
Es gibt Musik, die ist so berückend, so erhaben und bewegend, dass nur wenige Takte genügen, um tiefe Emotionen zu wecken. In einer sehr, sehr gedämpften Form kennt das jeder, der jemals unbewusst bei Musik damit begonnen hat, sich im Rhythmus zu bewegen, zu tanzen oder sich still zu wiegen. Oder einfach die Augen geschlossen hat, um dabei zu träumen.
Yalomiros Lied war … anders. Die Wirkung des Zaubers, die er in die einzelnen Noten gelegt hatte, basierte möglicherweise auf einem ähnlichen Prinzip wie herkömmliche Musik. Doch die Melodie ging weit darüber hinaus. Sie war so intensiv, dass es mir unmöglich war, ihr zu lauschen wie einem Lied, das ich im Radio oder bei einem Konzert gehört hätte. Es lässt sich schwer beschreiben. Mir war, als würde ich sie nicht mit meinen Ohren hören, zumindest nicht ausschließlich damit.
Yalomiro spielte sehr sachte auf seinem bizarr geformten Instrument. Natürlich wollte er nicht unnötig Aufmerksamkeit erregen. Trotzdem schien es mir, als würde sein Lied den ganzen Wald um uns herum, ach was – die ganze Welt erfüllen und alles daraus verdrängen, was für diesen Moment nicht mit ihm und mir zu tun hatte. Möglicherweise war es sogar so, dass niemand sonst das Lied hätte hören können, das er für mich spielte. Gleichzeitig war da wieder dieser geheimnisvolle Pflanzenduft.
Die Melodie war zart, fließend, träumerisch und unaufhaltsam. Der Klang brandete über mich hinweg, als brächte der Schall mich ins Wanken. Zugleich war die Musik um mich herum, hinter mir, sie fing mich auf und schien mich zu umschlingen, nein, zu umarmen. Ich fand mich einen Augenblick in einem Zustand großer Verwirrung wieder. Was passierte hier?
Vertrau mir, hörte ich ihn sanft in meinen Gedanken. Denk nicht nach. Lass dich einfach darauf ein.
Einen winzigen Augenblick zierte ich mich noch. Dann ließ ich mich in die Musik fallen. Ich begann, sie in mich aufzunehmen, ohne zu wissen, wie ich das tat. Ich ließ all meinen Sinnen freien Lauf. Nichts, keinen Takt, keinen Ton dieser übernatürlichen Magie wollte ich missen.
Mein Verstand, der mir sagte, dass ich in einer sternklaren Nacht an einem Feuer im Wald saß und einem musizierenden Magier zuhörte, kapitulierte. Emotionen brachen sich den Weg frei, alle gleichzeitig. Ein ungeheuerliches Gefühlschaos erfasste mich. Die Empfindungen wechselten einander so rasch ab, dass ich keine davon lange genug wahrnahm, um sie zu identifizieren. Das war ein sehr verwirrender Zustand, den ich nur dadurch überwinden konnte, dass ich jegliche Gefühle für einen Moment losließ und sie aus einigem Abstand betrachtete.
Nun veränderte sich die Melodie. Die Musik, die gerade noch über mich hinweg geströmt war wie Wasser über Steine in einem Bachbett oder an einem Kiesstrand, schien nun auf mir abzuperlen und mich zu umflirren wie viele aufgeregte Schmetterlinge. Die Töne ließen sich auf mir nieder, ich spürte sie federsanft auf mir, wie Regentropfen, wie warme Sonnenstrahlen, wie tiefste Zufriedenheit. Es war ein wunderbares Gefühl.
Und nun sang Yalomiro eine zweite Stimme zu seinem Geigenspiel.
Die Töne verdichteten sich, wurden materiell, wurden körperlich. Ich begann, die Musik zu spüren. Ich konnte sie fühlen wie eine echte Berührung. Sie rann über meinen Leib, wie Wasser durch ein Sieb, versickerte in mir wie in einem Schwamm und tastete sachte nach meiner Seele. Zugleich begann etwas Angenehmes und Aufregendes, sich von den Klängen aus in mir auszubreiten, so als habe es den Zugang zu meinen Adern, zu meinen Nerven gefunden und vereine sich nun mit meinem Empfinden.
Die Musik bewegte sich. Das Dahinfließen der Melodie veränderte sich, wurde rhythmischer, zielstrebiger. Sie durchströmte mich in kleinen Schüben, ich spürte sie in mir, bis in meine Finger- und Zehenspitzen. Vor allem aber konzentrierte sie sich auf einen vagen Bereich in meiner Brust. Woher kam dieser Takt? War das mein Herz? Seines?
Es war seine magische Energie, das wurde mir damals klar, ohne dass ich es hätte benennen können. Aber es fühlte sich tatsächlich anders an als seine maghiscal, als das, was ich als bergenden Schutzschild bereits kennen gelernt hatte. Diese Magie war warm, fast heiß, pur und sie ging ungedämpft, ungefiltert auf mich über. Yalomiro begann damit, mir neue Stärke im Tausch für die einzuflößen, die er mir damals auf dem Montazíel in seiner Not entzogen hatte. Eine Kraft, die wesentlich potenter war als meine eigene, und die er mit höchster Behutsamkeit auf mich übertrug.
Eigentümliche Erregung ergriff mich. Die Musik, die Energie, die Magie begann plötzlich, in mir heftig pulsieren, so unerwartet und berauschend, dass es mir den Atem verschlug. Ich keuchte überrascht auf und streckte die Hände nach den Klängen aus. Ich wollte die Kraft berühren, mich an sie schmiegen und mich ihr hingeben, egal, was dabei mit mir passieren würde.
Was immer er da gerade tat – es war etwas ganz anderes als der Zauber, der die Mauer aus Nichts überwunden hatte. Es war unheimlich; auf eine aufregende Weise beängstigend, befreiend und ekstatisch zugleich.
Ujora?, hörte ich ihn in meinen Gedanken, so als flüstere er mir vom anderen Ende einer großen Halle zu, so leise und winzig gegenüber seiner Musik.
Etwas in mir flammte auf und durchzuckte jede einzelne Nervenfaser, wieder und wieder. Ich warf mich Yalomiros Lied entgegen, ich haschte danach und berührte es. Meine Gedanken waren erfüllt von Energie. Wer war er, wer war ich? Es war egal, völlig gleichgültig. Wir waren eines, mussten eines werden…
Es gab nichts Rationales mehr in meinem Verstand, in meinem Willen oder meiner Existenz, aber das war vollkommen gleichgültig. Es war auch nicht unangenehm, im Gegenteil. Ich hatte mich durch das magische Schattensängerlied in etwas gänzlich anderes verwandelt. Mir wurde schwindelig, mein Geist verwirbelte sich mit der Musik. Ich bemerkte ganz am Rande meiner Wahrnehmung, dass mein Körper irgendwo in der Wirklichkeit sich auf die Füße erhob und dem Klang entgegen tappte.
Ujora?, wisperte er vom anderen Ende der Wirklichkeit, überrascht, alarmiert. Ujora, was tust du da?
Bitte, raunte ich zurück, spiel weiter!
Ich ließ mich im Klang versinken, Farben, Düfte und Gefühle umkreisten mich. Mein Körper oder was auch immer es war, worin sich die Magie ausbreitete und meine Lebensenergie heilte, zuckte und bewegte sich. Ich suchte nach dem Rhythmus hinter dem Lied, dem Takt, von dem ich nun instinktiv wusste, dass es Yalomiros Herzschlag war, der immer rascher wurde. In dieses Metrum, das war mir auch ohne Nachdenken klar, musste ich einstimmen. Anderenfalls würde sein Zauber möglicherweise misslingen.
Spiel, hauchte ich, bitte, bitte, hör nicht auf…
Es wird zu viel, hörte ich ihn, es wird gefährlich…
Spiel!
Er hatte sein Lied nicht unterbrochen, aber einen Augenblick lang spürte ich, dass ihm nicht mehr geheuer war, was passierte. Ein Gefühl von übermächtigem Verlangen nach der Musik überkam mich, gepaart mit einer sanften, allumfassenden Euphorie. Der Rausch wurde immer stärker, flutete über mich und ihn hinweg und schien nun auch von ihm selbst Besitz zu ergreifen. Ich spürte ihn, ekstatisch und erregend, eine sonderbare Körperlichkeit, die uns verband. Ich bemerkte, dass ich tanzte.
Ujora! Nein! Nein! Das darf nicht geschehen!
Bitte …
Ich kann es nicht mehr kontrollieren!
Einen ganz kurzen Moment klärte sich mein Blick, ich sah ihn vor mir stehen, seine Finger flogen über die Saiten, die Hand, die den Bogen führte, schien ihm nicht mehr zu gehorchen. Seine Augen gleißten, sein Atem jagte und sein ganzer Körper schien unter Spannung zu stehen.
Dann lass es frei! Lass dich frei!
Einen Moment schien er mit sich zu kämpfen und unterlag sich selbst. Was als sanftes Branden begonnen hatte, wurde zu einer wilden, impulsiven und sich immer weiter emporschwingenden Woge aus Emotion, Energie und Euphorie. Die Musik riss ihn selbst mit sich. Nun tanzte auch er.
Ich tanzte mit dem Schattensänger unter Sternen und Mond zum Klang eines magischen Instrumentes, empfing einen Zauber, der vermutlich einzigartig war und den zuvor noch ein anderer camat’ay gewirkt und schon gar kein Unkundiger erlebt hatte. Es war eine Magie, die Yalomiro selbst erschaffen hatte und mit mir teilte. Magie, die nur für uns beide bestimmt war
Wir tanzten zusammen und gerieten dabei beide in einen Zustand körperloser Ekstase, Geist an Geist, Seele an Seele. Wir vereinten uns, ohne einander zu berühren, und für den Bruchteil eines Augenblickes waren er und ich ein einziges Wesen, frei von Angst und Traurigkeit und erfüllt von absoluter Erfüllung.
Dann entlud sich die Spannung in einer erlösenden Eruption, die mein Bewusstsein weit hinter die Wirklichkeit katapultierte. Ein unendlich beglückendes Gefühl breitete sich aus. Ich verlor den Halt und stürzte durch etwas hindurch, die sich erschreckend und zärtlich zugleich anfühlte. Die Nacht, der Wald, das Feuer, die Musik und ich selbst flammten Fragment für Fragment wieder auf, in irrer Geschwindigkeit, wie Teile eines Mosaiks, und setzten sich zur Wirklichkeit zusammen.
All das dauerte nur einen Atemzug. Dann wurden mir die Beine weich. Ich konnte mich nicht mehr halten und taumelte zu Boden, hinein in das zartmoderig duftende Laub.
Auch Yalomiro hatte keine Kraft mehr. Er sank zuerst auf die Knie und ließ Geige und Bogen fallen. Dann schlug er der Länge nach nieder. Im Feuerschein sah ich sein Gesicht nur eine Armlänge mir gegenüber, seine glänzenden Augen, in denen Silberfunken flackerten. Wir schauten einander an, als sähen wir uns zum allerersten Mal.
Nur das Knistern des langsam niederbrennenden Feuers, der murmelnde Bach war nun zu hören. Ich schloss die Lider. Bleimüde war ich. Mein Körper bebte, zuckte nach von der Erfahrung dieses Erlebnisses. Was auch immer ich da gerade erlebt haben mochte.
Dann spürte ich Yalomiros Hand. Sie tastete nach der meinen. Als er mich berührte, fühlte es sich an, als spränge ein kleiner Funke zwischen uns über.
Unsere Finger verschränkten sich ineinander.
„Was war das?”, wisperte ich.
„Ich weiß es nicht.”
„Und nun?”
„Halt es einfach fest”, murmelte er. „Lass es nicht mehr los.”
Ich schloss die Augen und öffnete sie auch nicht, als ich kurz darauf das Laub rascheln hörte. Er rückte zu mir und legte sacht den Arm und ein Stück seines Mantels um mich.
Ich kuschelte mich wortlos an ihn. Mir war nun nicht mehr kalt. Geborgenheit. Das Feuer knisterte mich in den Schlaf.
Irgendwo in der Nähe stöberte eine Rotte Waldschweine durch die Dunkelheit, ohne uns zu stören.
***
Yarl Daap Grootplen stand neben dem Rotgewandeten und wartete auf eine Anweisung, auf ein Wort, auf einen Blick, irgendetwas, das die furchtbare Anspannung auflösen würde, die sich aufgebaut hatte. Aber Gor Lucegath schwieg und schaute über die Ebene hinweg, über die endlosen Felder, auf denen das Getreide ausreichend, aber nicht übervoll spross. Diese Äcker erstreckten sich fast bis an die in nächtliches Dunkel getauchten, bewaldeten Hügel, die bereits zur yarlmálon Tjiergroen gehörten. Dort schien sich etwas abzuspielen, was den goala’ay offensichtlich sehr interessierte. Der Magier lehnte, auf seine Unterarme gestützt, an den Zinnen und schaute nun bereits seit quälend langer Zeit hinaus in die Nacht. Mochten die Mächte wissen, was er durch seine Maske wohl sah, was er dort in der Weite hören mochte. Es war wohl etwas, das ihn zufrieden stimmte, denn je länger er lauschte, umso mehr lächelte er. Grootplen war vertraut genug mit der Art des Lichtwächters. Er wusste, dass diese Miene bedeutete, dass sich über irgendeiner unglücklichen Seele Unheil zusammenbraute.
Der mynstir von Kíaná von Wijdlant versuchte, sich so unauffällig zu verhalten wie möglich. Es beängstigte ihn, dass er den Rotgewandeten in seinem Haus hatte, aber was hätte er schon dagegen sagen können? Der Magier hatte es beschlossen und so angewiesen. Als der Ritter sich heimlich bei seiner teiranda erkundigt hatte, ob das seine Ordnung hatte, hatte sie ihn nur überrascht angeschaut und ihn gefragt, was es an einem Wunsch des Rotgewandeten zu missverstehen gebe.
Grootplen hoffte und flehte zu den Mächten, dass seine Familie und seine Schutzbefohlenen nicht das Interesse des Magiers erregten. Sein alter, geistig umnachteter Vater, seine hýardora, sein Sohn und seine Töchter, das wusste er, saßen in den Familiengemächern beieinander. Sein Kastellan und das Gesinde hatten sich in der Küche verschanzt. Beiden Gruppen hatte der Ritter streng befohlen, sich ruhig zu verhalten und sich nicht grundlos durch die Burg zu bewegen. Der Rotgewandete sollte keinen Anlass finden, sich mit Leuten zu beschäftigen, die ihm zufällig über den Weg liefen. Wie gern wäre Daap Grootplen selbst bei seinen Lieben gewesen. Er sah sie ohnehin viel zu selten, seit er den Hofdienst für die teiranda versah. Der Ritter sehnte sich nach der Nähe seiner Familie, die er nur beschützen konnte, indem er sein Herz verschloss.
Grootplens Burg war kein imposanter Prunkbau und um ein Vielfaches kleiner als die Festung der teiranda. Seine Vorfahren hatten vor langer Zeit einen künstlichen Hügel aufgeschüttet, um das Gebäude darauf zu errichten. Spaßvögel hatten schon damals behauptet, man habe dazu die wenigen natürlichen Erhebungen der Ebene abgetragen und die Ländereien endgültig in eine Platte aus Ackerland verwandelt. Anschließend war ein zweigeschossiger Wohnturm mit je einem angebauten Stall- und Wirtschaftsgebäude errichtet worden. Das machte die Burg immerhin zum höchsten Gebäude in weitem Umkreis, und dort standen sie nun im Schein einer kümmerlichen Fackel auf dem Dach. Der yarl fror, nicht nur, weil es klamm und kalt war. Der Magier war anscheinend derart fasziniert von dem, was er an den Grenzen der Felder wahrnehmen mochte, dass es auch urplötzlich regnen oder schneien hätte können. Vermutlich hätte er es nicht bemerkt.
„Herr Daap, wie weit ist es für einen Reiter von hier bis zur Grenze nach Tjiergroen?”, fragte der Rotgewandete plötzlich und deutete in die Richtung, die er im Sinn hatte.
Grootplen zuckte zusammen.
„Bei Tageslicht vom Morgengrauen bis zum Mittag”, sagte er dann. „Etwas weniger.”
„Für ein Pferd im Galopp und querfeldein?”
„Nicht über die Felder”, widersprach der yarl und beeilte sich, gleich hinzuzufügen: „Nicht etwa nur, weil ohnehin zu wenig Korn aufwächst, Meister. Es steht schon zu hoch, als dass ein Pferd dort mühelos hindurch käme.”
Gor Lucegath schaute ihn nachdenklich an. Der Lichtwächter wartete auf ein Angebot.
„Über die Straße ist es nur ein geringer Umweg”, wisperte der yarl hastig. „Wenn man gleich jetzt aufbräche, dann…”
„Ist Euer Pferd denn noch gesattelt?”
„Nein, natürlich nicht. Aber…”
„Dann sorgt dafür, dass Ihr Euch sogleich auf den Weg machen könnt”, sagte der Rotgewandete. „Im Namen Eurer teiranda entsende ich Euch an den Grenzverlauf Eurer Ländereien. Über den genauen Weg sorgt Euch nicht. Ich werde Euch, oder besser: Euer Ross präzise lenken.”
„Ja, Meister. Was soll ich dort tun?”
„Ihr werdet – abhängig davon, wie flink Euer Pferd zu rennen vermag – dort oder ganz in der Nähe einen Schattensänger und seine Begleiterin treffen. Ich möchte, dass Ihr den beiden genau das erzählt, was wir aus dem Mund von Herrn Andriér gehört haben. Dass es ihm gelungen ist, auf mysteriösem Weg eine Nachricht an yarl Althopian an mir vorbei aus Wijdlant herauszuschmuggeln.”
„Mehr nicht?”
„Mehr nicht. Es sei denn, Ihr legt keinen Wert darauf, Eure Familie und Euer Gesinde nach Eurer Rückkehr noch vollzählig und munter in Eurer Halle anzutreffen. Aber sorgt Euch nicht um Eure Leute. Ich werde derweil achtgeben, dass hier alles seine Ordnung behält.”
Yarl Grootplen fröstelte und senkte den Blick.
„Selbstverständlich. Ich soll also Euer Bote sein.”
„Nein, im Gegenteil. Es wäre mir recht, wenn Euch nicht über die Zunge käme, dass ich Euch losgeschickt habe.”
„Aber Meister, wie soll ich denn verhindern, dass ein Schattensänger auf anderen Wegen davon erfährt? Es heißt, sie könnten Menschen in die Gedanken schauen.”
„Solange Ihr Euch nicht aus den Grenzen hinaus bewegt, besteht diesbezüglich keine Gefahr. Ihr seht, Ihr habt gleich einen doppelten Grund, mich nicht zu hintergehen und eine Flucht hinüber nach Valvivant zu wagen.”
„Ich werde gehorsam sein”, sagte der Ritter und dachte panisch an seinen kleinen Sohn, der sein hölzernes Spielzeugschwert noch kaum allein hochheben konnte, und den greisen Vater, dessen alte Finger das seine aus Stahl schon lange nicht mehr halten konnten. An die Mädchen, liebreizend und freundlich wie Blümchen im Gras, von denen er sich so wünschte, dass das ältere einst Gefallen an Jóndere Moréaval finden würde. An die kornblumenblauen Augen seiner hýardora, von denen er jede Nacht träumte, wenn er in Wijdlant seinen verfluchten Dienst versah, bang darauf bedacht, dem Lichtwächter keinen Grund zum Unmut zu geben.
„Brav”, sagte der Rotgewandete schlicht. „Und denkt auch daran, auf kürzestem Wege wieder hierher zurückzukehren. Lasst Euch nicht einfallen, Euch vom Schattensänger zu irgendwelchen Dingen oder Fragen verleiten zu lassen.”
Daap Grootplen stand da, mit gesenktem Blick, und war zutiefst beschämt. In seiner eigenen Burg musste er sich von einem Magier befehlen lassen. Seine Herrin schien sich überhaupt nicht dafür zu interessieren, was der Rotgewandete tat und welche Ränke er an ihr vorbei zu schmieden schien. Es war bitter, und es war alles andere als ehrenhaft.
Gor Lucegath wartete einen Augenblick.
„Wieso steht Ihr hier noch herum?”, fragte er dann höflich. Grootplen verneigte sich und beeilte sich, fortzukommen. Der yarl wusste, dass der Lichtwächter hinter seinem Rücken lächelte. Er war glücklich, das nicht auch sehen zu müssen.
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