
Was Falgrèd konnte, hatte Yalomiro schon lange gelernt, und insgeheim war er auch davon überzeugt, dass es ihm besser glückte als dem Größeren. Und nun, da Eile und Achtsamkeit geboten war, fand Yalomiro endlich auch eine Gelegenheit, die Magie zu einem nützlichen Zweck anzuwenden, nicht nur zur Übung und vor den Meistern.
Wie ein flinker Schatten streifte ein kleiner Kater durch das Dickicht zu Seiten des Weges auf Idurs Weidelichtung. Kleine Nagetiere flohen vor ihm und Vögel flatterten erschrocken auf, als das Tier durch Gras und Sträucher glitt, aber der Kater war nicht auf der Jagd. Yalomiro vergaß einen Moment lang den Ernst seiner Mission. Er erfreute sich an den Fähigkeiten des geschmeidigen Körpers, in den er geschlüpft war und galoppierte voran. Zwar war es eine ernste Sache, die Gestalt eines Tieres anzunehmen und die Meister lehrten, dies nur zu tun wenn aus irgendeinem Grund die Tiergestalt Vorteile für ein Vorhaben brachte.
Die Meister verstanden wenig davon, wie viel Spaß Magie machen konnte, gerade, wenn sie so leicht fiel wie es bei Yalomiro der Fall war.
Bald, dachte Yalomiro bei sich, werde ich lernen, ein Pferd zu sein. Und dann renne ich bis zu den Bergen, zum Montazíel, bis ans Meer!
Er hatte erwartet, Idur und seine Helfer auf dem Weg zu überholen, aber offenbar hatten die Männer einen Umweg gemacht. Wahrscheinlich lagerte das Feuerholz, um das der Schäfer bitten wollte, abseits der ujoray-Siedlung und sie mussten es erst noch heranschaffen. Das war gut, denn so hatte Yalomiro genug Zeit, das Lamm zu holen und eine Ablenkung für die Menschen zu hinterlassen.
Die Schafe ruhten nun alle. In die Geräusche des abendlichen Waldes mischten sich die Laute ihrer mahlenden Kiefer und ab und zu das keuchende Geräusch, wenn eines von ihnen Gras hinauf würgte. Sie dachten immer noch ans Fressen, und sie fürchteten sich ein klein wenig vor der heraufziehenden Dunkelheit. Aber nur ein klein wenig. Die Hunde passten auf sie auf. Den Schäfer fanden sie immer noch lästig.
Idurs Hunde spitzten die Ohren und einer von ihnen sprang auf, als die Katze in gebührendem Abstand vorbei schlich. Der große Hütehund blaffte unfreundlich hinüber, war aber zu gut erzogen, um sich von der Herde abzuwenden, um seinen Jagdgelüsten nachzugehen.
Yalomiro ließ sich nicht beirren und tauchte zwischen die Bäume am Waldrand, schlich in weitem Bogen zu dem Verschlag hinüber, in dem das Lamm eingesperrt war. Wenn er den Hunden zu nahe kam, würden sie den Schwindel bemerken. Tiere konnten sehen. Kein Tier ließ sich durch Magie ernsthaft verwirren.
Das Lamm stand immer noch steif und jämmerlich mitten in seinem Gatter. Womöglich hatte es sich nicht bewegt, seit die Kinder fortgegangen waren. Yalomiro schlüpfte zurück in seinen Menschenkörper. Dabei entlud sich ein wenig Energie von seiner maghiscal, der magischen Energie um ihn herum. Das schien die Aufmerksamkeit des Lammes zu erregen. Es drehte so ruckartig den Kopf, dass Yalomiro zusammenzuckte.
Mit leeren Augen glotzte es den Jungen an.
„Keine Angst”, wisperte Yalomiro. „Wir überlassen dich nicht dem Unverstand der ujoray. Ich nehme dich mit mir!”
Das Lamm schwieg und stand wie eine kleine Statue aus verdreckter Wolle.
Die Bauern hatten das Gatter mit dicken Stricken gesichert. Yalomiro strich mit den Fingern darüber, summte und ließ den Hanf zu mürbem Bast werden.
Das Lamm blieb erstarrt. Der Junge zog das Gatter vorsichtig ein Stückchen weit auf.
„Du darfst mich nicht angreifen und niedertrampeln wie den Schäfer”, mahnte er. „Ich will dir nichts Böses!”
Er tat vorsichtig einen Schritt auf das Lamm zu. Augenblicklich senkte sich der kleine Schädel. Das Lämmchen schnaubte, so dass Rotz aus seinen Nüstern spritzte. Aber es blieb stehen.
Yalomiro zögerte. Wenn er etwas tat, das das Lamm provozierte, würde das zumindest die Aufmerksamkeit der Hunde wecken, und wenn diese anschlugen, wären in kurzer Zeit die ujoray hier. Aber er musste das Tier irgendwie dazu bringen, ihm zu vertrauen und sich forttragen zu lassen.
Schließlich fiel ihm das Stück Brot ein, das er bei den ujoray an sich genommen hatte.
„Komm, mein Kleiner”, lockte er und hielt dem Böckchen die Leckerei hin. „Das gehört dir, wenn du brav bist!”
Das Lamm starrte das Brot an, aber ganz offensichtlich nahm es es nicht wahr. Sein Blick blieb leer und blind. Yalomiro streckte vorsichtig die Hand aus und berührte mit den Fingerspitzen die schwarze Wolle.
Ein sonderbares Gefühl, eine Art Übelkeit überkam den Jungen wie ein Schaudern. Das, was er da unter den Fingern spürte, war seltsam weich – nicht weich und duftig wie Schafswolle, sondern nachgiebig und mürbe, wie ein Schwamm, wie ein Pilz. Es fühlte sich feucht an und so nahe, wie er dem Lamm nun war, nahm Yalomiro auch einen widerlichen Geruch wahr, der von dem Tier ausging.
Aber die Berührung stieß wohl etwas in dem Tier an. Es gab einen seufzenden Laut von sich und drängte sich gegen Yalomiros Hand. Unter der Wolle war sein Körper dürr und zerbrechlich, so als säße kaum Fleisch auf den Knochen. Obwohl es ihn ekelte, zog Yalomiro die Hand nicht weg, denn was er spürte, war so falsch wie es nur sein konnte. Denn der kleine Leib war kalt, eiskalt.
„Was bist du?”, flüsterte Yalomiro. Entsetzen ergriff ihn, aber seine Neugier war stärker. Nein, er war nicht so weit gegangen, nicht so ungehorsam gegen die Meister geworden, um nun zu fliehen. „Bei den Mächten, was ist dir zugestoßen, du armes Ding?”
Das Lamm seufzte abermals und zitterte. Mitleid ergriff Yalomiro. Es kostete ihn Überwindung, doch er griff mit der anderen Hand zu und streichelte das Böckchen über die Stirn.
„Vergib mir”, flüsterte er und fasste mit den Fingerspitzen tief in die so unappetitliche Wolle. Mit einem Ruck zupfte er ein Büschel Haare aus und stellte entsetzt fest, dass er da, wo er dem Böckchen nur ein Löckchen Fell hatte ausziehen wollen, einen großen Fetzen Vlies in der Hand hielt.
Mit einem Ausruf des Ekels schleuderte Yalomiro das Fell beiseite. Im hohen Bogen landete es am anderen Ende des Pferches. Das Lämmchen regte sich immer noch nicht, hatte nicht einmal gezuckt.
Aber einer der Hunde bellte halbherzig.
Yalomiro biss sich auf die Lippen. Nein, er durfte sich jetzt nicht im letzten Augenblick verraten.
„Sie dürfen nicht wissen, dass du weg bist”, wisperte er dem Schäfchen zu. „Schau zu, was ich tue!”
Er deutete auf das Fellbüschel und begann zu singen, ganz leise, und beschwor das Trugbild eines verfilzten, räudigen Bocklammes darüber. Ungeschlacht und reglos stand die Erscheinung ihnen gegenüber, sicherlich kein Meisterstück, aber bei der Dunkelheit und für die Augen verängstigter ujoray mochte es genügen.
Nun hatte auch der zweite Hund begonnen, zu bellen. Natürlich hatten sie gespürt, dass es dort hinten beim Gatter nicht mit rechten Dingen zuging. Und da waren neue Geräusche, Männerschritte und das Knirschen von Karrenrädern auf dem Weg. Idur, Brosco und die anderen zogen Brennholz auf einem Handwagen herbei.
Yalomiro schnippte mit den Fingern und sein Phantomschaf begann, sich zu regen. Er ließ es im Kreis herumlaufen. Mehr Mühe konnte er sich nun nicht geben.
„Und nun lass uns verschwinden”, wisperte er dem Lamm ins Ohr. Obgleich es ihn Überwindung kostete, packte er das Tier mit beiden Armen und hob es auf.
Das Lamm ließ es sich, zu Yalomiros größter Verwunderung, anstandslos gefallen. Der Junge trug das Tier eilig aus dem Pferch fort und schob das Gattertor wieder zu. Dass die Stricke fort waren, würde den ujoray hoffentlich erst zu spät auffallen.
„Still!”, rief Idur den kläffenden Hunden zu. „Still, ihr dummen Tölen! Wollt wohl euren eigenen Herrn verbellen!”
Yalomiro verbarg sich mit dem Lamm unter einem Busch in Hörweite. Weglaufen wäre zu riskant gewesen, sicherlich hätten die Männer ihn bemerkt. Er hoffte nur, dass das Lamm ihn nun nicht verraten würde. Aber das, war er da in den Armen hielt, war still und schlaff wie eine stinkende Fellpuppe.
„Ist es noch da?”, fragte Brosco.
„Da stakst es hin und her. Hat wohl gemerkt, dass mit uns nicht zu spaßen ist!”
„Dann mal los!” Das war Idur. „Stapeln wir das Holz um den Pferch herum auf. Und dann räuchern wir das Mistvieh aus.”
Die Männer gingen ans Werk und luden ihr Brennholz ab, ohne den Schwindel im Pferch zu durchschauen. Yalomiro wartete noch einen Moment, bis er sich sicher war, dass sie nicht abgelenkt würden. Dann drückte er das Lamm an sich und zog sich wieder in den Schutz des Waldes zurück.
Das Lamm in seinen Armen wurde ihm immer schwerer. Wenn auch das, was unter der klammen, wattig-feuchten und stinkenden Wolle sein mochte, knochig und abgemagert war, so war das Lamm doch so steif und sperrig, dass Yalomiro seine Mühe hatte, es zu tragen. Er hatte zunächst erwartet, dass es sich gegen ihn wehren, zappeln und versuchen würde, ihm zu entkommen. Aber das tat es nicht. Es lag, reglos und starr in seinem Griff und war dabei so unhandlich, dass Yalomiro sich Gedanken darüber zu machen begann, ob er das Tier hier irgendwo verbergen sollte. Zuerst hatte er vorgehabt, es möglichst bis an den Rand des Boscargén zu bringen und dort in einem Gespinst aus Ranken und Blättern zu verbergen, bis ein Meister es gesehen hatte.
Die unkundigen Männer, die auf der Lichtung einen Scheiterhaufen für das Lamm errichteten, waren kaum noch zu hören. Offenbar hatte die Illusion ausgereicht, um sie abzulenken. Sie würden nicht hinterfragen, was sie sahen, selbst wenn ihr Feuer am Ende nichts zurücklassen würde, was auf die Anwesenheit des Lammes hingedeutet hätte. Das Tier ließ den Kopf hängen und stöhnte gelegentlich, ganz leise. Es war der einzige Hinweis darauf, dass es atmete; anderenfalls hätte Yalomiro sich bald eingebildet, einen halb verwesten Tierkadaver mit sich zu schleppen.
Er pirschte durch die im Mondlicht still daliegenden Obstgärten. Aranzienbäume aller Art bauten die ujoray hier an, dazwischen Äpfel und Steinobst. Einige der Bäume standen in ihrer Blüte; weiß und schön schimmerten ihre geschmückten Kronen vor dem nachtblauen Himmel, und sie hätten sicherlich auch herrlich für ihn geduftet, wäre da nicht der ekelhafte Geruch des Lammes gewesen.
Yalomiro fand einen Zaun, schlüpfte darunter hindurch und befand sich nun wieder auf der Straße, die in Richtung des Boscargén führte. Die Siedlung selbst hatte er in einem großen Bogen umschlichen und hinter sich gelassen.
„Ich bringe dich zu meinesgleichen”, wisperte er dem Tier ins Ohr. „Mein Meister wird dich heilen können, was immer du an Krankheit oder Bann in dir trägst. Vielleicht darfs du Arámaús Haustier werden.”
Nun strampelte das Lamm, eigentlich war es mehr ein kraftloses Zucken. Yalomiro packte zu und legte sich das Lamm dann nach kurzem Zögern über die Schultern, so dass er seine Beinchen packen konnte. Die unförmigen Klauen waren rau und schnitten in seine Finger, als er danach griff.
Dann marschierte der Junge voran, so schnell er nur konnte, immer der Straße nach, dem Meister entgegen, den Falgrèd hoffentlich her führte.
Für einen Moment machte er sich Sorgen um Arámaú. Doch so sehr er darüber nachdachte, es war die klügste Lösung gewesen, das kleine Mädchen bei den Unkundigen zu lassen, um sie abzulenken. Die Unkundigen waren vielleicht nicht gut auf die erwachsenen Magier zu sprechen, aber vor einem niedlichen Kind wie Arámaú hatte niemand Angst.
***
Die Unkundigen hatten sich nach und nach in ihre Häuser zurück gezogen. Die Frau, die Arámaú das Brot geschenkt hatte, hatte einen Moment lang überlegt, ob sie das Kind mit sich nehmen sollte. Aber Arámaú hatte mit einer solch unerschütterlichen Ruhe da gesessen und sich nicht im Geringsten über die einbrechende Dunkelheit bekümmert, dass die Frau es schließlich nicht gewagt hatte, das Kind anzusprechen. Einer nach dem anderen waren die ujoray in ihre Häuser gegangen, und solange noch jemand auf dem Platz anwesend war, fühlte sich niemand dafür zuständig, sich um die drei Schattensängerkinder zu kümmern. Es war den Unkundigen nicht recht, dass die Magier ihre Kinder zu ihnen geschickt hatten, aber sie alle glaubten, dass die drei schwarzgewandeten Kinder nicht zu der Sorte gehörten, die nachts um die Häuser schlich und wüste Streiche ausheckte.
Außerdem war der báchorkor noch wach. Er hatte sich einen schäbigen Mantel aus abgegriffenem roten Samt um die Schultern gezogen und saß immer noch auf der Treppe, ein paar Schritte von Arámaú entfernt, die ganz allein mit untergeschlagenen Beinen auf dem gepflasterten Hof hockte und geduldig ausharrte.
„Wartest du auf deine Brüder?”, fragte er schließlich freundlich.
Arámaú zuckte zusammen. „Das sind nicht meine Brüder”, sagte sie dann. „Und… und die sind ganz in der Nähe.”
„Natürlich.” Der báchorkor trank einen Schluck aus seinem Krug.
Arámaú konzentrierte sich hastig und versuchte, die Täuschung zu verstärken.
„Ich bin sicher, die beiden sind gleich wieder hier. Aber willst du nicht schon schlafen gehen?”
„Nein. Wir schlafen nicht um diese Zeit. Ich meine… also, ich bin gar nicht müde, und…”
„Du musst nicht schlafen.” Er stellte den Krug hin und lächelte. „Du bist eine camatay’ra, nicht wahr?”
Arámaú nickte misstrauisch. Es kam ihr seltsam vor, dass der junge Mann so respektvoll sprach.
Der báchorkor stützte die Unterarme auf seine Knie und neigte sich neugierig vor. „Und was machst du hier bei den Unkundigen im Dorf?”
„Ich… „ Arámaú war so verwirrt, dass sie keine tarnenden Worte fand. „Also, ich warte, bis Falgrèd und Yalomiro wieder da sind.”
„Und was habt ihr vor, dass du hier auf sie wartest?”
Arámaú runzelte die Stirn. Er lachte.
„Du musst keine Angst haben, Kleines. Ich gehöre nicht zu diesen ujoray hier. Ich bin nur auf der Suche nach… Geschichten. Was immer ihr hier vorgehabt habt, es bleibt unter uns.”
Das kleine Mädchen seufzte schwer. Irgendetwas war sonderbar an den Worten des báchorkor, aber sie kam nicht dahinter, was es war.
„Wir wollten nachschauen, was mit dem Schaf ist. Ob die Meister sich darum kümmern müssen”, sagte sie schließlich, wie gegen ihren Willen und doch in dem Bewusstsein, dass der báchorkor es wahrscheinlich doch erraten hätte, wenn er nur lange genug nachgefragt hätte.
Der báchorkor setzte sich aufrecht hin. Ein Schatten von Aufmerksamkeit glitt über seinen sanften Blick. „Das Schaf, so… das Schaf, von dem auch ich hörte?”
„Was… was hast du denn gehört?”
„Es kam aus dem Nirgendwo, griff Menschen und Tiere an und niemand weiß, was davon zu halten ist?”
Arámaú blinzelte überrascht, und er erklärte: „Ich kam heute früh ostwärts auf dieses Dorf hier zu, und ich hörte, wie die Bauern auf den Getreidefeldern davon redeten. So etwas spricht sich schneller herum als ein Vogel fliegt.”
„Jedenfalls wollen die bösen Leute es tot machen”, vertraute Arámaú ihm aufgebracht an. „Ist das nicht gemein?”
„Nun, es scheint, dass es sich um ein gefährliches Ungeheuer handelt. Wie in meiner Geschichte vom Drachen, nur etwas kleiner und im Fell.”
„Aber sie dürfen das Tier nicht töten. Es ist vielleicht krank, oder böse verzaubert…”
„Böse verzaubert? Wer sollte denn ein kleines Schaf in ein Ungeheuer verhexen.”
„Die goala’ay“, sagte Arámaú ohne zu zögern.
Der báchorkor schien zutiefst erheitert über die Empörung in ihrer kleinen Stimme. „Wie kommst du denn auf einen solchen Gedanken?”
„Na, weil es keiner von uns war, ganz sicher nicht! Und weil die goala’ay böse sind! Weil sie immerzu schlimme Sachen tun und kleine Kinder, besonders Schattensängerkinder fressen und ihnen die Herzen ausreißen.” Sie wunderte sich über den amüsierten Blick, den der báchorkor ihr zuwarf und setzte, etwas leiser hinzu: „Falgrèd sagt das.”
„Welcher deiner Brüder ist Falgrèd? Der ältere oder der jüngere?”
„Der große Junge. Yalomiro hat keine Angst vor goala’ay. Und auch nicht vor ihrer Magie. Und nicht vor dem Lamm…”
„Was ist mit dem Lamm?”
Arámaú ließ die Schultern hängen. Der báchorkor schaute ihr in die Augen, und ein seltsames Gefühl überkam das Mädchen. Es war ihr unter diesem Blick weder möglich zu schweigen, noch zu lügen.
„Er rettet das Lamm”, sagte sie kleinlaut.
Der báchorkor starrte ins Dunkel, in die Richtung, in der es zur Schafsweide ging. Ein Flackern lag über den Dächern, ferner Flammenschein, der die Nacht erhellte. Aufgeregt bellten die Hunde.
Dann erhob er sich und hob dabei seinen Krug auf.
„Willst du etwas zu trinken haben?”, fragte er das kleine Mädchen. „Bist du durstig?”
Arámaú zögerte. „Was ist denn da drin?”, fragte sie mit zaghafter Neugier.”
„Honigwasser”, behauptete der báchorkor. „Es ist… süß.”
Aràmaùs Wissensdurst siegte. „Das will ich gern probieren.”
Er lächelte und reichte ihr den Krug, der noch zu etwa einem Drittel gefüllt war. Tatsächlich spürte Arámaú ein lieblichsüßes Getränk auf den Lippen und trank in großen Zügen. Einen Augenblick lang genoss sie den schönen Geschmack und fand, dass das etwas Köstliches war, das die ujoray da zu sich nahmen. Das sagte sie auch den kleinen Häschen, Eichhörnchen und Tieren des Waldes auf der Blumenwiese, ließ sich ins Gras fallen und lauschte entzückt dem Lied der Vögel in den wispernden Wipfeln, die sich über ihr ausbreiteten und sie beschützten.
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