
Dýamirée hielt den Atem an, als sie sich dem fremden Tier näherte. Sie hatte nie zuvor etwas so sonderbares und zugleich so wunderbar Gefährliches, Schönes gesehen.
Es ähnelte ein wenig dem Pferd des freundlichen Ritters, in dessen Sattel sie vor wenigen Tagen am See entlang geritten war und vergebens nach dem Boot Ausschau gehalten hatte, aber es war noch ein gutes Stück größer und wuchtiger. Mähne und Schweif waren duftig und zart, fast nicht als Haar zu erkennen, sondern beinahe so flüchtig und weich wie der Samenstand des Aczarat. Die Füße konnte Dýamirée nicht sehen, denn es stand im seichten Wasser und trank von See. Dabei berührte das wie eine Schraube gewundene Horn die Wasseroberfläche. Seine Flügel, wie die eines Schwans, nur viel, viel größer hielt es anmutig angewinkelt, sodass das Kind erst beim Näherkommen gewahr wurde, dass das Tier gesattelt war.
Als das Einhorn das Mädchen bemerkte, hob es den Kopf. Nun erkannte man auch sein Zaumzeug. Gelbe Augen, ähnlich denen einer Schlange, blickten forschend unter langen weißen Wimpern hervor.
Dýamirée war so fasziniert, dass sie überhaupt nicht über das Sattelzeug stutzte. Ehrfürchtig hielt sie sich noch einen Augenblick hinter den Büschen versteckt. Um nichts in der Welt wollte sie dieses wunderbare Fabeltier erschrecken, das hier im Boscargén seinen Durst am bodenlosen See löschte. Dann konnte sie nicht widerstehen. Langsam, achtsam und mit großen Augen ging sie auf das Einhorn zu.
„Lauf nicht weg”, bat sie. „Ich tue dir nichts! Hab keine Angst vor mir!”
Es war lächerlich, so zu reden, das war ihr bewusst. Etwas, das so groß und stark war, würde bestimmt keine Angst vor einem Kind haben. Aber nichtsdestoweniger legte Dýamirée Wert darauf, gut mit jeder Kreatur des Waldes zu sein. Da sie dieses Tier zuvor noch nicht gesehen hatte, dachte sie sich, dass es das sicher nicht wissen konnte. Dýamirée staunte und streckte dem Einhorn vorsichtig die Hand entgegen. Das riesige Tier schnaubte und stellte seine Ohren aufmerksam auf. Dann setzte es sich in Bewegung und schritt auf das Kind zu, die Schnauze interessiert vorgestreckt.
Dýamirées Herz schlug freudig schneller. Es kam tatsächlich zu ihr! Es vertraute ihr!
„Vorsicht!”, rief da jemand. Laub raschelte, Äste knickten und zwischen den Bäumen kam ein Mann herangeeilt. Das Einhorn blieb kurz stehen und schaute in seine Richtung.
Dýamirée schreckte zurück. Der Fremde hatte wohl unter den Bäumen etwas abseits des Ufers gesessen und rannte nun eilig auf das Einhorn zu, platschend in den See hinein. Sein plötzliches Auftauchen verwirrte sie. Als er das Tier hastig beim Zügel packte, verspürte sie im ersten Moment sie den Impuls, sich umzudrehen und schnell wegzulaufen. Aber das, so dachte sie im zweiten Moment, wäre unhöflich gewesen. Immerhin war der Mann offensichtlich besorgt. Er wollte das schöne weiße Tier wohl daran hindern, ihr zu nahe zu kommen.
„Bleib zurück, Kleine”, sagte der Mann und führte das Einhorn energisch zurück ans Ufer. „Das ist gefährlich!”
„Oh”, sagte Dýamirée überrascht. „Frisst es denn Kinder?”
Der Mann schaute sie verwirrt an. Dann schüttelte er den Kopf. „Nein. Aber diese Tiere sind so groß und stark, dass sie Menschen niedertreten, wenn man nicht achtgibt.”
Dýamirée warf einen respektvollen Blick auf die Hufe. Die waren anders als bei einem Pferd, gespaltene Klauen wie bei einer Ziege. Aber das machte sie nur noch neugieriger, es war viel interessanter als der Besitzer. das Wesens. Sie kam interessiert näher. „Ist das dein Tier?”
Er schaute ihr entgegen und wirkte seltsam verwundert, ratlos. Vermutlich hatte er nicht damit gerechnet, nicht allein im Wald zu sein. „Ja”, sagte er. „Ich bin damit hierher geritten.”
„Kann es fliegen?”
„Natürlich. Es hat Flügel.”
Sie war nun dicht bei ihm und betrachtete auch ihn wissbegierig. Der fremde Mann war groß und wirkte eindrucksvoll, stark und gewandt. Sein kurz gestutzter Bart und das lange Haar waren blond, seine schimmernden Augen, wenn auch verwirrt und misstrauisch, erschienen Dýamirée freundlich. Der Fremde schien ihr ein klein wenig älter zu sein als ihr Vater. Er trug einen Mantel und Gewänder aus vielfarbig schillerndem, hellen Stoff und darüber Rüstzeug, das dem von yarl Moréaval ähnelte, nur dass das seine aus einem Metall gefertigt zu sein schien, das Dýamirée noch nie zuvor gesehen hatte. Es glänzte, aber ganz anders als Silber, warm, satt und strahlend. Ob das dieses sagenhafte Gold war? Dýamirée wusste, dass Menschen Gold sehr gern hatten und immer viel davon haben wollten, aber im ganzen Boscargén gab es keinen einzigen Krümel davon, sodass sie keine klare Vorstellung davon hatte. Außerdem trug der Mann trug ein Schwert umgegürtet.
Dýamirée lächelte. Der Fremde fühlte sich … gut an, und er war besorgt, dass sei Tier sie verletzt hätte. Das Mädchen spürte, dass von dem unerwarteten Besucher nichts Böses ausging, aber er schien so verwirrt zu sein.
„Bist du ein Freund von dem anderen Ritter?”, fragte sie zutraulich.
„Von wem?”
„Von dem freundlichen Ritter der teiranda hinter den Bergen”, erklärte Dýamirée. „Der ist schon lange wieder auf dem Weg zu seiner schönen hýardora und seinem kleinen Mädchen.”
Der fremde Mann ließ verdutzt die Schultern hängen.
„Du bist doch ein Ritter, oder? Du hast wie er ein Schwert und eine Rüstung und … sowas ähnliches wie ein Pferd.”
„Ja. Ich bin ein … ein Ritter.”
„Das ist fein. Die Ritter sind gut. Die retten immer die teirandanjaé und besiegen die Monster, sagt Mama.”
„Kleine”, fragte er bedacht, „das hier ist doch der … der Boscargén? Der Silberne Wald?”
„Ja, natürlich. Das hier ist der Wald und das da der Dunkle See. Dein Tier muss vorsichtig sein, falls es nicht schwimmen kann. Zur Mitte hin wird das Wasser ganz, ganz tief.”
Er schüttelte konfus den Kopf. „Ich verstehe nicht …”
Sie ging zutraulich näher zu ihm hin. „Wer bist du? Wo kommst du her?”
Er ließ sich auf ein Knie sinken. „Nein, was machst du hier? Warum läufst du nachts allein in diesem Wald herum, Kleine?”
„Ich laufe immer nachts am See entlang. Ich suche mein Boot. Und dann hab ich dein schönes Tier gesehen.”
„Ja aber … ganz allein … in diesem Wald … Wo sind denn deine Eltern?”
„Mama ist im Haus”, erklärte sie. „Oh schau! Dein Tier schnuppert an mir.” Sie kicherte. „Das kitzelt!”
„Deine Eltern lassen dich … hier … herumlaufen? Ganz alleine? Das ist unverantwortlich!”
Das Kind koste mit sanften Fingern die samtige Schnauze des Einhorns. „Aber nein. Hier passiert mir nichts. Mir ist noch nie etwas zugestoßen. Die Bäume und das Wasser passen auf mich auf.”
Er seufzte und beobachtete, offenbar bereit, jederzeit einzugreifen, wie das Einhorn sich streicheln und sogar hinter dem Ohr kraulen ließ. Dýamirée war so abgelenkt und entzückt davon, dass sie dem Erwachsenen kaum zuhörte, als der sie weiter ausfragte.
„Aber wo wohnst du denn, Kleines?”
„Da drüben”, sagte sie. „Es ist nicht weit.”
„Und deine Mutter ist zu Hause?”
„Ja. Sie hat jetzt zu tun, aber sie erzählt mir nachher noch ein Märchen.”
„Gut”, sagte er bedacht. „Weißt du, was wir machen, Kleines?”
„Nein?”
„Du kommst jetzt mit mir und zeigst mir, wo du und deine Mama wohnen. Ich bring dich sicher nach Hause, bevor dir hier im Wald noch etwas Schreckliches widerfährt.”
„Aber hier passiert mir doch nichts?” Dýamirée wunderte sich. Warum war der fremde Mann nur so unruhig?
„Kleines, es ist gar nicht gut, wenn du allein hier am See herumstromerst. Das hier ist ein gefährlicher Wald! Furchtbare Wesen wohnen hier. Wahrscheinlich weißt du gar nicht davon?”
Dýamirée stutzte. „Furchtbare Wesen? Wie der hungrige Wolf etwa?”
„Viel furchtbarer. Aber du musst keine Angst haben. Ich beschütze dich.”
„Aber …”
„Wir müssen ganz schnell weg von hier, bevor sie auf uns aufmerksam werden. Wirst du brav sein und mit mir kommen?”
„Hast du denn solche Angst?”, fragte sie verunsichert.
Er lachte unruhig. „Ich? Ich habe niemals Angst. Nicht vor … Du darfst mit mir auf dem Einhorn reiten, wenn du magst. Aber lass uns rasch fort von hier.”
„Wirklich?”
„Damit sind wir ganz schnell bei deiner Mama. Wo ist dein Vater?”
„Der kommt auch bald zurück.”
„Gut.” Der fremde Ritter reichte ihr seine Hand. „Soll ich dich in den Sattel heben, Kleines?”
„Oh ja, so gerne.” Sie sprang zu ihm hinüber und jauchzte, als er sie schwungvoll hochhob und auf den Rücken des Tieres setzte, genau zwischen die weich befiederten Schwingen. Dann stieg er selbst auf.
„Ich bin Cýelú Irísolor”, stellte er sich vor. „Ich komme von weit, weit aus dem Süden.”
„Und ich heiße Dýamirée.”
„Dýamirée”, wiederholte er. „Was für ein schöner Name.”
„Und wie heißt dein Tier?”, wollte sie wissen, noch bevor er sie weiter ausfragen konnte.
„Es ist ein Einhorn. Er heißt Perlenglanz. Und nun sag mir, wo du wohnst. In welche Richtung müssen wir?”
Sie deutete das Ufer entlang. „Da. Immer geradeaus. Immer das Ufer entlang, dann kommen wir zu unserem Haus.”
Er spornte das Einhorn an, und es setzte sich in Bewegung, bedächtig, leise, auf seinen gespaltenen Hufen. Einhörner wussten, wann sie sich lautlos bewegen mussten, um keine Aufmerksamkeit zu erregen.
***
Manjév saß auf ihrem Bett, aber diesmal hatte sie den Vorhang geöffnet. Sie dazu zu bringen, sich wieder zu zeigen, hatte Asgaý von Spagor und Kíaná von Wijdlant einiges an Überzeugungskraft gekostet, aber am Ende hatte das Mädchen nachgegeben. Nun saßen Eltern und Tochter schweigend einander gegenüber. Die Eltern hatten gesehen, dass sie geweint hatte und drangen nicht in sie, das zu erklären. Sie machten ihr keine Vorwürfe, dass sie so unhöflich und überstürzt davon gerannt war. Beide, obwohl sicherlich ihre Anwesenheit anderswo in der Burg erwartet wurde, warteten, bis sie bereit war, zu sprechen.
„Tut mir leid, dass ich weg gelaufen bin”, sagte Manjév schließlich leise. „Es … es war mir so unheimlich.”
„Es ist nichts geschehen, wovor du dich schämen müsstest, mein Kind”, sagte Asgaý von Spagor liebevoll. „Ganz im Gegenteil. Es ist alles so, wie es sein soll.”
„Aber habe ich denn getan? Was wollte der Sohn von Herrn Alsgör von mir? Warum waren alles so beifällig, als hätte ein báchorkor eine Geschichte erzählt?”
„Es ist ein uraltes Ritual”, erklärte die teiranda. „Der Junge muss für sein Alter bereits außergewöhnlich belesen und gebildet sein.”
„Allerdings”, wandte der teirand ein, „war er damit deutlich zu früh an der Reihe. Das ist eine Sache, die noch mindestens zehn Sommer Zeit gehabt hätte.”
„Was für ein Ritual?”, fragte Manjév. „Warum weiß ich davon nichts?”
„Weil es langweilige Erwachsenendinge sind, Liebes. Der Junge und der von Herrn Waýreth haben dir damit ihre Dankbarkeit und Treue zugeschworen. Es ist eine sehr schöne und gute Sache, aber es war weder die Zeit noch der Ort dafür. “
„Es ist ein Bekenntnis aus ganz alten Zeiten”, ergänzte Asgaý von Spagor, der sich gut mit alten Geschichten auskannte. „Ein künftiger yarl nimmt aus der Hand seiner teiranday ein Stück Brot entgegen und bezeugt damit, dass er sich der Großzügigkeit und Gnade seines Herrn oder seiner Herrin unterordnet und überantwortet . Im Gegenzug dafür wird er seinem Herr oder Herrin stets ergeben und treu dienen, ihren Weisungen gehorchen und ihnen bis zum Äußersten mit seinem Leben verteidigen.”
„Wenn jemand das teirandon angreift, zum Beispiel?”
Die Eltern stutzten über diesen Gedanken. Dann nickte die teiranda. „Ja, Liebes. Dafür sind die yarlay im Weltenspiel.”
„Und wenn es Chaosgeister selbst wären”, ergänzte Asgaý von Spagor heiter, „yarlay, die dereinst das Brot aus deiner Hand angenommen haben, würden sich ohne zu zögern in den Kampf werfen, um sie dir vom Leib zu halten.”
„Haben Herr Waýreth und Herr Alsgör das bei dir auch gemacht, Papa? Und Herr Andríer, Herr Daap und Herr Jóndere bei dir, Mama?”
„Ja, Manjév. Auch Láas und Jándris werden einmal an der Riehe sein. Aber es ist nunmehr eine Formalität, die vor Zeugen in kleinem Rahmen vollzogen wird. Früher, vor langer, langer Zeit war es ein großes Spektakel, ein riesiges Fest.” Asgaý von Spagor setzte dazu an, sich in Begeisterung zu reden. Die alten Geschichten rissen ihn mit. „Früher, Manjév, war es wichtig, solche Dinge öffentlich zu machen. Alle sollten es sehen und davon erfahren, auf beiden Seiten des Montazíel.”
Das Mädchen überlegte. „Das gerade im Saal … das war vor aller Augen, nicht wahr?”
„Ja, Kind. Aber es war … nun, es muss dich nicht binden. Der Sohn von Herrn Alsgör hat es wohl missverstanden, dass du ihn mit dem Brot in der Hand angesprochen hast. Wahrscheinlich war er sehr aufgeregt und wollte alles richtig machen, um zu zeigen, wie brav und gelehrig er ist.”
„Und siehst du, Manjév, ” scherzte die Mutter, „das ist der Grund, weshalb man nicht achtlos Speise mit sich vom Tisch herumtragen sollte.”
Die teirandanja ging nicht darauf ein. „Dann sind die beiden Jungen schon jetzt sozusagen … meine eigenen yarlay? Oder ist es ungültig, weil sie noch keine erwachsenen Männer sind?”
Die Eltern wechselten einen Blick, der für Manjévs Geschmack zu amüsiert war. Je länger sie darüber nachdachte, desto ernster, desto bedeutungsvoller erschien ihr die Sache. Als sei das alles weit mehr gewesen als das drollige Missverständnis, das die Erwachsenen darin sahen.
„Es ist wohl sinnvoller, wenn sie ihr Versprechen zur gegebenen Zeit erneuern. Zumindest der Junge von Herren Waýreth, der …”
„Asgaý”, unterbrach die Mutter ihn. „Noch nicht. Lass Herrn Alsgör sich morgen erst erklären. Er hatte etwas auf dem Herzen, das ihn tief bedrückt.”
„Dir gefällt der Junge, nicht wahr?”, fragte der teirand an seiner Tochter vorbei. Manjév horchte auf. Solche Bemerkungen waren oft aufschlussreich.
Kíaná von Wijdlant nickte. „Ja. Ich denke, wir sollten ihm die Chance geben.”
„Der Magier würde es empfehlen, nicht wahr?”
„Lass uns nachher darüber reden, Liebster.”
Der teirand nickte. Selten war er mit einem Wunsch seiner hýardora nicht einverstanden.
„Es war der falsche Zeitpunkt, Manjév”, fuhr er dann fort. „Aber eines Tages hättest du … den beiden ohnehin diesen Treueschwur abgenommen.”
„Gefallen die zwei dir denn?”, erkundigte die teiranda sich.
„Ich weiß nicht recht. Ich habe ja noch nicht mit ihnen geredet.”
„Sie sind beide artig und gut erzogen. Herr Waýreth berichtet, sein Junge habe Manieren und großartiges Geschick und es mangele ihm nicht an Kühnheit. So die Mächte wollen, wird er ein achtbarer Kämpfer sein.”
„Einer, der dich vor den Chaosgeistern beschützt”, scherzte der Vater.
Manjév spürte, wie sie errötete. Sie entsann sich an den stillen, eisblauen Blick, der etwas in ihr so seltsam anrührte.
„Und der andere?”
„Nun ja. Der …”
„He!”, klang da eine Stimme zu ihnen, draußen vor dem geöffneten Fenster, unter im Hof. „Was machst du da oben?”
„Komm da runter! Da hast du nichts zu suchen!”
„Ist das nicht Láas Grootplen?” Asgaý von Spagor erhob sich von der Bettkante und ging zum Fenster hinüber. „Warum sind die Burschen noch nicht im Bett?”
„Was fällt dir ein!”, erklang da auch Jándris’ Stimme, voller Empörung und Aufregung.
„Was ist da los?”, rief der teirand zu ihnen herunter, als er der Knaben ansichtig wurde. Die beiden standen beieinander unter dem Fenster. Die paar Menschen, die noch im Freien zu tun hatten, waren auch aufmerksam geworden. Alle Blicke waren auf einen Punkt links neben dem teirand gerichtet, Jándris zeigte aufgeregt mit dem Finger, also wandte Asgaý von Spagor sich auch beiseite.
Keine Elle von ihm entfernt stand Merrit Althopian, den Bauch gegen die Mauer gepresst, mit beiden Händen fest in die Ranken geklammert auf dem schmalen Sims und starrte den teirand entsetzt und ertappt an. Unter ihm ging es sechs Mannshöhen in die Tiefe.
„Vorsicht, Herr!”, rief Láas aufgeregt. „Der hat bestimmt was Freches vor!”
„Bei den Mächten, Junge”, wisperte der teirand und streckte langsam seine Hand nach dem Kind aus. „Bleib ganz ruhig! Keine Angst! Gib mir deine Hand! Nur vorsichtig!”
„Was ist denn da, Papa?”, fragte Manjév, kletterte aus dem Bett. Ihre barfüßigen Schritte näherten sich schnell dem Fenster.
„Asgaý?”, fragte die teiranda und folgte ihr rasch nach. „Wer ist da?”
Asgaý von Spagor bewegte sich so bedacht und sacht, wie es nur möglich war. Er setzte sich auf die Fensterbank, griff mit einer Hand unter den in den Raum geöffneten Rahmen des Fensters, um sich selbst festzuhalten, lehnte sich heraus und langte sacht nach dem Jungen. Nicht auszudenken, wenn der Knabe nun eine unbedachte Bewegung tat!
„Komm zu mir”, flüsterte der teirand. „Ich halte dich fest!”
Manjév neigte sich hinter dem Rücken ihres Vater vorbei aus dem Fenster, bevor die teiranda es verhindern konnte. Sie entdeckte den Jungen und er sah ihr direkt ins Gesicht. Wieder trafen sich ihre Blicke und brachten einander aus der Fassung.
Merrit Althopian zuckte zusammen. Seine Knie wurden ihm weich, sein Fuß glitt von dem Sims ab und er verlor den Halt und stürzte, bevor Asgaý von Spagor ihn zu packen bekam.
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