
Die teiranda hielt ihre Morgenaudienz und hörte sich an, was die yarlay und die spreghenay [Dorfvorsteher] ihr vom vergangenen Tag zu berichten hatten. Viel Neues gab es nicht, seit sie aus jenem seltsamen Fiebertraum erwacht war. Darin hatte sie eine Reise mit ihrer Leibeskorte unternommen und auf dem Montazíel gelagert, wo plötzlich ein Drache erwacht war und unter ihnen gewütet hatte. Es war nichts Nennenswertes geschehen. Gor Lucegath hatte milde über ihren seltsamen Albtraum gelacht und ihr versichert, dass es Drachen nur in den alten Märchen gebe. Davon habe man ihr als kleines Mädchen wohl zu viel erzählt und sie unverantwortlich verängstigt.
Solange er bei ihr war, sagte er, könnten ihr kein Traummonster und kein Chaosgeist etwas antun.
Andriér Altabete hinkte an einer Krücke. Als sie ihn fragte, was ihm denn zugestoßen sei, hatte der Ritter sie verlegen angeschaut. Er habe wohl gekämpft, hatte er gesagt. Aber er entsann sich nicht, welcher seiner Gefährten ihn vom Pferd gestoßen habe.
Kíaná fragte nicht weiter nach. Vermutlich langweilten sich die Ritter ebenso wie sie selbst und hatten in aller Heimlichkeit ein Kampfspiel abgehalten, um der Müdigkeit und Schwermut entgegenzuarbeiten.
Sie hörte sich das immer gleiche Einerlei an und ließ ihre Gedanken schweifen. Sie betrachtete die Bilder an den Wänden, die sie jeden Tag anschaute. Die edlen, aber wenig originellen Gewänder, die ihre beiden Kammerzofen heute trugen, das Schoßhündchen, das um ihre Schutzbefohlen herumschnüffelte und die Katze, die auf einem der unbesetzten Stühle an der Wand schlief. Der Bericht, den der spreghenen des benachbarten Dorfes vortrug, war nichts weiter als ein monotones Murmeln, das sie ermüdete. Vieh und Felder gediehen zur Zufriedenheit, aber schon lange Zeit nicht mehr zur Freude. Aber was machte das schon aus? In Wijdlant musste niemand hungern. Niemand hatte einen Grund, missvergnügt zu sein. Von allem war genug da. Solange sie lebte, solange sie ihre Schutzbefohlenen auf der Burg und den Menschen in den Dörfern bewachte, war Wijdlant sicher. Das hatte sie dem Rotgewandeten zu verdanken. Er hatte es ihr so versprochen.
Den goala’ay hatte sie jedoch seit einer Weile nicht gesehen. Das kam gelegentlich vor, deswegen war sie nicht beunruhigt. Manchmal ging er weg, ohne dass es jemand bemerkte, und kam zurück, ohne zu verraten, wo er gewesen war.
Hatte sie ihn seit diesem wunderlichen Traum, in dem auch der Schattensänger und eine fremde fánjula vorgekommen waren, mit der sie lange Zeit geredet hatte, ohne sich zu entsinnen worüber, überhaupt gesehen?
Sicher. Ohne ihn hätten sie den Weg doch nicht gefunden. Irgendwie waren sie auf dem Nebelpfad ja wieder hergekommen. Aber … hatte sie das doch nicht nur geträumt?
Kíaná von Wijdlant stutzte.
„Herr Daap”, wandte sie sich an ihren mynstir, der dienstfertig, aber etwas geistesabwesend neben ihrem Thronsessel stand, „ist der Wagen eigentlich in der Remise oder waren wir damit ausgefahren?”
Yarl Daap Grootplen warf ihr einen Blick zu, den sie nicht zu deuten wusste.
„Von welchem Wagen sprecht Ihr, Herrin?”
Sie schaute ihn verwirrt an.
„Na, von meinem Reisewagen”, entgegnete sie wachsam.
„Aber Herrin! Entsinnt Ihr Euch nicht? Der ist entzwei. Die Pferde gingen damit durch, draußen auf der Ebene. Er stürzte um und zerbrach in Trümmer.”
Sie zögerte. „Ach ja…”, sagte sie dann zerstreut. Dass sie sich daran in der Tat nicht erinnerte, mochte sie nicht zugeben.
„Es wird bereits an einem neuen Wagen gebaut”, fügte Grootplen rasch hinzu.
Sie nickte. „Ich habe nicht mehr daran gedacht. Ihr dürft Euch entfernen, wenn weiter nichts anliegt. Ich möchte mich zurückziehen.”
Die Anwesenden verneigten sich vor ihrer Herrin, Altabete sichtlich unter Schmerzen. Die teiranda erhob sich und schritt mit gesenkten Schultern aus dem Zimmer. Ihre Kammerzofen eilten ihr nach, nicht ohne den Herren verärgerte Blicke zuzuwerfen. Die Leibdienerinnen der Herrscherin schätzen es nicht, wenn irgendetwas die junge Frau durcheinanderbrachte. Das war nicht gut für ihr fragiles Gemüt.
Auch die spregheney und die anwesende Dienerschaft verließen das Audienzzimmer, durch eine andere Tür. Die Ritter blieben einen Moment schweigend beieinander stehen.
„Was ist mit der verfluchten Karre eigentlich wirklich geschehen?”, fragte yarl Moréaval leise.
Grootplen zuckte die Achseln. „Die Mächte mögen wissen, was vorletzte Nacht vorgegangen ist! Ich weiß nicht einmal mehr, wo ich war!”
„Ich bilde mir ein, gegen einen Drachen gekämpft zu haben”, kam es kläglich von Altabete.
„Wahrscheinlich haben die Pferde dich überrannt, als sie mit dem Karren durchgingen”, antwortete der mynstir mitfühlend. „Das würde die Prellung an deinem Bein erklären.”
Die Tür, durch die die teiranda gegangen war, schlug zu wie durch einen heftigen Windstoß. Die Katze auf dem Stuhl schrak aus ihrem Schlaf auf.
„Es ist nur zu Eurem Besten, wenn Eure Erinnerungen klein bleiben. Versucht, nicht allzu tief in Eurem Verstand umherzuwühlen.”
Der Rotgewandete stand in dem anderen Einlass, die Arme ausgebreitet und die Hände an das Mauerwerk gestützt. Dieser offene Durchgang hatte keine Tür, aber solange der goala’ay dort weilte, waren die drei Ritter gefangen. Die Katze nutzte die Gelegenheit, zwischen den Füßen des Magiers aus dem Raum zu rennen. Das Hündchen setzte ihr winselnd nach, klemmte den Schwanz ein, als es an dem Lichtwächter vorbei lief. Die yarlay schauten den Tieren begehrlich hinterher.
„Mir ist zu Ohren gekommen”, fuhr Gor Lucegath fort, „ dass mindestens eine geheime Botschaft das Reich Eurer teiranda verlassen hat. Dass aus Euren Reihen geplant wurde, an Eurer Herrin vorbei Pläne zu schmieden. Dass einer von Euch, wenn nicht Ihr alle gemeinsam, einen Hochverrat im Sinn hat.”
„Das ist nicht wahr”, brachte Jóndere Moréaval hervor. Er war ein schlanker Bursche mit dunklen Locken und bartlosem, jungenhaftem Gesicht. Der Junker war in dem Alter, in dem er von vásposar zu vásposar [Turnierveranstaltung vor dem Hintergrund einer “Kontaktbörse”] reisen, sich mit anderen Rittern messen, Kameradschaften schließen und sich den Damen hätte präsentieren sollen. Stattdessen hatte er vorzeitig den fest bestimmten Platz seines Vaters einnehmen müssen, der vor Wintern von einem Ausritt nicht mehr in die Burg zurückgekehrt war. Unter dem prüfenden Blick des goala’ay begann der junge Ritter, nervös an seinem grün-gelben Waffenrock zu zupfen.
„Dann nennt Ihr den edlen yarl Althopian also einen Lügner?”
„Bei den Mächten”, wisperte Altabete. „Waýreth Althopian?”
„Der yarl weilt derzeit beim teirand von Valvivant und ist mehr als besorgt darüber, dass er dort keinen von euch angetroffen hat, so wie es offenbar untereinander verabredet wurde.”
Die Ritter standen vor dem Thron wie Kinder, die man bei einer Untat ertappt hatte. Gor Lucegath betrat das Zimmer und musterte unter seiner Maske hervor die drei Männer mit prüfendem Blick.
„Es ist schon verwunderlich, dass ihr überhaupt einen Alleingang plant. Noch erstaunlicher ist es, dass ihr dieses geheime Treffen am Hof eines anderen teirand anbahnt. Was habt ihr euch dabei wohl gedacht? Aber nein – ich kann es mir denken. Natürlich sind noch mehr yarlay in Valvivant auf der Burg. Und für Benjus von Valvivant mag es eine lohnende Aussicht sein, sein teirandon zu vergrößern. Mit wem wolltet Ihr noch paktieren? Mit Tjiergroen? Oder mit Lebréoka?”
„Das ist ein Missverständnis!”, rief Daap Grootplen angstvoll aus.
„Nun, ich halte euch zugute, dass ihr nicht wissen konntet, dass Benjus von Valvivant mein Getreuer … war. Was mich jedoch tatsächlich interessiert ist, wie ihr es geschafft habt, Althopian eine Botschaft zukommen zu lassen. Und ich frage mich, von wem von Euch Herren ich am schnellsten eine Antwort bekomme.”
Er wartete einen Augenblick und belächelte die Nervosität der drei Männer.
„Ihr wisst, welche Bestrafung einen Ritter erwartet, der teiranday verrät”, fügte der goala’ay hinzu.
„Wir sind keine Verräter”, behauptete Andriér Altabete mutig. „Dass wir Herrn Waýreth einen Brief geschrieben und um ein Treffen gebeten haben, hat nichts mit unserer teiranda oder dem teirand von Valvivant zu tun!”
„Und womit bitte dann?”
Die Ritter schwiegen, jedoch nicht, weil sie verstockt gewesen wären. Sie hatten tatsächlich keine Antwort darauf. Hier, in den Burgmauern, innerhalb der Grenzen, die der Rotgewandete gezogen hatte, verwischte ihre Erinnerung bis zum Unkenntlichen. Gor Lucegath wusste sehr wohl, dass die Männer spürten, dass etwas mit ihnen geschah, sie es aber nicht benennen konnten. Sie hätten aber ebenso wissen müssen, dass es ihnen nicht möglich war, die Grenzen des teirandon zu verlassen. Niemand, der zu Kíaná von Wijdlants Gefolge gehörte, konnte das. Für Besucher von anderen Orten, die das teirandon betraten, Durchreisende oder Handeltreibende, war das nicht zu erkennen. Allerdings hatte jeder, der die Grenze passierte, nichts Eiligeres zu tun als seine Geschäfte zu erledigen und aus dem Land wieder fortzuziehen.
Den Rittern und deren Vätern hatte er es von Zeit für Zeit erlaubt, natürlich unter seinem wachsamen Blick und äußerst effektiver Magie auf ihrem Verstand. Ab und zu hatte er die Männer ausgeschickt, um sich außerhalb von Wijdlant zu zeigen. Das war nötig, um ringsum kein Misstrauen zu schüren. Es galt, den Schein zu wahren, zumindest die nötigsten Verbindungen zwischen Wijdlant und der Welt unangetastet zu lassen, wenn auch unter penibler Kontrolle. Was das gewöhnliche Volk betraf, war das recht einfach, aber die yarlay hatten immer ein Problem dargestellt. Die Männer hatten teils Angehörige in anderen teirandon. Also mussten sie gelegentlich sichtbar werden. Nicht, dass ambitionierte teiranday sich zu Eroberungen angespornt fühlten, wenn der Eindruck entstand, dass Wijdlants adlige Krieger verschollen seien. Das wäre … lästig. Aber nur durch dieses notwendige Übel war es möglich gewesen, dass Altabete und Althopian überhaupt Bekanntschaft miteinander hatten machen können. Eine kleine, aber lässliche Unaufmerksamkeit. Eine, die sich zu seinem Nutzen wenden ließ.
Im Grunde hatte sich nichts geändert. Immerhin war es nicht zu einem Treffen zwischen den Rittern gekommen. Nichtsdestotrotz war es bedauerlich für yarl Althopian, dass jemand ihm von Pianmurít erzählt hatte.
„Dankt Ihr den Mächten”, sagte der Lichtwächter, „dass Eure törichten Pläne im Sande verlaufen sind. Und dankt ihnen auch dafür, dass ich zu beschäftigt bin, um dem im Detail weiter nachzugehen. Für den Moment jedenfalls. Dennoch – wer hat Eure Botschaft überbracht?”
„Ich… ich weiß es nicht mehr”, stammelte yarl Altabete.
Der Magier seufzte. Dann wandte er sich Jóndere Moréaval zu und hielt beiläufig dessen Atem an.
Der junge Ritter keuchte und griff sich an den Hals. Seine sanften Augen weiteten sich vor Entsetzen.
„Nein!”, rief Altabete erschrocken auf. „Bei den Mächten, lasst ihn am Leben!”
„Das liegt in Eurer Hand, Herr Andriér.”
Yarl Grootplen versuchte, dem Erstickenden beizustehen, aber es gab nichts, was er tun konnte, keinen Kragen zu lockern, keine Schlinge zu lösen. Moréavals Gesicht begann, bläulich anzulaufen. Er sank hinab und wand sich in Qualen. Flehend fuchtelte er mit den Händen.
„Habt Erbarmen!”, schrie Altabete. „Es war ein Tier! Ich habe den Brief einem Tier gegeben!”
Gor Lucegath zögerte. Dann löste er den Bann. Luft strömte mit Gewalt wieder in Moréavals Lungen und ließ ihn qualvoll nach Atem ringen.
„Was für ein Tier?”
„Ich… bitte, Ihr müsst mir glauben, dass ich es nicht mehr weiß. Ein kleines Tier! Bei den Mächten, ich wünschte, ich hätte es nicht getan. Es war wie ein Traum! Nein – es war ein Traum! Ein Tier erschien in meinem Traum und raunte mir zu, ich solle einen Brief schreiben. Ich sollte einen Freund zu einem Treffen rufen, um… bei den Mächten, ich erinnere mich nicht mehr, was genau ich geschrieben habe. Als ich erwachte, da war der Brief fort. Ich erwachte am Tisch aus meinem Schlaf und hielt die Feder noch in der Hand.”
„Wie gesprächig Ihr plötzlich seid”, sagte der goala’ay ungerührt.
„Ich weiß nicht einmal mehr, wann sich das zugetragen hat. Ich hatte gar nicht mehr daran gedacht. Wenn all das kein Traum war, dann habe ich es im Schlaf getan! Und dann hat das Tier den Brief genommen und irgendwie fortgebracht!”
„Euch ist bewusst, dass das alles zutiefst unglaubwürdig klingt?”
„Bitte, Meister … ich schwöre bei den Mächten, dass ich es nicht anders weiß! Ich entsinne mich gerade eben erst selbst wieder daran, und es erscheint mir ganz unwirklich zu sein!”
„Vielleicht fällt Euch auf die Schnelle einfach nichts Besseres als Ausrede ein?”
„Er sagt die Wahrheit, Meister”, schaltete der mynstir sich ein. „Bei den Mächten, ich erinnere mich, dass Herr Andriér mir von einem solchen wirren Traum berichtete. “
„Und wann war das, Herr Daap?”
„Es ist sicher schon einige Monde her.”
Gor Lucegath schaute sich um. Draußen auf dem Flur vor dem Saal standen einige Waffenknechte, ein Page und ein Wäschemädchen und starrten entgeistert in den Raum. Natürlich hatte Altabetes Geschrei sie auf den Plan gerufen. Natürlich sahen sie Moréaval am Boden.
Gut. Sie würden überall erzählen, dass er den jungen Ritter hatte leiden lassen. Das würde sich schnell im ganzen Umkreis der Burg und in den yarlmálon herumsprechen.
„Was gibt es zu sehen?”, herrschte er das Burgvolk an, woraufhin die Leute so eilig davonstoben, wie es möglich war, ohne zu rennen.
Er wandte sich wieder den Rittern zu. Altabete und Grootplen bemühten sich um Moréaval, der in Tränen aufgelöst war und wimmerte.
„Wie bedauerlich”, sagte Meister Gor, „dass der edle yarl Althopian seine weite Reise ganz umsonst gemacht hat. Mögen die Mächte geben, dass er Euren wohl allzu lebhaft geträumten Brief für eine alberne Narretei und einen Streich hält, und mögen die Mächte darüber hinaus geben, dass ihm und seinem Gefolge dadurch kein Unheil erwächst. Wir werden es wohl bald sehen.”
Er verneigte sich, ließ die drei yarlay zurück und verließ den Raum durch die andere Tür, jene, die zuvor die teiranda genommen hatte. Sie reichte auf einen anderen Flur hinaus, der zu ihren privaten Gemächern führte. Der Leibwächter, der den Durchgang beaufsichtigte und ganz offensichtlich gelauscht hatte, schnellte zurück und nahm Haltung an.
Gor Lucegath beachtete ihn nicht weiter. Auch der zweite Wächter vor Kíanás von Wijdlants Tür hielt ihn nicht auf, als er anklopfte. Die ältere Zofe öffnete und duldete unterwürfig, dass er eintrat.
Die teiranda saß vor ihrem Spiegel, schaute wie trunken ihr Abbild an und ließ sich dabei von dem anderen Mädchen frisieren.
„Wo seid Ihr gewesen?”, fragte sie und schaute dorthin, wo sie sein Abbild im Glas sah.
„Schickt Eure Mägde fort”, wies er sie an.
Sie gab den beiden einen Wink. Die Frisierzofe ließ Ihre Herrin mit offenem Haar zurück und hastete der anderen hinterher.
Er schloss die Tür und trat hinter ihren Sessel. Sie lächelte betört und wandte dabei den Blick nicht von dem Spiegel ab.
„Euer Antlitz macht Euch immer noch glücklich, nicht wahr?”, fragte er sanft.
„Es gibt mir Kraft”, antwortete sie. „Es ist wunderbar.”
„Ich habe mich dazu hinreißen lassen, yarl Moréaval für eine Ungezogenheit zu maßregeln. Habt keine Sorge, es ist ihm kein Leid geschehen. Ich sage Euch das nur, bevor Ihr von jemand anderem eine unbändige Übertreibung oder von ihm selbst eine weinerliche Klage hört. Die Herren werden übermütig.”
„Es ist gut. Ich vertraue Euch.”
Er neigte sich zu ihr hinab. „Der camat’ay ist wieder da.”
Nun wandte sie sich ihm zu. Er lächelte.
„Wo ist er?”
„Er ist in der Tat unverschämt und eigensinnig am Hof von Valvivant aufgetaucht. Wie ich es vermutet hatte.”
Über ihren verschwommenen Blick glitt ein fragender Ausdruck hinweg.
„Ihr erinnert euch an das teirandon Valvivant?”
„Valvivant…”, murmelte sie.
„Soweit ich weiß, war Euer geliebter Vater um einen Bund zwischen Euch und Benéifar Valvivant bemüht, bevor … nun, bevor er euch in Eurer Not zurückließ.”
„Benéifar Valvivant… ich glaube, ich sollte diesen Namen kennen…”
„Bemüht Euch nicht um die Erinnerung. Herr Benéifar ist schon seit vielen Wintern hinter den Träumen. Benjus von Valvivant ist sein Sohn.”
„Ah”, machte die teiranda, ohne großes Interesse.
„Ich bin gekommen, um Euch mitzuteilen, dass eben dieser Benjus von Valvivant seit der gestrigen Nacht kein Freund des teirandon Wijdlant mehr ist. Er hat sich übertölpeln und den camat’ay entkommen lassen. Dreist und anmaßend ist der Schattensänger mitten in seine Halle stolziert und hat den Schutzbefohlenen dort übel zugesetzt.”
„Wenn Ihr das wisst, hättet Ihr das nicht verhindern können?”
„Natürlich. Aber ich glaubte, dass es besser sei, den camat’ay für dieses Mal gewähren zu lassen. Das wird seine Hoffart anstacheln und ihn zu neuem Leichtsinn verführen. Der teirand indes hat seine gerechte Strafe für seinen Verrat an uns erhalten.”
Sie schaute wieder in den Spiegel. „Und nun?”, murmelte sie schläfrig.
„Nun werden wir warten. Ich habe Vorbereitungen zu treffen. Es ist nötig, Herrin, dass Ihr mir Befehlsgewalt über Eure Ritter gebt. Ich halte es für angemessen, Euch darum zu bitten, anstatt es aus eigenen Stücken zu tun.”
Sie lächelte sanft. „Könnte ich Euch einen Wunsch verwehren, Meister?”
Er verneigte sich und trat einen Schritt zurück.
„Ist die fánjula immer noch bei ihm?”
Er zögerte verwirrt. Warum wollte sie das in dem Zustand, in dem sie sich befand, wissen?
„Ja. Er hat sie gegen alle Vernunft wieder bei sich. Warum fragt Ihr?”
„Ich bin … erleichtert, dass ihr nichts zugestoßen ist.”
Gor Lucegath lächelte mit leiser Belustigung. „Ich denke, das Gift der Unkundigen hat sein Herz bereits erreicht. Meine nächste Begegnung mit ihm sollte ein einfaches Spiel sein, um ihn mir gefügig zu machen.”
Sie antwortete ihm nicht mehr, war nun völlig in ihr Spiegelbild versunken.
Der goala’ay seufzte lautlos. Die teiranda befand sich schon viel zu lange in Pianmurít. Vielleicht würde er ihr den Spiegel einige Tage lang wegnehmen müssen, bevor sie sich ganz darin verlor. Für den Moment aber war es ihm recht, wenn sie sich ruhig verhielt.
An der Tür warf er ihr noch einen prüfenden Blick zu, wie sie auf ihrem Stuhl saß und das bewunderte, was das Glas ihr dartat.
Zaghaft hob er die Hand und rückte seine Maske zurecht. Dann wandte er sich energisch ab und ging, um seinen Plan weiter zu spinnen.
Ein kleines Tier also. Das war … interessant.
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