Advon war glücklich und ein wenig müde. Der Ausflug nach Aurópéa, so sonderbar die Erlebnisse im Anschluss an den Kucheneinkauf gewesen waren, hatte ihm gut gefallen. So viel Zeit hatte er schon seit langem nicht mehr mit Farbenspiel verbringen können.

Sicher, noch viel schöner wäre es gewesen, wären sie übermütig durch die Wüste gestoben und vielleicht sogar ein Stück geflogen. Nicht allzu hoch natürlich, aber doch so, dass das Einhorn den Erdboden hätte überwinden und sich auf seinen Flügeln forttragen lassen können.

Aber der Junge war nicht undankbar. Er wusste, wenn er sich mit kleinen Dingen zufrieden gab und niemandem einen Anlass zum Tadel bot, dann winkten nächstgrößere als Lohn. Dass er sich das nicht mit unbedachtem Übermut zunichtemachen durfte, hatte ihn der letzte unerlaubte Ausflug in der Wüste gelehrt.

Im Stall hatte der alte unkundige Stallknecht ihm erlaubt, Farbenspiels Brust und Bauch mit einer weichen Bürste zu reinigen, bevor er für den Abend in seinen sauber eingestreuten Verschlag zurückkehrte. An den Rücken reichte Advon ohne Steighilfe nicht heran. Farbenspiel ließ es sich gefallen, wandte den Kopf und schnappte verspielt nach Advons langen blonden Haaren. Sein Horn stach um den Jungen herum, ohne ihn zu berühren, so achtsam bewegte das Einhorn sich.

„Hast viel Talent mit den Tieren”, lobte der unkundige Mann.

„Wenn ich groß bin, kann ich dir hier vielleicht helfen.”

„Wirst keine Zeit dafür haben. Große Dinge warten auf dich.”

Advon schüttelte den Kopf. „Nein. Ich werde kein Regenbogenritter sein. Aber ich will auch nicht weg von hier. Ich bleibe bei den Tieren.”

Der Stallknecht blickte auf. Jemand näherte sich schlurfenden Schrittes über den Mittelgang. Farbenspiel hob den Kopf und legte die Ohren gerade so weit an, dass es nicht allzu offensichtlich nach Feindseligkeit aussah.

„Hier bist du!”, sagte Siledaú. „Was lässt du den Jungen so nah an dem Tier fuhrwerken?”

„Ist sein Tier”, sagte der Stallmeister, aber er trat einen Schritt zurück. „Der Meister sagt …”

„Der Meister wird sich noch wundern, wenn der Junge diesem Biest einmal unter die Hufe gerät!”

„Klauen”, sagte Advon leise.

„Wie bitte?”

„Klauen, Siledaú. Einhörner haben Klauen, keine Hufe.” Er neigte sich hinab und griff nach Farbenspiels Hinterbein, hob es an, als wolle er den Fuß reinigen. Das Einhorn ließ es brav geschehen. „Schau. Wie bei einer Ziege. Damit kann er viel sicherer klettern als ein Pferd, und …”

„Und auskeilen kann er damit auch, Dummkopf!” Sie griff unwillig nach Advons Schulter und zog ihn weg. „Du wirst dich noch einmal hinter die Träume befördern mit deinem Unverstand. Komm mit!”

Sie packte ihn bei der Hand und zog ihn mit sich. Advon warf dem Stallmeister und seinem Reittier einen bedauernden stummen Abschiedsblick zu.

„Wo bist du gewesen?”, fragte Siledaú verärgert, nahm ihm die Striegelbürste fort und warf sie beiseite.

„Ich war mit dem Gelben vor der Stadt”, antwortete Advon. „Du warst ja nicht da. Und da hat Mama erlaubt, dass wir ausreiten.”

„Morgen um die Mittagszeit ist dein Vater wieder da. Dann kehrt hier endlich wieder Ordnung ein.”

„Ordnung? Ich war doch da! Du bist nicht gekommen.”

„Ich kann nicht all meine Zeit nach dir ausrichten, Advon Irísolor.”

„Meinetwegen musst du das auch nicht.” Sie führte ihn viel energischer, als es notwendig gewesen wäre, zurück in den Cielástel. „Ich werde sowieso später Gehilfe vom Stallmeister und wenn der mal zu alt ist, dann …”

„Hör auf mit diesen Träumereien! Hast du denn gar nichts anderes im Kopf als dieses abscheuliche widernatürliche Viehzeug?”

Advon seufzte und schaute trotzig auf die kristallenen Treppenstufen hinab. Wo im Stein Bruchkanten zu sehen waren, schimmerte es in allen Farben, wie Tautropfen in der Morgensonne.

„Hast du wenigstens etwas gelernt, auf diesem Ausflug?”

„Ja, ich denke schon. Unkundige sind ganz seltsam mit Geld. Für eine kleine Goldmünze geben sie einem Unmengen von Kuchen. – Keine Sorge, ich hab selbst nur ein ganz kleines Stück gegessen.”

„Maßvoll zu sein ist …”

„Eine Tugend, ich weiß. Von viel Kuchen bekommt man Bauchschmerzen und wird unaufmerksam und träge.”

„So ist es.”

„Und ich glaube, ich habe einen der sinoray von Aurópéa gesehen. Ein vornehmer Herr. Der war bestimmt so alt wie du.”

„So?” Ein unwilliger Schatten legte sich auf ihr Gesicht. Advon erinnerte sich, dass seine Mutter ihm einmal halb im Scherz den Rat gegeben hatte, niemals eine Dame auf ihr Alter anzusprechen. Der Junge überlegte ernsthaft, ob das auch für Greisinnen galt.

„Ich hab gehört, dass Leute von ihm gesprochen haben. Offenbar ist er sehr reich und mächtig. Die Unkundigen haben Angst vor ihm.”

„Angst hat nur, wer etwas zu verbergen hat. Und das, Advon Irísolor, sind in Aurópéa allzu viele. Diese Stadt ist ein Hort der Gesetzlosigkeit. Genau aus diesem Grund hast du nichts dort zu suchen. Und ich werde mit deiner Mutter darüber reden.”

„Aber ist kann doch nicht mein Leben lang nur im Cielástel und in den Gärten sein.

In die Wüste soll ich nicht! In die Stadt soll ich nicht. Wo ist denn überhaupt Platz für mich?”

„Das wird sich finden!” Sie hielt ihn nun nicht mehr fest, aber er hatte keine andere Wahl, als ihr zu folgen.

„Was erzählt man sich denn über den sinor Úldaise?”

„Ich glaube, die fürchten ihn. Andererseits sind sie wohl froh, dass er Verbrechen bestraft.”

„Dann ist es wohl doch so, dass in Aurópéa andere Sitten aufziehen.” Siledaú lächelte mit einer Zufriedenheit, die Advons Ansicht nach nicht zu Situation passte.

„Siledaú?”

Er blickte auf. In dem Stiegenhaus, das sich im Inneren des Turmes hinauf wand wie der Kegel einer Meerschnecke, war etwa zwei Etagen über ihnen Elosál erschienen und schaute über das filigrane Geländer zu ihnen hinunter.

„Wie gut, dass du wieder zugegen bist”, sagte die fajía, wenn auch mit einer Spur von Vorwurf in ihrer freundlichen Stimme, die Advon nicht entging. „Kommst du bitte hinauf in meine Gemächer?”

„Jetzt gleich?”, rief Siledaú zurück, der wiederum anzuhören war, dass ihr das nun gar nicht passte. „Ich bin staubig und erschöpft.”

„Ich habe Erfrischungen hier, und über den Staub lass uns nicht reden.”

Advon grinste verstohlen. Siledaú ballte ihre dürren Finger zu Fäusten und schien unschlüssig. Dann gab sie sich einen Ruck und stieg energisch weiter hinauf.

„Und du, Advon”, fügte Elosál zu, so als habe sie seine Anwesenheit gerade erst bemerkt, „ich komme später zu dir. Dann kannst du mir von deinem Ausritt erzählen.”

„Ja, Mama. Ich freu mich!”, rief er. Die fajía nickte. Was sie eigentlich gemeint hatte, musste sie nicht aussprechen. Ihn wollte sie nicht in der Nähe haben, während sie mit Siledaú redete.

Advon gab sich den Anschein, als wolle er wieder nach unten gehen, um die unverhoffte Verlängerung seiner Freiheit auszukosten. Elosál verschwand vom Geländer und die alte Frau ächzte weiter nach oben.

Seine Mutter hatte ihm nicht ausdrücklich gesagt, wohin er gehen solle. Ebenso wenig hatte sie ausgesprochen, dass er nicht mithören sollte. Einer konkreten Anweisung wäre er gehorsam gefolgt, wie ein artiges Kind. Aber nun … nun, alles war Sache der Auslegung. So hatte seine Neugier mehr Gewicht als das brav sein. Und die privaten Räume der fajía ließen sich auch auf einem anderen Weg erreichen.

***

Jándris Altabete studierte den Schmierzettel gewiss zum zehnten Mal. Láas Grootplen saß neben ihm auf dem Mäuerchen, das ein Kräuterbeet am Eingang zum Garten einfasste und schaute zerstreut einer Ameisenparade zu, die sich über die trockene Erde kämpfte. Wenn es nicht bald etwas regnete, würden die Jungen dem Gärtner beim Wasser tragen helfen müssen. Beide, Herr Andríer und Herr Daap vertraten die Meinung, dass es einem yarl nicht schaden konnte, sich aus praktischer Anschauung ein Bild von der harten Arbeit zu machen, die die Schutzbefohlenen leisteten. Demut vor dem Werk anderer hielten die Ritter für eine Tugend, um Überheblichkeit entgegenzuwirken.

Tíjnje hatte die Fugen zwischen den Gartenwegen nach den hübschen rosa Blüten des Filzkrauts durchsucht und war mit beeindruckender Fertigkeit ihrer Kinderfinger damit beschäftigt, einen Kranz als Haarschmuck daraus zu fertigen. Der mestar hatte, nachdem die opayra mit kaum verhohlener Empörung zurückgekehrt war, die Kinder für den Tag entlassen, nicht ohne sich wortreich darüber zu beklagen, wie schwer es die Launen der teirandanja der Bildung und Wissenschaft machten.

Hier, im Freien und unbeobachtet, hatten die Jungen endlich die Gelegenheit, die Nachricht ihrer jungen Herrin zu lesen.

„Nicht, dass es mich nicht in den Fingern jucken würde, das zu machen,” sagte Láas, als Jándris den Zettel endlich sinken ließ. „Ich frage mich nur, warum.”

„Weil sie ihn nicht ausstehen kann.”

„Was schreibt sie denn?”, fragte Tíjnje.

„Da! Lies es selbst!”

„Ich kann doch noch nicht lesen!”

„Dann ist es wohl nicht für dich bestimmt.”

„Ihr seid dumm”, zürnte die yarlaranda.

Láas wuschelte ihr über die dunklen Locken und zwinkerte seinem Freund bedeutungsvoll zu. Jándris nickte. So gern sie beide das kleine Mädchen hatten, das Risiko, dass ihr unbedacht im falschen Moment ein verräterisches Wort herausrutschen konnte, war einfach zu hoch.

Also schwiegen sie. Tíjnje blieb einen Moment neben ihnen stehen und wartete. Dann wurde es ihr zu langweilig, und sie ging auf die Suche nach weiteren Blümchen. Allzu weit entfernte sie sich nicht.

„Machen wir es?”, fragte Láas beiläufig.

„Es ist ein Befehl unserer Herrin.”

„Was würde denn dein alter Herr dazu sagen?”

„Ich wette, der würde sich mit deinem und Tíjnjes Vater beraten.”

„Deshalb frag ich dich ja.”

„So kommen wir nicht weiter.”

„Wir können es tun”, seufzte Láas. „Dann sind wir ihr gehorsam und bekommen möglicherweise wirklich großen Ärger. Wir können es lassen. Das wäre Ungehorsam, und wir fallen bei ihr in Ungnade.”

„Wir könnten einen Erwachsenen um Rat fragen. Am besten gleich den teirand.”

„Das wäre Verrat.”

„Und wenn wir sie fragen, ob sie das wirklich ernst meint?”

„Fein. Maßen wir uns also an, ihren Willen zu hinterfragen. Bist du ihr mynstir oder ich?”

Jándris faltete den Zettel sorgsam zusammen. „Vielleicht wird der Sohn von Herrn Alsgör das später einmal sein. Irgendeinen Nutzen muss der Kerl ja einmal haben.”

„Meinst du?”

„Na ja, Manjév hat uns verboten, ihn zu ärgern. Als ob wir so etwas tun würden!”

„Ausgeschlossen.”

„Und er vielleicht hat er ja mehr im Kopf als wir beide zusammen.”

„Wir können aber schlecht ihn um Rat fragen.”

„Und wenn wir den Frechdachs aus Althopian einfach nicht finden? Die Erwachsen suchen ihn doch offenbar immer noch.”

Von ihrem Sitzplatz aus hatten sie durch einen Torbogen Blick auf den Wehrgang und auf den kleinen Innenhof. Oben bei den Zinnen gingen soeben Waýreth Althopian und Alsgör Emberbey vorbei. Sie redeten leise aufeinander ein und schienen nicht so aufmerksam bei der Suche wie Daap Grootplen, der mit seiner Tochter gerade auf dem Hof passierte. Die beiden sahen ratlos aus.

Aus dem Garten näherte sich Andríer Altabete. Jándris steckte den Zettel schnell hinter seinem Rücken weg.

„Ihr könntet uns eigentlich suchen helfen”, rügte er die Jungen.

„Habt ihr ihn immer noch nicht gefunden, Vater?”

Der yarl blieb neben den Jungen stehen. „Wir stehen vor einem Rätsel. Es ist ausgeschlossen, dass er die Burg durch eines der Tore verlassen hat. Die Wachen sind bereit, bei den Mächten zu schwören, dass er nicht an ihnen vorbei ist. Es ist, als sei er in Luft aufgelöst.”

„Vielleicht hat der Magier ihn weggezaubert”, scherzte Láas.

„Welcher Magier?”

Jándris errötete ertappt. „Habt ihr das etwa nicht gewusst?”

„Es ist ein Schattensänger in der Burg”, erklärte Láas. „Die teirandanja hat ihn gesehen.”

„Er kann Spielzeug aus Licht machen”, krähte Tíjnje, die einige Schritte entfernt saß, ihre kleinen Ohren aber ganz offensichtlich gespitzt hatte.

„Mit war nicht bekannt, dass der Meister eingetroffen war.” Yarl Altabete runzelte die Stirn. „Wir hatten ihn zusammen mit Herrn Jóndere erwartet, und lange nicht so früh.”

„Und nun, Vater?”

„Die teiranday werden ihren Grund gehabt haben, uns nicht einzuweihen. Sicher werden sie es zu gegebener Zeit tun. Aber ich denke nicht, dass der Schattensänger ein Interesse daran hat, den Jungen wegzuzaubern. Das wäre grotesk.”

Er wandte sich dem Gärtner zu, der soeben mit einem Stapel Pflanztöpfe passieren wollte und angesichts des yarl und der Kinder seinen Schritt verlangsamt hatte. „Und? Ist dir der Junge begegnet?”

„Sucht Ihr immer noch, Herr? Hat der andere Junge ihn noch nicht seinem Vater gebracht?”

„Welcher andere Junge?”

„Der dünne mit der Brille. Der Sohn von Herrn Alsgör, soweit ich es weiß?”

Der Ritter seufzte. „So. Da stecken die beiden beieinander. Jungs … ihr wisst, was zu tun ist. Kommt mit!”

Er stapfte energisch durch die Pforte auf den Hof hinaus. Láas und Jándris erhoben sich seufzend und folgten ihm. Der Gärtner schaute ihnen nach, zuckte die Achseln und ging dann weiter seiner Wege.

Tíjnje erhob sich und lief hinüber zum Kräuterbeet. Dort gab es etwas zu pflücken. Deutlich sichtbar zwischen den grünen Blättern klemmte das Papier zwischen den Zweiglein. Der Wind ruckelte daran.

Das kleine Mädchen nahm es an sich, bevor er fortwehen konnte.

***

Galéon hatte die Skelette der beiden alten Menschen sorgfältig zusammengesammelt und im Kies beim Bachbett verscharrt, gerade so, dass das Licht vom Höhleneingang die Stelle noch erfasste. Weiterhin hatte er nichts vorgefunden, was auf Kleidung oder sonstige Besitztümer hingedeutet hätte. Das hatte ihn zwar Zeit gekostet, war aber nicht nur eine Geste des Respekts vor den Toten gewesen. Vielmehr hatte Galéon sich ausgerechnet, dass er beim Versuch, mit bloßen Händen und ohne jede Sicherung zu der Öffnung hochzuklettern, sicherlich mehr als einmal wieder abstürzen würde. Dabei unglücklich auf splitternden Knochen zu landen, wollte er vermeiden. Die Schicht aus altem Laub war ohnehin nur ein notdürftiges Polster.

Den Silberfaden und das sonderbare Schmuckstück hatte er in seiner Kleidung verborgen. Ersterer war in seiner jetzigen Form zu gar nichts mehr zu nutzen, aber vielleicht würde er ihn in Aurópéa oder anderswo für ein paar Münzen an einen Goldschmied veräußern können.

Viel interessanter war das silberne Kleinod. Das wollte er den Regenbogenrittern zeigen. Vielleicht hatten die arcaval’ay eine Idee, was es war und wie es in die geheimnisvolle Höhle gelangt war. Aber das war nichts, was im Augenblick von Vorrang war.

Galéon wusch sich die Hände im Bach, trank noch einen Schluck, um seine immer noch abwechselnd taube und schmerzhaft pochende Zunge zu kühlen und warf dann noch einen Blick auf das verrostete Abflussgitter. Wohin mochte das Wasser fließen? Einen kurzen Moment überlegte er, ob es einen Versuch wert wäre, statt den Fels zu überwinden dem Wasser weiter in die Tiere zu folgen, aber er verwarf die Idee wieder. Diese Öffnung war aus massivem Fels und zu schmal als dass etwas, das größer war als eine Katze sich hätte hindurchzwängen können.

Also das kraftraubende Klettern. Der junge Mann seufzte. Er musste sich sputen, hier heraus zu kommen, denn sobald es Nacht war, hätte er kein Licht mehr.

Wenn er doch nur ein winziges bisschen Magie mehr wirken könnte. Der Zauber, mit dem er das Gold hatte verbiegen können, war nützlich gewesen, einfach, fast unsichtbar, und doch so nützlich, dass es ihn ein weites Stück vorangebracht hatte. Wie hilfreich es sein mochte, solche Kräfte ständig zur Verfügung zu haben.

Galéon war immer ein genügsamer Mann gewesen, der sich mit dem zufrieden gab, was er brauchte, ohne mehr zu verlangen. Ob er die bescheidene Macht über Gold im Brunnen gänzlich verbraucht hatte? Er schalt sich für diesen sinnlosen Gedanken. Selbst wenn der Zauber noch funktionierte, wie sollte er ihm hier zu Nutzen sein. Es gab hier kein Gold, das ihm irgendwie nützlich …

Hier ist alles voller Gold, durchzuckte es ihn. Denk doch nach!

Galéon legte die Hand auf den Stein. Eine Felswand, die nach Süden zeigte. In Richtung der Wüste. In der Wüste waren die Minen, in denen Unkundige nach Gold schürften. Nach gediegenem Gold natürlich, alles andere würde den Aufwand und die Strapazen der Arbeit unter Tage nicht rechtfertigen. Aber in den Minen gab es genug Gold, um mehrere Aurópéas zu errichten. Und im Sand, der nichts anderes war als Fels, den die Zeit und das Wetter zu winzigen Körnern geschliffen hatte … Fels, der hier am Rand von Soldesér noch hart und mächtig war.

Er tastete. Der Stein unter seinen Fingern war rau.

Zeig deine Schätze, dachte der báchorkor.

Er wartete einen Moment. Unter seinen Fingerspitzen geschah etwas. Der Stein tat etwas, bewegte sich, nicht als rücke er von seinem Platz; vielmehr, als geriete er in irgendeiner Weise in seinem Inneren in einen Wirbel. Galéon ließ das einen Moment wirken, bevor es ihm unheimlich wurde und den Felswand wieder losließ.

Dort, wo seine Fingerspitzen geruht hatten, war versprengtes Gold an die Oberfläche gewandert und glänzte deutlich sichtbar auf der grauen Oberfläche.

Galéon entfuhr ein überraschter, erfreuter Laut, aber es kam ihm kaum etwas an seiner misshandelten Zunge vorbei. Aber das war unwichtig. Noch hatte er seine kleine Zauberkraft also nicht verloren. Er konnte Gold beschwören. Das genügte, um Stein zu markieren. Goldene Fingerspuren würden ihm den Weg den Fels hinauf weisen.

Wenn er sich beeilte, wäre er bei Anbruch der Dunkelheit im Freien.