Yarl Althopian schien es ähnlich zu ergehen. Er gab sich einen Ruck und ging schnell auf die yarlara zu, doch da hatte Yalomiro bereits sein Instrument in der Hand und begann, zu spielen. Ein hauchzartes, pulsierendes Schimmern lag auf der Violine und flackerte mit jedem Streich über die Saiten hinweg. War das zuvor auch schon so gewesen?

Damals, als er die Treppe aus Tönen gezaubert hatte, hatte ich einzelne, begrenzte Noten gehört. Nun aber erklang eine Melodie, die ich kaum mit Worten beschreiben kann, hauptsächlich deshalb, weil es keine gewöhnliche Musik war. Auch der Schall der Geige war sehr sonderbar, hallend, ausladend und irgendwie… ja… körperlich. Er passte nicht in diesen Raum, in die Realität um mich herum. Die Musik ertönte nicht in der Wirklichkeit – nun gut, das natürlich auch, denn sie war zu hören. Aber sie entfaltete sich irgendwo tief in meinem Bewußtsein und breitete sich aus. Es klang, als nähme mich jemand zärtlich in den Arm.

Sein Lied war so betörend, dass in mir Tränen aufstiegen. Die Töne berührten Emotionen ganz tief in meinem Inneren.

Yalomiro sang. Keine Worte, sondern etwas, das wie eine zweite Stimme zu seinem Geigenspiel war und alle, die es hörten, noch mehr verzauberten als die Melodie allein. Das Burgvolk, wo es gerade saß und stand, schien zu erstarren. Träumerisch verlor sich ein Blick nach dem anderen im Nichts. Verta und Isan zu meinen Seiten ging es nicht besser. Beide schauten friedvoll ins Leere.

Nur drei Personen im Saal blieb das Eintauchen in diesen Zustand des freudvollen Wachtraums verwehrt. Mir und Waýreth Althopian, den seine yarlara nun mit so viel Gewogenheit in ihren hellen Augen anblickte, dass es ihn verlegen zu stimmen schien.

Und dem teirand. Benjus von Valvivant saß am Tisch und sah aus, als versetze ihn Yalomiros Lied in helle Panik. Tatsächlich: Er war die einzige Person im Raum, die das Spiel des Magiers nicht genoss. Im Gegenteil: Die Musik schien ihm körperlich unangenehm zu sein.

Yalomiro ließ die Geige sinken.

„Du…”, sagte der teirand und erhob sich langsam. „Was hast du getan?”

„Ich sah keine andere Möglichkeit, um zu Euch vorzudringen. Nun, da alle Damen außer Gefahr sind und selbst Eure Bewaffneten an angenehmere Dinge denken, muss ich mich nicht mehr verhüllen.”

Der Schimmer über dem Instrument verglomm und der teirand wich zurück. „Zauberei!”, japste er. „In meiner Halle! Frevel!”

„Selbstverständlich. Wie sonst hätte ich zu Euch vordringen sollen, wenn nicht mit einer Illusion? Eure Leute hätten mich nicht eingelassen.” Er beschrieb mit der Hand, die den Bogen hielt, eine Geste, als streife er etwas von sich ab. Möglicherweise löste er einen Zauber, der für mich nicht sichtbar gewesen war.

„Tjiergroen! Lebréoka! Valeísé!”, herrschte der teirand seine Ritter an. Doch die saßen unbeeindruckt da und sahen allesamt tiefenentspannt und unendlich glücklich aus. Das hätte verstörend sein können, aber ich empfand es nicht so.

Der teirand schaute sich verzweifelt um. „Althopian!”, rief er hilflos aus, als er begriff, dass sein Gast der einzige Anwesende bei Bewusstsein war. „Tut etwas! Macht ihn nieder!”

„Bemüht Euch nicht, yarl Althopian. Ich bin nicht gekommen, um jemandem Leid zuzufügen. Niemand ist in Gefahr.”

Waýreth Althopian hatte Yalomiro offensichtlich erkannt. Er blickte verwirrt zwischen ihm und dem teirand hin und her und dachte zum Glück nicht daran, seine Hand auch nur in die Nähe seines Schwertes zu bringen.

Benjus von Valvivant stand da und war völlig aus der Fassung. Auch ich war verunsichert. Yalomiro hatte mich bislang weder eines Wortes noch eines Blicks gewürdigt. Was wollte er mit diesem Auftritt bezwecken?

Vielleicht, so zuckte es mir durch den Kopf, war dies eine Machtdemonstration. Und je mehr ich darüber nachdachte: Eine Massenhypnose, nein, ein Zauber, mit dem sich gut hundert Menschen zugleich und ohne eine Spur von Gewalt ausschalten ließen, war eine sehr beeindruckende Zurschaustellung von dem, was Yalomiro vollbringen konnte, indem er nur auf einer Geige spielte. Zu was mochte er … nein, zu was mochten die camat’ay als solche fähig sein, wenn sie gegen irgendjemanden kämpfen wollten? Ich schauderte vor diesem Gedanken.

„Was willst du”, wisperte der teirand.

„Ich will mit Euch reden. Genaugenommen habe ich nur eine Frage: Ich will wissen, was Ihr über Pianmurít wisst.”

Benjus von Valvivant schwieg. Aber der Ritter war wie elektrisiert ob dieser Worte.

„Dann gibt es dieses Pianmurít wirklich?”, rief er aus.

„Schweigt, Althopian”, sagte der teirand scharf.

„Ihr habt von Pianmurít gehört?”, fragte Yalomiro überrascht.

„Ja. Ich hörte, dass yarl Andriér Altabete, den ich hier anzutreffen hoffte, möglicherweise gegen seinen Willen dort sei. Ich wähnte ihn in Wijdlant, an der Seite seiner teiranda.”

„Wer hat Euch das erzählt?”, brachte der teirand verstört hervor. „Wer hat zu Euch von Pianmurít geredet?”

„Sie”, antwortete Waýreth Althopian arglos und deutete auf mich.

Nun schauten mich alle drei an. Der Ritter forschend, der teirand verstört und Yalomiro … ja, bestürzt war das richtige Wort.

„Was hast du mit ihr zu schaffen?”, wollte Benjus von Valvivant schließlich wissen. „Schleust deinesgleichen nun schon Komplizen ein, um neue Schurkereien vorzubereiten? Ist sie deine Spionin?”

„Ich bin nicht hier, um jemandem Schaden zuzufügen.”

„Und was hast du mit meinen Schutzbefohlenen gemacht?”

„Nichts, was Euch beunruhigen müsste. Jeder hier im Saal erfreut sich gerade im Gedanken seiner sehnlichsten Träume. Außer dem hochedlen yarl und der fánjula, die mich beide kennen und erkannt haben, so dass mein kleiner Tarnzauber sie nicht täuschen konnte. Und außer Euch, mit dem ich reden will.”

Der teirand ließ sich wieder in seinen Sessel sinken. Er sah aus wie ein Mann vor den Trümmern seiner Autorität.

„Was willst du?”, fragte er erstickt.

„Wie ich schon sagte: Ich will wissen, was es mit Pianmurít auf sich hat.”

„Ich weiß es nicht.”

„Aber Ihr wisst, dass dieser Ort existiert?” Waýreth Althopian war es offensichtlich nicht gewohnt, nur Zuhörer zu sein. Yalomiro ließ ihn reden.

„Bitte, Majestät, wenn Ihr etwas darüber wisst … ich bin in äußerster Sorge. Ich erhielt eine Botschaft von yarl Altabete und zwei weiteren. Wir verabredeten uns, um über … um eine wichtige Sache zu besprechen. Aber sie kamen nicht zum Treffpunkt. Nun hörte ich … seltsame Geschichten über eine Ungeheuerlichkeit, die all das erklären könnte. “

Isan und Verta zu meinen Seiten starrten weiterhin verzaubert und mit seligem Ausdruck auf ihren Gesichtern auf ihre Teller nieder. Ich fragte mich unwillkürlich, was sie gerade in ihren Gedanken erlebten. Isan träumte vermutlich von ihrer Zukunft in Althopians Haushalt. Aber Verta? Wovon träumte eine alte Frau?

Du hättest das nicht tun sollen.

Ich zuckte zusammen. Yalomiros Stimme klang, als ob er in mein Ohr flüstere. Aber er stand meterweit von mir entfernt und schaute mich nicht einmal an.

Bevor ich den Fehler machen konnte, ihm laut zu antworten, fügte er hinzu: Du bist hier nicht mehr sicher. Auch der yarl redet sich gerade um Kopf und Kragen. Wir müssen weg von hier. Schleunigst.

Yarl Althopian”, sagte Yalomiro gleichzeitig laut, „gebt acht, wer von Euren Plänen erfährt. Und überlasst ausnahmsweise mir das Reden.”

Der Ritter verstummte und senkte verlegen den Blick. Offenbar hatte er großen Respekt vor dem Magier.

„Was Ihr mit Eurer Kumpanei verabredet habt, interessiert mich nicht”, sagte der teirand unwirsch. „Ich habe keine Ahnung, wo dieses rätselhafte Pianmurít liegen soll.”

„Aber Ihr wisst, dass es existiert und wie man dorthin gelangt? Wart Ihr einmal dort?”

Benjus von Valvivant starrte auf seinen Teller. Die Lippen kniff er fest zusammen und sah mit seinem rundlichen Gesicht dabei aus wie ein trotziges Kind.

„Hat es euch jemand… gezeigt?”, fragte Yalomiro sanft. „Euch … oder Euren Vorfahren?”

Der Blick des teirand zuckte kurz empor, hastig, ertappt.

„Ich fragte mich”, fuhr Yalomiro fort und verstaute dabei beiläufig seine Geige in der Tasche, „weshalb die Kunde von meiner Anwesenheit Euch so sehr in Angst versetzt. Mir ist nicht entgangen, dass eine erstaunliche Anzahl von Männern in Waffen mir heute nachgespürt hat. Ich weiß wohl, dass gegen meinesgleichen gewisse Vorbehalte bestehen. Aus Gründen, die ich durchaus begreife.” Er deutete mit dem Geigenbogen auf das schreckliche Wandgemälde, bevor er ihn ebenfalls wegsteckte. „Aber dennoch erscheint mir diese Bangnis, die ich gerade jetzt in Eurem Geist spüre, ein klein wenig übertrieben. Ich bin schließlich nicht derjenige, mit dessen Gräueltaten Ihr hier ohne Not Eure Halle dekoriert. Ich bin unter meinesgleichen noch nicht einmal so weit, die Würde eines ytra erlangt zu haben. Ich bin ein bescheidener Schüler, weit entfernt von dem, was der camat’ay auf diesem geschmacklosen Kunstwerk bewirken konnte. Es haben sicherlich deutlich mächtigere Frauen und Männer meines Kreises an der Stelle gestanden, wo ich jetzt bin. Nicht wahr?

Waýreth Althopian runzelte die Stirn. Wovon redete Yalomiro da?

„Also, wo sind sie nun, die camat’ay, die einst ihren Fuß in dieses teirandon gesetzt haben?”

Benjus von Valvinat schwieg. Aber Yalomiro hatte Zeit, zu warten. Und er würde warten. Tagelang, wenn es nötig wäre. Das stand außer Frage. Er verschränkte die Arme, und schaute den teirand mit geduldiger Erwartung an.

„Sie sind nach Pianmurít gegangen”, sagte der Monarch schließlich tonlos.

„Woher wisst Ihr das, wenn Ihr nicht wisst, wo das ist?”

„Jemand zeigte ihnen den Weg.”

„Habt Ihr das selbst gesehen?”

Benjus von Valvivant zögerte. Dann nickte er unmerklich. „Ja,” wisperte er.

„Wann?”

„Vor vielen Wintern. Ich … ich war noch ein Kind.”

Yalomiro schloss die Augen, als habe er diese Antwort erwartet. Einen Augenblick schwieg er. Und dann stellte er eine Frage, die mich traf wie ein Schlag. Wie eine Ernüchterung.

„War eine junge camat’ayra mit auffällig hellen Haaren und grünen Augen dabei?”

Benjus von Valvivant nickte. „Ja. An die erinnere ich mich. Eine anmutige fánjula.”

Silbergleißen glitt über Yalomiros Augen hinweg, und etwas pulste von ihm fort, das wie Elektrizität knisterte. Aber es erstarb im Raum, ehe es Schaden anrichten konnte.

In mir jedoch breitete sich ein unangenehmes, ein dumpfes und schweres Gefühl aus, das ich allzu gut kannte und das in diesem Moment völlig fehl am Platz war. Hatte er gerade etwa nach diesem mysteriösen Mädchen namens Arámaú gefragt? Interessierte sie ihn so viel mehr als alle anderen Schattensänger, die verschwunden waren?

Natürlich. Wer weiß, wie lange sie mit ihm … zusammen gewesen war. Lange, bevor ich in diese Welt gestolpert war.

„Warum waren sie hier?”, fragte er nur müde. „Und wann?”

„Weil mein Großvater sie herbeigerufen hatte.”

„Obwohl Eure Familie so große Vorbehalte gegen meinesgleichen hat? Dieses Gemälde ist sicherlich nicht erst seit gestern an der Wand.”

„Nein. Aber … er hatte keine Wahl.”

„Wer könnte einem teirand gebieten, etwas zu tun, das er nicht aus freien Stücken will?”

„Einer, der über allen teiranday der Welt steht”, murmelte Benjus von Valvivant.

„Und jener, der über den teiranday steht… er zeigte Eurem Großvater, Vater und Euch Pianmurít und drohte Euch, Euer Haus zu strafen, wenn Ihr ihm nicht camat’ay ausliefert, die es betreten? Hat er es Euch demonstriert?”

Benjus von Valvivants war nun so sehr in sich zusammengesunken, dass ich Mitleid mit ihm hatte. Ringsum saßen Ritter, Damen und Gesinde und lächelten ohne Anteilnahme, völlig losgelöst und frei von der Furcht, die ihn ergriffen hatte. Zu der Angst vor dem Magier kam offenbar der Schrecken der Erinnerung.

„Er hat meinen Großvater mit sich genommen, um ihm zu zeigen, was geschehen würde”, wisperte der teirand. „Mein Großvater war ein lauter, frohmütiger Mann. Nachdem er zurückkehrte, hat er nie wieder gelacht. Er hat immerzu nur noch von … von den Schrecken geredet, bis er starb. “

Er verstummte und saß nun so zusammengekauert und eingeschüchtert da, dass es mir leid tat. Yalomiro wandte seinen Blick nicht von ihm ab. Vermutlich hörte er seinen Gedanken zu.

Dann sank Benjus von Valvivant über seinem Teller zusammen und begann, zu weinen. Tatsächlich – der teirand heulte wie ein kleines Kind. Ich wechselte einen unbehaglichen Blick mit Waýreth Althopian, dem es offenbar auch unangenehm war, den mächtigen Herrscher so verletzt zu sehen. Dabei sah ich, dass der yarl die Haarnadel der eld-yarlara zwischen den Fingern seiner linken Hand trug. Er bemerkte, dass ich es bemerkt hatte und lächelte flüchtig und entschuldigend. Sicher hatte er sich den Verlauf des Abends anders vorgestellt.

Yalomiro wartete ungerührt, bis der teirand sich halbwegs gefangen hatte.

„Sie sind weg. Bei den Mächten, sie sollten alle tot sein! Und er versprach, dass nie wieder einer von ihnen zurückkehren würde. Dass der Schrecken ein Ende haben würde.”

Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, was Benjus von Valvivant da gerade gesagt hatte. Bis ich erfasste, was diese Worte für Yalomiro bedeuten mochten.

„Er hat mich angelogen”, jammerte der teirand. „Er hat gelogen, als er sagte, deinesgleichen würde nie wieder ins Weltenspiel zurückkehren!”

„Euer Haus hat … jenem … also dabei geholfen, meinesgleichen in eine Falle zu locken, damit er ihrer habhaft werden konnte? Womit hat Euer Großvater, Euer Vater meinesgleichen angelogen? Haben sie um Hilfe gebeten oder ihnen Hilfe angeboten?”

Statt einer verständlichen Antwort kam nur noch ein Schluchzen.

Falls Yalomiro erschrocken oder bestürzt, oder womöglich erzürnt war, ließ er es sich nicht anmerken. Tatsächlich war es seine Gelassenheit, die mich beängstigte, als er weiter redete.

„Beherrscht Euch”, rügte er den teirand. „Und fleht zu den Mächten, dass … jener … nicht herausfindet, dass ich heute Eure Halle betrat und sie unbehelligt wieder verlassen habe. Nennen wir ihn beim Namen. Fleht zu den Mächten, dass Gor Lucegath Wichtigeres zu tun hat, als über Euch … ungehalten zu sein. Ich frage mich, warum es nicht sein Porträt ist, das da an der Mauer prangt. Vor ihm hättet Ihr einen guten Grund zur Furcht. Nicht vor Ovidáol Etaímalar, dem Verfluchten, der unseresgleichen in Schande stürzte.”

Der teirand hob den Kopf. Seine Augen waren jetzt rot und verquollen, und seine Nase lief.

„Und nein”, fügte Yalomiro kühl hinzu, „ich werde Euch nicht den Gefallen tun, Euch in Eurer Meinung zu bestärken. Keinem einzigen Eurer unschuldigen Schutzbefohlenen werde ich etwas zuleide tun. Sobald mein Lied in ihrem Verstand verklungen ist, werden sie alle zu sich kommen, nichts weiter in ihrer Erinnerung haben als einen mäßig talentierten báchorkor [Spielmann], der der Erwähnung nicht wert ist.”

„Du … gehst wieder fort?”, wisperte der teirand. „Einfach so?”

„Was habt Ihr erwartet? Dass ich Eure schöne Burg niederreißen und die Wälder und Felder verheeren würde? Das alles, Benjus von Valvivant, geht mich nichts an. Ich will nur wissen, was mit meinesgleichen geschehen ist. Das ist alles, wonach ich gefragt habe.”

„Aber …”

„Ich gehe und überlasse es dem Rotgewandeten, wie er mit Euch verfahren wird, sollte er sich an Euch erinnern.”

Das schien den teirand nun völlig aus der Fassung zu bringen. Der arme Mann stand knapp vor einem Nervenzusammenbruch, denn sein Jammern und Weinen wandelte sich Stück für Stück in ein bitteres Gelächter.

Waýreth Althopian schien die Sache ebenfalls zunehmend unangenehmer zu werden. Dass alle anderen Anwesenden nach wie vor selig entrückt und erstarrt waren, machte die Szene noch bizarrer.

Yarl Althopian”, fragte Yalomiro, „Euer Kumpan, nach dem ihr sucht … nun, ich war viele Sommer fernab dieser Welt. Warum habt Ihr ihn nicht in Wijdlant aufgesucht?”

„Er bestand darauf, mich auf neutralem Boden zu sprechen. Ich habe keine Ahnung, was sein Anliegen war. Es war alles verdächtig geheim. Ich nahm an, es ginge um seine Herrin und hinge damit zusammen, dass es in Wijdlant immer unbehaglicher zu werden scheint.”

„Unbehaglicher?”

„Es ist nicht mehr besonders einladend dort. Man hört, das teirandon verwahrlose in letzter Zeit immer mehr.”

„Ah! Ja, damit fügen sich die Dinge zusammen”, sagte Yalomiro nachdenklich, während ich gar nichts mehr begriff. Hatte die teiranda denn mehr als nur ein Reich?

Benjus von Valvivant lachte und heulte zur gleichen Zeit. Es war eine absurde Lage. Ich zuckte zusammen, als Yalomiro sich mir zuwandte.

„Komm, Ujora. Wir haben hier nichts länger verloren.”

Ich erhob mich zögerlich. Er schaute mich auffordernd an.

Waýreth Althopian tat mit einer ratlosen Geste einen Schritt auf Yalomiro zu. „Aber… Ihr könnt doch jetzt nicht einfach gehen!”, brachte er hervor.

„Warum denn nicht? Ich habe hier nichts mehr zu tun. Die guten Leute hier werden zu sich kommen, sobald ich diese Mauern verlassen habe und eine gewisse Strecke Abstand erreicht habe. Sie werden aufstehen und die Tische abräumen, als sei überhaupt nichts geschehen. Übrigens, hochedler yarl: Es ist tatsächlich nichts geschehen. Es ist zu Eurem Besten, wenn auch Ihr schnellstmöglich vergesst, dass wir hier an diesem Ort einander begegnet sind. Ich könnte versuchen, Eure Erinnerung daran zu tilgen. Aber das erscheint mir der Mühe und Vorsicht nicht wert, angesichts dessen, dass Euer Haus stets loyal und unvoreingenommen gegenüber meinesgleichen handelte.”

„Ich verstehe.”

„Kümmert Ihr Euch um den teirand“, wies Yalomiro ihn an. „Bringt ihn irgendwo hin, wo er sich ausheulen kann, bevor sein Hofstaat sich wundert, was ihn denn so zu Tränen rühren mag. Und nehmt, um Eures eigenen Wohlergehens willen, vorerst Abstand davon, ebenfalls nach Wijdlant reisen zu wollen oder vor den Ohren jener Menschen hier über Pianmurít nachzudenken. Ihr habt Wichtigeres zu tun. Beendet Eure Geschäfte hier zügig, aber in Ruhe und reist auf geradem Weg zurück zu Eurem Herrn, oder wohin auch immer die Mächte Eure Schritte lenken wollen. Ihr werdet zur rechten Zeit von mir hören.”

Der yarl schaute hilflos zwischen dem hysterisch weinenden teirand, seiner verehrten Dame und dem Schattensänger hin und her. Yalomiro wandte sich ab und ging zur Tür, ohne auf mich zu warten.

Ich sprang auf. „Bitte, erinnert euch daran, was Ihr für Isan versprochen habt! Ich wünsche Euch alles Gute!”, rief ich Althopian zu. Dann lief ich aus der Halle und ließ ohne mich zu besinnen und nachzudenken sowohl Isan als auch Verta in ihrem Bann sitzen, mit dem weinenden teirand. Ich rannte dem Schattensänger nach, durch die Arkaden, über den menschenleeren, von Laternen beschienenen Burghof und hindurch durch das Tor und über die Zugbrücke. Im Graben quakten Enten schläfrig; Grillengesang und lauer, sanfter Wind strich über das teirandon Valvivant dahin.