Waýreth Althopian wäre, ohne zu zögern, einem gefährlichen Ungeheuer gegenüber getreten, einem unüberwindlichen Krieger, sogar einer Naturgewalt hätte er zu trotzen versucht.

Einem goala’ay konnte man sich nicht entgegenstellen, weder mit Tollkühnheit noch aus Dummheit. Der Ritter wusste das und der Rotgewandete wusste es auch. Bei den Mächten, was konnte die teiranda, das arme, schwindsüchtige, verwirrte Weib, dazu getrieben haben, einen Pakt mit einem solchen Magier einzugehen?

Und was mochte den Lichtwächter veranlasst haben, sich darauf einzulassen?

„Setzt Euch”, bat Gor Lucegath entgegenkommend. „Darf ich Euch etwas anbieten? Ihr seid sicher durstig nach Eurer langen Reise.”

Waýreth Althopian ließ sich gehorsam auf den schlichten hölzernen Sessel nieder, den der Magier einladend zurechtgerückt hatte, als sie sein privates Gemach oben im Burgturm betreten hatten. Ein sonderbarer Platz war das für eine Wohnstube, aber der Ritter erkannte durchaus die Vorteile. Von hier aus hatte man sicher einen exzellenten Blick über die Ebene, zumindest bei Tageslicht. Doch nun war es stockdunkle Nacht. Auf dem mit einem weinfarbenen Tuch bedeckten, etwas zu großen Tisch stand jedoch eine einfache Laterne, die erstaunlich helles Licht spendete. Trotzdem lag der größte Teil des Raumes wie in schwarzer Finsternis.

„Gern”, sagte er, zumal es unhöflich gewesen wäre, abzulehnen. Er wollte er dem Rotgewandeten keinen Grund zum Unmut geben.

Der Magier verschwand kurz ins Halbdunkel und kam mit einer verkorkten Flasche und zwei durchsichtigen Kelchen zurück, die aussahen wie filigran aus einem Kristall ausgeschnitzt.

„Ich möchte Euch das Zeug nicht zumuten, was man hier an diesem Ort für Wein hält”, sagte er und öffnete die Flasche. „Den hier halte ich für vornehme Gäste wie Euch bereit. Er stammt von den sonnendurchfluteten Hochebenen im yarlmálon Ivaál.”

„Man hört, dies sei vorzüglicher Wein”, entgegnete der Ritter bedacht und unterdrückte die Gedanken, den die Erwähnung dieses Ortes in ihm weckte.

„Erlaubt trotzdem”, fuhr der Rotgewandete fort und schenkte ihnen ein, „dass ich zuerst davon trinke. Ihr sollt keinen Anlass zu der Befürchtung haben, dass es damit nicht mit rechten Dingen zugehe.”

„Das ist nicht nötig. Ich gehe nicht davon aus, dass Ihr einen belangreichen Grund dafür hättet, mir schaden zu wollen.”

Der Rotgewandete lächelte. Waýreth Althopian hob seinen Kelch, befahl sich im Stillen den Mächten und trank. Es war köstlich.

„Ich weiß, dass Ihr Fragen habt. Wenn Ihr die richtigen stellt, werde ich sie Euch gern beantworten. Also nur zu.”

„Und wenn ich eine falsche Frage stelle?”

„Dazu, yarl Althopian, seid Ihr zu intelligent.”

Der Ritter stellte den Kelch ab.

„Warum seid Ihr maskiert?”

Der goala’ay lachte. „Ob Ihr es mir glaubt oder nicht, edler yarl, ihr seid erst der Zweite, der es tatsächlich wagt, mich rundheraus danach zu fragen.”

„Und warum tragt Ihr eine Maske? Weiß denn nicht ohnehin jeder, wer Ihr seid?”

„Gibt es denn nicht noch andere Gründe dafür, als um sich zu tarnen?”

„Dann schützt Ihr Euch damit?”

„Macht Euch keine Hoffnung, eine Schwachstelle gefunden zu haben.”

„Wie könnte ich auch nur daran denken, dem … Vertrauten der teiranda schaden zu wollen?”

Der Magier setzte sich selbst dem Ritter gegenüber an den Tisch. „Natürlich tut Ihr das. Ich würde mich doch nicht wundern, wenn Ihr sehr furchteinflößende Dinge über mich gehört habt. Mit der Reputation von meinesgleichen war seit unguten Tagen auch nicht allzu weit her, das ist mir bewusst. Ihr überlegt fieberhaft, wie und wovor Ihr die hiesigen yarlay und die teiranda retten könnt. Euch ist offenbar nur nicht klar, welche Rolle ich dabei spiele.”

„Nun, zumindest Benjus von Valvivant scheint vor euch zu zittern. Mit Recht, wie ich vermute. Ihr selbst wart es, der den teirand nahe an die Träume brachte, nicht wahr?”

„Ich bedauere zutiefst, dass man Euch dies zuschieben wollte. Glücklicherweise konnte ich gleichsam dafür sorgen, dass sein Leben durch die ehrenwerte elddoayra [ältere Heillerin] in seinem Gefolge gerettet wurde. Anderenfalls wäret Ihr nun wohl nicht hier, sondern in üblen Schwierigkeiten.”

„Aber warum? Was hat der teirand verbrochen, dass Ihr ihm so schrecklich zugesetzt habt?”

„Nun, er hatte einen Pakt mit mir und diesen sträflich vernachlässigt. Es ging darum, gewisse Personen daran zu hindern, den Weg nach Wijdlant einschlagen, um mir lästig zu werden.”

„Ihr redet von dem Schattensänger, von dem Ihr sicher längst wisst, dass er mir begegnet ist?”

„Benjus von Valvivant, das sei ihm zugestanden, konnte nicht wissen, dass es in meinem Interesse ist, dass ausgerechnet dieser Schattensänger zu mir findet.”

„Und dennoch habt Ihr den teirand … bestraft?”

„Ich war ärgerlich. Der teirand hat in Gegenwart des Schattensängers einfach ein wenig zu viel geplaudert. Ihr wart dabei und habt es selbst gehört.”

„Woher …”

„Ich habe meine Mittel.”

„Und? Ist er der Schattensänger bereits hier? Ist die namenlose fánjula bei ihm?”

„Das, yarl Althopian, ist eine falsche Frage, die Euch aber noch beantwortet werden soll. Vorausgesetzt, wir kommen ins Geschäft.”

„Was heißt das?”

„Ich kann alle Probleme ausräumen, die sich derzeit hinter Eurem Rücken auftürmen wie eine Springflut, und die Euch mitzureißen drohen, wenn auch nur eine Eurer Entscheidungen falsch ist.”

Althopians Augen verengten sich. „Wollten wir nicht ursprünglich über Damen reden?”

„Dazu komme ich gleich. Aber nun sagt mir: Mit welchem Auftrag hat Benjus von Valvivant Euch tatsächlich laufen lassen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er es tat, um Kíaná von Wijdlants yarlay zu einem yarlpénar einzusammeln. Ich kann Lügen spüren, Herr Waýreth, und Eure Zunge ist nicht sonderlich geübt darin, die Unwahrheit zu sagen. Versucht es gar nicht erst. Also?”

Der Ritter senkte den Blick. „Ich sollte den Schattensänger aufspüren und verhindern, dass er im Norden seine Pläne verwirklicht. Was immer er dort vorhaben mag, denn das weiß ich wirklich nicht.”

„Und warum seid Ihr dem nicht gefolgt? Was macht Ihr hier, so weitab im Osten?”

„Ich entnahm den Hinweisen des Schattensängers und der fánjula, dass yarl Altabete … dass alle yarlay hier in einer Notlage sind. Ich habe einen Brief …”

„Ich weiß von diesem unseligen Brief, von dem ich schon noch herausfinden werde, wie er die Grenzen meiner Aufmerksamkeit verließ”, unterbrach der Rotgewandete ungeduldig. „Was haben die yarlay hier mit Eurem Auftrag zu schaffen, auf seiner Spur nach Norden zu reisen, gegen sein ausdrückliches Gebot?”

„Ich weiß es nicht…”

„Dann denkt nach!”, forderte der Rotgewandete mit schneidender Stimme. „Ich will es von Euch selbst hören.”

Der yarl zuckte zusammen. „Ich habe vermutet, dass der Schattensänger ebenfalls nicht auf direktem Wege nach Norden gegangen ist. Es erschien mir so, als würde auch ihn die Neugier treiben, herauszufinden was hier geschehen ist. Ich wollte …”

„Nein, redet nicht weiter und bringt Euch in Verlegenheit. Ich ahne es. Ihr habt ganz im Stillen, im tiefen Grund Eures Herzens gehofft, dass Ihr gemeinsam mit dem Schattensänger das Rätsel des Reiches Pianmurít lösen könntet. Weil Ihr in Eurem rechtschaffenen, kühnen Heldenherz nicht zulassen wolltet, das hier womöglich … finstere Dinge vorgehen.”

„Etwa nicht? Was ist es denn, das hier über dem teirandon liegt wie ein Schleier, unter dem alles dahin kümmert wie … wie Pflanzen, die unter einem Brett wachsen sollen?”

„Ist das so?” Der Rotgewandete trank ruhig von seinem Wein. „Und wenn ich Euch versichere, dass alles exakt so ist, wie es der teiranda gefällt?”

„Das kann ich schwer glauben!”

„Sollte ich lügen?”

„Wenn die teiranda all das hier gutheißt, dann doch nur, weil sie unter einem Bann steht!”

„Ist das eine Unterstellung?”

„Es ist eine Tatsache! Was hier geschieht, ist ganz offensichtlich den Mächten ungefällig!”

„Tatsächlich? Ihr glaubt, dass ich das Ansinnen habe, den Mächten ins Weltenspiel hineinzupfuschen?”

Waýreth Althopian zögerte. „Seid Ihr ein Mensch?”, fragte er dann misstrauisch.

„Was sollte ich sonst sein? Ein Chaosgeist etwa?” Der Rotgewandete musterte den Ritter amüsiert. „Keine Sorge, hochedler yarl. Ich bin genauso ein fleischliches und sterbliches Wesen wie Ihr.”

„Wenn dem so ist, ist nicht zu begreifen, was Ihr mit alledem hier bezweckt und für welche Macht Ihr es tut.”

Der Rotgewandete hob die Hand und richtete seine Fingerspitzen gegen den Ritter. Der zuckte zusammen. Aber es geschah nichts.

„Nun, lasst uns Dinge sprechen, von denen Euer unkundiger Verstand mehr weiß. Lasst uns über Damen reden und gleich bei der teiranda anfangen. Ihr gefallt Kíaná von Wijdlant über alle Maßen gut. Sie war ganz versessen darauf, alles über Euch zu erfahren. Mir scheint, schon lange war kein yarl so nahe daran, ohne alle Mühen und kompliziertes Werben die Gunst einer teiranda zu gewinnen.”

„Ich habe keinerlei Interesse an der teiranda!”

„Eure Interessen, edler Herr, wiegen weniger als die Wünsche der Dame.”

„Und wie kommt die edle teiranda auf einen solchen … Wunsch?”

„Nun, ich will offen zu Euch sein. Die Dame sehnt sich insgeheim nach der Gesellschaft eines Gefährten, der nicht nur die Verantwortung über das teirandon mit ihr teilt. Die Dame ist möglicherweise in Hitze. Ihr versteht?”

„Warum lässt sie dann nicht ihre Ritter oder die báchorkoray [Spielleute] um einen teirandanjor [~ Prinz] werben? Warum zieht sie nicht selbst aus, um sich umzuschauen, wie alle anderen edlen Damen und Herren es tun?”

„Sie reist nicht gern weit fort.”

„Dann könnte sie hier vor Ort Zusammenkünfte ausrichten und sich yarlay anschauen, wenn es an teirandanjoray mangelt.”

„Edler yarl … nein. Ihr seht, dass das nicht möglich ist.”

„Dann wartet sie allen Ernstes hier wie eine Spinne im Netz, bis der nächstbeste yarl vorbeikommt?”

„Nicht der Nächstbeste. Der beste. Ihr.”

Waýreth Althopian seufzte unbehaglich.

„Ihr wäret auf diese Weise Euren Kameraden, um die Ihr Euch so sorgt, wieder ganz nahe. Die teiranda wäre glücklich. Und Benjus von Valvivant könnte Euch nicht hierher verfolgen mit seinem Zorn.”

„Ich weiß das Interesse der teiranda durchaus zu schätzen”, antwortete der Ritter. „Aber es gibt gleich zwei Treueschwüre, die ich bräche, wenn ich mir das Angebot Eurer Herrin auch nur näher durch den Kopf gehen ließe.”

„Ich weiß”, sagte der Rotgewandete ruhig. „Und so kann ich Euch auch gleich mehrere mögliche Szenarien ausmalen, die Eure Zukunft betreffen.”

Er warf eine beiläufige Geste auf den Ritter. Augenblicklich verwandelte das Holz, aus dem dessen Sessel bestand, sich in Magnetstein.

Alles, was Waýreth Althopian an eisenbeschlagenem Rüstzeug am Leib trug, wurde mit einem heftigen Ruck angezogen. Seine Handschuhe und Armschienen fesselten ihn an die Armlehnen, seine Stiefel hafteten an den Beinen des Sitzmöbels fest. Alle Metallplatten auf seinem Wams wurden so unerbittlich in Richtung der Rückenlehne gezogen, dass es dem Ritter den Atem abzudrücken drohte. Er keuchte auf und schnappte nach Luft.

Gor Lucegath ließ ihn einen Moment zappeln, erhob sich dann und ging um seinen Gefangenen herum.

„Kämpft nicht allzu sehr dagegen an”, empfahl er und nahm einen Schluck von seinem Wein. „Ich will lediglich sicherstellen, dass Ihr mir aufmerksam zuhört – und nicht etwa in spontaner Empörung unsere Unterredung beendet und aus dem Raum stürmt.”

Waýreth Althopian ächzte und gab auf. „Ich höre zu”, stieß er erstickt hervor.

„Gut. Reden wir also über Damen und erweitern das Thema um Euer Fortleben. Ich bedauere sehr, dass ich Euch für meine Herrin nicht begeistern kann. Zumal ich weiß, dass der unselige Schwur, den Ihr Asgaý Spagors Vater leisten musstet, über Euch und dem ehrwürdigen und mannhaften Haus derer von Althopian dräut. Es wäre für alle Seiten das Angenehmste gewesen, Euch als neuen teirand auf dem Thron von Wijdlant zu wissen. Aber ich sehe auch, wie wichtig Euch, allem Groll zum Trotz, Eure Gefolgschaft für Asgaý von Spagor ist. Vielleicht bietet das eine schöne Alternative.”

„Asgaý von Spagor ist mein guter teirand!”

„Ich weiß. Er ist ein herzensguter und erschreckend einfältiger junger Mann, der überhaupt nichts davon zu halten scheint, im Sinne seiner Vorväter seine Regentschaft aufrecht zu erhalten. Und ich weiß auch, wie sehr Euch das ärgert.”

„Wir geben uns alle Mühe, das zu ändern.”

„Ich weiß.”

„Gibt es Dinge, die Ihr nicht wisst?”

„Es ist in der Tat ein Jammer, dass Asgaý von Spagor so wenig Interesse an seinen yarlay zeigt. Was für ein achtbares teirandon könnte er haben, mit den Familien Althopian und Emberbey und deren yarlmálon. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis Virhavét das kleine teirandon verschlingt. Sofern nicht zuvor – möglicherweise – andere Lust darauf bekommen, sich herrenlose yarlmálon einzuverleiben. Die yarlay von Ferocrivé oder Rodekliv würden die Aussicht auf Eure schönen Pferde und die Reichtümer derer von Emberbey sicher schätzen.”

„Solange yarl Emberbey und ich unsere uns im Weltenspiel von den Mächten zugeteilte Pflicht erfüllen, sind unsere Schutzbefohlenen sicher!”

Der Rotgewandete setzte sich wieder. „Tradition, Herr Waýreth. Mehr ist es nicht, was Euch an die Regentschaft von Asgaý von Spagor bindet. Was, wenn ich dafür sorgen könnte, dass der teirand sich ein wenig mehr auf seine Pflichten besinnt? Wie würde Euch ein neues, besseres, starkes teirandon gefallen?”

„Wie meint Ihr das?”

„Kommen wir später darauf zurück. Zunächst zu Eurer zweiten Treue. Zu der Dame, deren Haar Ihr an einer Schnur unter Eurem Wams tragt, ganz nah an Eurem Herzen. Nun schaut nicht so verstört, edler yarl. Wie man hört, habt Ihr Euer Herz bereits der älteren der yarlaraé von Ivaál geschenkt, auf dass keine andere Dame jemals mehr Zutritt darein findet.”

„Von wem habt ihr das wieder erfahren? Wer …”

„Mir ist auch bewusst, vor einer solchen flammenden Liebe all meine Lobpreisung für Kíaná von Wijdlant zu Asche zerstäubt. Die Mächte haben Euch diese Dame als Eure hýardora erkennen lassen. Dagegen ist meine Magie machtlos. Was nicht heißt, dass mir diese kleine höfische Romanze, so tragisch die Umstände sind, nicht durchaus zusagt.”

Zusagt?”

„Wenn Ihr Euch bereit erklärt, einen Pakt mit mir einzugehen, Herr Waýreth, dann stünde es durchaus in meiner Macht, sicherzustellen, dass der Dame kein … Unheil geschieht, bis Ihr Euren Liebesschwur eingelöst habt.”

„Und wenn ich ablehne, dann liegt es in Eurer Macht, für ein solches Unglück zu … sorgen?”

Der Rotgewandete trank. „Bin ich so leicht zu durchschauen?”

Der Ritter wollte in stiller Wut die Fäuste ballen, aber seine Finger waren in den Handschuhen unbeweglich.

„Was ist es nur unter euersgleichen, unter den Unkundigen, das es so einfach macht, euch an eurer Liebe zu packen, viel mehr noch als an Gier und Machthunger? So lange beobachte ich schon dieses Weltenspiel, und immer wieder erstaunt es mich von Neuem.”

„Werdet endlich deutlich. Was bietet Ihr mir an? Was wollt Ihr?”

„Was ich Euch biete”, sagte der goala’ay, „wäre die Aussicht auf ein Leben als stolzer Ritter in einem schönen, sehr großen teirandon, unter der Herrschaft eines glücklichen Paares und an der Seite einer klugen, huldreichen Dame. Ich glaube, ich könnte mir sogar den ersehnten Nachkommen vorstellen, der aus dieser Verbindung hervorgeht. Ich sehe ihn fast vor mir. Einen hübschen, aufgeweckten Knaben, der zu einem trefflichen, gerechten Ritter heranwächst, der Euch an Mut, Treue und aufrechter Liebe noch übertreffen wird. Ihr könnt das haben, wenn Ihr wollt.”

„Ihr wollt mich verblenden!”, zischte Waýreth Althopian.

„Ist das nicht angenehmer, als für immer hier in Pianmurít zu bleiben? Hier, an der Seite der teiranda, bis der Schnee auf Eure verwaisten Ländereien fällt und die yarlara einen anderen Herrn zum Gefährten hat? Womöglich einen tumben vendyr überteuerter Spezereien aus Forétern, dessen Reichtum Eure Ehrbarkeit aufwiegt? Denn, falls daran Zweifel bestehen sollten, yarl Althopian: So einfach in Euer Verderben laufen lassen werde ich Euch und die vorlaute junge fánjula nicht.”

Der Ritter schwieg erschöpft.

„Aber selbst wenn Ihr hier bei uns bliebet, wäre das wohl angenehmer, als in Schimpf und Schande unter den Augen Eurer Schutzbefohlenen für den vermeintlichen Verrat und den versuchten Mord an Benjus von Valvivant zu büßen. Der teirand würde Euch früher oder später finden und Asgaý von Spagor bliebe nichts übrig, Euch nach den Gesetzen auszuliefern. Was, frage ich mich, würde unter diesen Umständen wohl aus Euren Leuten? Und Eurem teirand?”

„Was soll ich für Euch tun?”, wisperte Waýreth Althopian ermattet.

Gor Lucegath löste den Zauber. Der Sessel wurde wieder zu Holz. Der Ritter rang nach Luft und sank vornüber. Während er wieder zu Atem kam, schenkte der Rotgewandete ihm Wein in den Becher nach.

„Der Schattensänger wird bald auch in den Norden ziehen, hin zum Meer”, sagte er. „Es ist auf der Suche nach einem Diebesgut, dessen rechtmäßiger Besitzer ich bin. Wartet, bis er es gefunden hat.”

„Und dann?”

Gor Lucegath schob ihm den Becher über den Tisch hin zu und lächelte. „Entledigt ihn seiner Last. Bringt es mir.”

Der Ritter lachte bitter auf. „Wie stellt Ihr Euch das vor? Wie sollte ich einem Magier etwas entwenden?”

„Ihr seid sein Verbündeter unter den Unkundigen. Der, dessen Familie immer loyal mit dem Diebsgesindel war. Ihr hättet selbst keine Verwendung für betreffendes Objekt. Im Grunde könnt ihr nicht einmal davon wissen. Soll ich Euch noch mehr Vorteile aufzählen, die Euch für den kurzen Augenblick, der Euch genügen sollte, dienlich sein werden?”

Der Ritter schüttelte verstört den Kopf. „Verrat”, sagte er leise, „ist nicht die Art der yarlay von Althopian.”

„Es soll nicht der Schaden der yarlara und Eurer Schutzbefohlenen sein. Solange Ihr zu niemandem darüber redet.”

Waýreth Althopian verstand. Der Lichtwächter schaute erwartungsvoll unter der Maske zu ihm hinüber.

Mit Todesverachtung griff der yarl nach dem Kelch und trank ihn in einem Zug bis zur Neige aus.