
War es ein Blitz gewesen? Hatte Pataghíu eingegriffen und den Chaosgeist abgewehrt? Oder waren es die Sieben, die ihm zu Hilfe geeilt waren? Aber wie konnte das sein, ohne das magische Feuer?
„Steht nicht herum”, rief ihm der Schwarzmantel zu. „Bringt Euch in Sicherheit!”
Cýelú schaute bestürzt auf das grässliche Albtraumwesen, das der Schattensänger mit einem Bann niedergestoßen hatte, der ihn unglaublich viel Kraft gekostet haben mochte. Der Chaosgeist war vor der Wucht dieses Schlages zurückgewichen und hatte dabei den Kipppunkt überschritten, der seinen kegelförmigen Körper aufrecht gehalten hatte. Die kleineren Tentakel hatten daraufhin die Bodenhaftung verloren, aber die größeren krallten sich im nackten Erdboden fest. Das Wesen versuchte, sich daran wieder den Hang hinauf zu ziehen.
„Seid Ihr eingefroren, mitten in der Wüste? Kommt zu mir! Das Ding steht wieder auf!”
Cýelú runzelte die Stirn. Unverschämt war der Kerl, aber er hatte recht. Ärgerlich stieß der Magier sich an der alten Steinpalmenwurzel ab, jagte die Klinge erneut in den Boden und kletterte, ohne bewusst zu schauen, was er tat, an allem empor, was sich ihm auf dem toten Fels und Geröll entgegenstreckte, während das Monster aus dem Wasser hervorkroch wie eine träge Schildkröte.
Der Schattensänger balancierte auf dem Grat der Senke, unter den unheilvoll flimmernden, wie hässliche Schlieren am Himmel kreisenden Wolken. Hätte der Dunkle Magier ihm nicht soeben das Leben gerettet, Cýelú hätte gedacht, er sei mit seiner finsteren Macht für dieses Grauen selbst verantwortlich. Tatsächlich zauberte der camata’ay, ganz unverkennbar war das Strahlen seiner silbrigen maghiscal zu spüren, aber was genau er tat, konnte der Goldene nicht erkennen. Doch er hörte ihn singen, auf eine düstere, unheilvolle Art.
Aber genau das schien etwas zu sein, das dem grässlichen Monster missfiel. Es gab ein Geräusch von sich, als knarrte Holz und zerschlisse sich dabei in Sägespäne. Es klang überrascht.
Unsinn, dachte Cýelú und rettete sich fieberhaft mit dem Schwert als Handgriff aus dem tödlichen Trichter heraus. Diese Wesen haben keine Gefühle. Sie haben nicht einmal einen Verstand! Sie sind purer Reflex und Verderben!
Schneller!, trieb ihn der Schattensänger ungeduldig an, diesmal wortlos, während sein unheimliches Lied immer lauter und beschwörender klang. Ich kann es nicht lange halten!
Der Ritter schleppte sich schnaufend voran. Endlos schien der Weg den steilen Hang hinauf zu sein, unendlich weit. Aber die Stimme des Schwarzgewandeten war ein Signal, ein Anker, ein Magnet, zog ihn an, übertönte den Regen, der auf seiner Rüstung trommelte und seine eigene Magie unbrauchbar machte. Dem Schattensänger schien der schale Niederschlag aus dem absurden Wolkengebräu nichts auszumachen.
Das Wesen knarrte und ächzte weiter. Lose Steine polterten unter ihm hinab und platschten in das Wasser hinein. Bei den Mächten, das Wasser … wo kam dieses schreckliche, schmutzige Wasser in so großer Menge her? War das noch Grundwasser aus den Tiefen der Wüste, oder entsprang es woanders? Ganz woanders? Kam es aus der selben Quelle wie der Regen?
Cýelús Herz raste, er hörte seinen eigenen Atem rasseln. Wo war der nächste Stein, die nächste Unebenheit, der letzte Rest des Waldes, der hier einst einmal gewesen sein mochte? Wohin konnte er greifen, wo sein Schwert verankern?
Hinzu kam, dass der Regen den blanken Boden allmählich aufzulösen begann, der Untergrund sich mit jedem Atemzug von trockener, blanker Erde mehr und mehr in glitschigen Lehm verwandelte. Cýelú spürte, wie seine Füße abglitten, erst einmal, dann, zwei Schritte darauf, erneut und schließlich gar keinen Halt mehr fanden. Der Ritter geriet ins Rutschen, nun nicht mehr auf losen Sand, sondern auf etwas, was sich zunehmend verhielt wie sämige Asche.
„Ich kann nicht!”, rief er zu dem Schattensänger, der nun so nah und unerreichbar war. „Bei den Mächten, rettet Euch! Rettet Euch und holt die anderen herbei!”
Wo denkt Ihr hin?, antwortete der Schattensänger. Er gestikulierte eindringlich, bewegte sich nun mit einer gespenstischen, tänzerischen Eleganz, während der Wind auffrischte und seinen Mantel bauschte, als wolle er ihn fortblasen. Was müsste ich denn dann Eurem Sohn erzählen?
„Lasst meinen Sohn aus dem Spiel!”, fauchte Cýelú erbost. „Mein Sohn hat hiermit nichts zu tun!”
Und deshalb soll er fortan vaterlos leben? Was ist denn das für eine Fürsorge? Seid Ihr Eures Glückes etwa überdrüssig?
Was erlaubte dieser impertinente Kerl sich? Und was tat er da überhaupt?
„Ihr habt doch überhaupt keine Ahnung, was hier vorgeht!”, schrie er den Schwarzmantel an.
Mehr als Ihr denkt! Und jetzt kommt endlich! Meine Kräfte sind nicht unbegrenzt! Die Kreatur ist stärker als ich!
„Ihr …”
Wie schade, lästerte der Schattensänger. Wie eigenartig, dass es wohl stets meinesgleichen ist, das Euch gegen dieses Ungeziefer aus der Leere beistehen muss!
„Das nehmt Ihr sofort zurück!”
Das kann ich nicht! Schattensänger können nicht lügen!
Das Kegelwesen wütete. Immer mehr Material vom Abhang rutschte ab. Das Schwert lockerte sich neuerlich. Cýelú glitt aus und ahnte im selben Moment, dass es nun vorbei war. Einfach vorbei. Das Wesen würde ihn verschlingen oder in die Tiefe ziehen, vor den Augen dieses arroganten schwarzgewandeten Kerles!
„Elosál”, wisperte er, während sich sein Griff um das Schwert unter dem Regen und nassen Staub löste. „Vergib mir. Vergib …”
Seine Füße sackten schlagartig ihres Haltes beraubt weg. Cýelú sackte ungebremst dem Abgrund entgegen …
… und fühlte einen schmerzhaften, aber rettenden Ruck. Etwas umschlang seinen Arm, wand sich um ihn, um seinen Oberkörper, seine Taille und Schenkel. Aber es hatte keine winzigen Beinchen, nicht wie das Wesen, das da unter ihm tobte und fauchte wie ein wilder Kettenhund.
Der Schattensänger stand nun stocksteif. Sein Gesicht war verzerrt, vor Anstrengung, vor Schmerz? Seine Hände beschworen etwas, das Silber seiner maghiscal zuckte um ihn herum, als sei er bedeckt von einem glühenden Netz. Cýelú konnte jeden Funken seiner Magie deutlich erkennen.
Mit den Beinen stemmte der Schattensänger sich schwer gegen den Boden, so als zerre er an einer hängenden Last. Zwischen seinen Füßen hatte sich etwas mit einem Ruck aus der Erde empor gestreckt, nasser Staub tropfte davon herab, und hielt den verblüfften Regenbogenritter sicher fest.
Eine Wurzel, dachte Cýelú verwundert. Der Kerl beschwört die vergrabenen Wurzeln!
„Bitte”, keuchte der Schattensänger nun hastig mit seiner Stimme, unterbrach kurz sein immer angespannter tönendes Lied. „Kommt endlich raus aus dem Loch da!”
Der Ritter besann sich nicht lange. Die Wurzel, die der andere mit Noktámas Kraft aus dem Boden hervorgezaubert hatte, war beinahe so gut wie ein Seil. Der Ritter packte sein Schwert und kletterte nach oben, so schnell es nur ging.
Erst als er sicher den Rand des Abhangs erreicht hatte, wagte er, sich zu dem erbosten Chaosgeist umzuwenden, und er traute seinen Augen kaum, als er sah, was der Schattensänger getan hatte. Die Wurzel, die ihn letztlich gerettet hatte, war nicht der einzige Überrest längst vergangener Pflanzen, die unter dem Sand von Soldesér geschlafen hatten. Von allen Seiten und zwischenzeitlich auch aus dem Wasser schlängelten, rankten und wanden sich Wurzeln hervor, manche klein und dünn, andere kurz und kräftig. Sie alle hatten sich in den Tentakeln des Monsters verstrickt. Das Wesen war hoffnungslos darin verheddert und versuchte, sich loszureißen. Es sah aus wie ein monströser schwarzer, glutäugiger Tannenzapfen, der in einen Korb loser Wolle gefallen war.
„Bei Pataghíu”, wisperte Cýelú, zugleich beeindruckt und von Grauen erfüllt. „Wie bringt Ihr das zuwege?”
„Ich …”, ächzte der Schwarzmantel, „habe Macht … über Pflanzen …”
„Hier sind keine Pflanzen mehr!”
„Das Netz … unser Wald …” Der Schattensänger zitterte am ganzen Leib. Die Anstrengung zwang ihn in die Knie. „Hängt … immer noch … zusammen …”
Der Regenbogenritter staunte noch einen Atemzug länger, als es statthaft war. Der Schattensänger keuchte. Seine Lippen zitterten, das Silberstrahlen in seinen Augen flackerte heftiger als das Wetterleuchten in den missgeformten Wolken. Was immer er da tat, er würde es nicht mehr lange aushalten.
„Könnt Ihr noch fliegen?”, fragte Cýelú knapp.
„Ich folge Euch”, wisperte der Schattensänger. Ein wenig silbernes Blut rann aus seinem Mundwinkel hervor, so sehr zerrrte der Bann an ihm, und wurde vom Regen hinfort gespült. „Nehmt Euer Ross! Fliegt voran!”
Cýelú steckte das Schwert ein. Perlenglanz war nicht weit, er hörte das Einhorn brüllen und schrillen. Der Hengst fürchtete sich. Konnte man es ihm verdenken?
Ohne ein weiteres Wort rannte Cýelú an dem camat’ay vorbei auf das Tier zu, löste den Bann und rief es zu sich. Perlenglanz jagte heran wie ein panischer Hund, der sich zu seinem Herrn flüchtete. Cýelú erhaschte die Zügel, hielt ihn fest und versuchte mühsam, sich auf seinen Rücken zu schwingen. Das Einhorn tänzelte, scheute vor dem, was in der Senke vor sich ging zurück und ließ sich nur mit Mühe erklimmen, wollte schon auffliegen, noch ehe der Ritter seinen Fuß im Steigbügel hatte. Der Regen peitschte von vorn heran und ließ ein Gestöber aus feinen harten Körnchen auf Ross und Reiter prasseln. Cýelú versuchte, sich zu orientieren. Dort hinten war der Chaosgeist, er brüllte und tobte gegen den immer zittriger werdenden Gesang des Schattensängers an. Der Cielástel musste dort hinten sein, genau dort, wo es in den Wolken besonders heftig blitzte und gleißte.
Bei den Mächten, was ging dort vor sich? Elosál … war Elosál in Gefahr? Aber warum? Was ging hier vor?
Das Monster brüllte auf, so laut und wütend, dass die Wüste darunter zu erzittern schien. Begleitet wurde das von einem Geräusch, das in etwa so klang, es zerrissen mächtige Schiffstaue unter einem ungeheuren Ruck.
Das war nun endgültig zu viel für Perlenglanz. Das Einhorn ging durch, in gestrecktem Galopp hetzte es über den nassen Sand davon, sodass Brocken davon spritzten. Cýelú klammerte sich erschrocken fest, um nicht zu Boden geschleudert zu werden. „Zurück!”, schrie er gegen den donnernden Hufschlag an. „Zurück, Perlenglanz! Ich will, dass du gehorchst!”
Aber Perlenglanz war überwältigt von der Angst, die das Monster ihm einjagte, das da gerade hinter ihm den Rand der Senke überwand und so bedrohlich schwarz und unförmig aufragte wie ein Riss in der Realität, so, als fehle dort, wo es stand, ein Stück von der Welt. Einige Tentakel krabbelten voran, andere peitschten durch die Luft und verteilten dabei stinkendes Blut und Reste toten Holzes um sich. Das Wesen war rasend, hatte sich wohl mit Gewalt aus der magischen Umklammerung gerissen, in der der Schattensänger es gehalten hatte, und dabei einige seiner Gliedmaßen gelassen. Und nun würde es wirklich wüten. Jetzt war es unzweifelhaft verärgert, und das, ohne Verstand zu besitzen.
Perlenglanz wieherte panisch wie ein Pferd und schlug mit den Flügeln, stieß sich vom Boden ab, hinein in den Regen und den Sturm. Das war eine gute Idee, denn wenn der schwarze Chaosgeist auch groß und stark war, nie im Leben wäre er in der Lage, ohne Flügel das Einhorn im Flug einzuholen.
Cýelú spürte sein Herz bis zum Hals pochen. Weg nur, schnell weg, hin zu Elosál, zu den Sieben, nach Hause … nach Hause … dorthin, wo Advon nie wieder sein würde. Advon, sein geliebter Sohn, den dieses … Monster bis auf sein kleines Kindermesserchen verschlungen hatte.
Nun … das Messer mochte es ausgespuckt haben. Wäre es nun nicht angemessen, der Kreatur zur Vergeltung das Schwert zu schmecken zu geben?
Cýelú probierte, Perlenglanz zu lenken, was bemerkenswerterweise nun, in der Luft, wieder halbwegs gelang. Der Hengst strampelte mit den Vorderläufen wie ein steigendes Pferd und riss seine gelben Schlangenaugen weit auf, aber er spürte nun wieder den Willen eines Reiters. Der Goldene raffte all seine Gedanken zusammen. Was konnte, was sollte er nun tun? Was war dringlicher? Die seinen im Cielástel zu alarmieren? Zu gestehen, dass er Advon nicht hatte retten können?
Oder zu versuchen, das Monster mit der Kraft seiner Wut zurück in den stinkenden Pfuhl zu treiben, nun, da er wieder aus der Luft heraus kämpfen konnte? Sicher, das war dumm, er würde nicht viel ausrichten können. Aber konnte er es ertragen, es nicht zumindest zu versuchen? War er das Advon nicht schuldig, der gutherzig und arglos in diese schreckliche Hinterlist geraten war?
Cýelú schnaubte ärgerlich. Was waren das für Gedanken? Hatte der Schattensänger ihm etwa nur aus der Bedrängnis gerettet, damit er es ihm dankte, indem er sich sogleich erneut und diesmal endgültig in Todesgefahr brachte, aus schierem Trotz, Rachedurst und verletzter Ehre?
Bei Pataghíu – der Schattensänger! Wo war der hin? Warum hörte er ihn nicht mehr singen? Der Chaosgeist hatte sich losgerissen. Wo blieb der Schwarzmantel? Warum flüchtete er nicht?
„Meister Yalomiro!”, brüllte der Regenbogenritter in den Sturm. „Zeigt Euch! Wo seid Ihr?”
Der Chaosgeist kam eilig heran geschaukelt. Erschreckend deutlich malte das Wesen sich vor den Wolken und dem Himmelsflimmern ab. Perlenglanz war in höchster Not.
„Meister Yalomiro! Falls Ihr noch lebendig seid, macht Euch bemerkbar!”
Aber da war nichts mehr, nicht der kleinste Rest von der silbernen maghiscal, kein Ton mehr von dem düsteren Lied.
Cýelú seufzte verärgert, verunsichert. War das nun der Moment, einen Totengruß zu sprechen und sich schnell davon zu machen? Oder sollte er nachschauen? Das wäre leichtsinnig. Perlenglanz war schließlich kaum noch zu halten.
Das Monster hielt inne. Seine Glotzaugen starrten in alle Richtungen zugleich. Es war unmöglich, dass es ihn in der Luft nicht bemerkte, denn das Flattern des Einhorns konnte ihm kaum entgehen. Offenbar war da etwas anderes, was den Chaosgeist ablenkte. Hätte er es nicht besser gewusst, hätten die Kreaturen von außerhalb des Weltenspiels Gedanken und Vernunft, dann hätte es fast so ausgesehen, als wundere es sich. Es stand still, seine Gliedmaßen wogten und tasteten.
Der Goldene zückte sein Schwert und befahl sich und Perlenglanz den Mächten.
„Ich will nachschauen”, ließ er das Tier wissen. „Ich will wissen, ob da noch etwas zu retten ist.”
Perlenglanz schnaubte aufgebracht. Aber dem Willen seines Herrn konnte er sich nicht widersetzen.
„Ich verstehe dich”, versicherte Cýelú grimmig. „Aber ich kann den Kerl nicht im Stich lassen. Ich will nicht noch mehr Schmutz auf dem Herzen haben, wegen dieser verfluchten alten Hexe!”
Perlenglanz fügte sich, wenn er auch am ganzen Körper zitterte und mit weit aufgeblähten Nüstern schnaubte. Cýelú trieb ihn mit dem Äußersten, was sein Willen hergab, direkt auf den Chaosgeist zu.
Erstaunlich nahe kam er heran, ohne dass die Kreatur auf ihn reagierte. Der Blick ihrer vielen Augen war starr auf den Boden gerichtet, und einer ihrer Tentakel krabbelte auf einen leblosen Körper zu, viel zu klein, als dass es der Schattensänger sein konnte, aber schwarz und umgeben von einer ganz, ganz zarten silbrigen Aura. Cýelú steuerte das Einhorn in einem hohen Bogen über das Wesen hinweg, außerhalb seiner Reichweite, und spähte hinab.
Das Ding, das den Chaosgeist beschäftigte, war ein großer, pechschwarzer Vogel, der mit ausgebreiteten Flügeln auf dem Boden lag wie ein dunkler Tintenfleck auf einem vergilbten Blatt Papier. Offenbar war es dem Schattensänger gerade eben noch gelungen, eine Gestalt anzunehmen, in der er im Flug hätte entkommen können. Ob das den Rest seiner Kraft erschöpft hatte oder ob das Monster ihn im selben Moment erwischt hatte, ließ sich nicht sagen. Aber solange da doch noch eine maghiscal zuckte, war wohl noch Leben in ihm.
Der vorwitzige Tentakel hatte den bewusstlosen Raben erreicht und krabbelte darüber hinweg wie ein spinnenflinker Tausendfüßler. Cýelú wendete Perlenglanz, jagte in weitem Bogen um den kegelförmigen Monsterkörper herum und erkannte entsetzt, dass der Chaosgeist den Tierkörper an einem schlappen Flügel in die Höhe hob und sich vor das vieläugige und -mäulige Gesicht hob.
Pataghíu behüte, dachte Cýelú und spürte, wie sich jedes Härchen auf seiner Haut aufstellte. Wenn das Vieh den Schwarzmantel frisst, dann muss ich dem kleinen Mädchen erklären, wo ich seinen Vater gelassen habe!
Ein zweiter Tentakel bewegte sich durch die Luft auf den Vogel zu, der schwach zu zappeln begann. Der Chaosgeist tastete damit nach ihm wie ein tatzelndes Kätzchen.
Und wenn es ihn in Stücke reißt, ergänzte der Goldene den Gedanken, dann war all das hier umsonst!
Laut schrie er: „He! Ungetüm!”
Das Wesen richtete seine Augen in Cýelús Richtung. Der zweite Tentakel verharrte in der Bewegung.
„In Pataghíus Namen! Verzieh dich! Troll dich zurück dahin, woher du gekommen bist!”
Ein dritter, dicker Tentakel, zuckte durch den Regen und Sandsturm wie eine Keule. Perlenglanz segelte geistesgegenwärtig darunter weg. Cýelú duckte sich und schwang seine Klinge.
„Und lass den Schwarzmantel hier!”
Ein dritter, ein vierter Arm zuckte auf Perlenglanz zu. Das Einhorn schnaubte und flatterte. Aber nun geschah etwas Bemerkenswertes: Nun, da er angegriffen wurde, erwachte in dem Hengst der Kampfeswille. Perlenglanz schüttelte seinen Kopf mit dem spitzen Horn und fauchte mit weit aufgerissenem Maul und gebleckten Reißzähnen. Er ging zum Angriff über, aussichtslos gegen das Monster, aber furchtlos wie ein Bock.
„Nein”, mahnte Cýelú. „Nicht so. Nicht jetzt. Aber schnell!”
Das Monster wischte nach dem Einhorn wie nach einer schwirrenden Fliege. Mehrere der erhobenen Tentakel kamen einander in die Quere, aber die, die freie Bahn hatten, waren gefährlich. Ihre Beinchen zuckten in der Luft, sie schnellten auf Cýelú zu wie die Lanze eines Gegners im Gestech. Der Goldene atmete tief ein. In der Luft war ihm der Kampf vertraut, immer war es so gewesen, und ganz ohne Magie.
Cýelú Irísolor stieß einen wilden Kampfschrei aus, spornte Perlenglanz an und segelte in gestrecktem Galopp zwischen den gelenklosen Gliedmaßen hindurch, seine unzerstörbare Klinge weit über dem Kopf schwingend.
Mit einer fließenden Bewegung haschte der Goldene nach dem Vogel und schlug zugleich den Fangarm durch, der ihn hielt. Unter dem wütenden Geschrei des Chaosgeistes jagte der Helle Magier durch Regen und Sturm dem Cielástel entgegen und schwenkte den reglosen Raben wie eine Trophäe in der Hand.
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