jetzt grinste er müde. „Ich wette, Eure Geschichte war sehr ähnlich, Meisterin Salghiára.”
„Nun ja. Nicht wirklich, fürchte ich. Bei mir war es nur ein Schlüssel. Und sehr viel Traurigkeit.”
„Wir werden viel Zeit haben, unsere Erlebnisse meinander auszutauschen.”
„Ich hoffe, Ihr seid nicht allzu enttäuscht. Meine Geschichte ist ziemlich langweilig.”
„Vielleicht. Aber Ihr seid es nicht. Nicht mehr, wer immer Ihr auch zuvor gewesen sein mögt. Ihr habt mich um Haaresbreite aus der Luft geschlagen.”
Nun musste ich unwillkürlich lächeln.
„Meisterin Salghiára”, fragte er, nun plötzlich sehr ernst und scheu, „ich habe Euch das hier gezeigt, weil Ihr wahrscheinlich die Einzige seid, die es versteht. Ich habe nie vor jemand anderem als Elosál und den arcaval’ay darüber geredet. Unkundige dürfen es nicht wissen. Es ist geheim.”
„Dann halten wir es auch so, Meister Cýelú.”
„Aber nun, da wir unter uns sind, da treibt es mich um …”
Ich hasste es, Aber ich musste ihn enttäuschen. Und vielleicht war es gut so.
„Ich kann es Euch nicht sagen, selbst wenn ich es wollte. Wisst Ihr, dieses Flugzeug, die Technik im Cockpit, das Design und Material und alles … ich verstehe zwar nichts von der Technik, aber …” Ich unterbrach mich. Besser, ich sagte es ihm schnell und direkt. „Meister Cýelú – von meinem Ursprung aus betrachtet, kommt Ihr aus der Zukunft. Ich kann nicht wissen, wie es ausging. Ich kann mir nicht einmal denken, wer es begonnen hat.”
Das schien ihn zu erschüttern. „Aus der Zukunft“, echote er.
Ich nickte.
„Wie ist das möglich? Ich war lange vor Euch hier!”
„Ich denke, für die Mächte ist Zeit zwischen den Welten etwas, das nichts bedeutet.”
Darüber dachte er eine Weile nach. Dann nickte er und warf seinen Zauber über das Flugzeugwrack. Diesmal war die Magie frisch und fließend. „Kommt. Im Cielástel warten sie auf uns.”
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