
Der Zauber hatte den Schattensänger ausgelaugt, aber er war ihm gelungen. Yalomiro war zufrieden, als er sein Werk betrachtete. Für ein ungeübtes Auge sah die Geige nicht anders aus als zuvor. Und doch war das schwarze Holz getränkt mit Fasern seiner ganz persönlichen, ureigenen Magie. Sie durchzogen das Instrument wie Ableger, nein: wie Wurzeln. Ein außergewöhnliches Werkzeug hatte er geschaffen, und es reizte ihn, es auszuprobieren. Aber dazu musste er sich gedulden.
Und nun? Wohin sollte er gehen? Die Zeit drängte. Gor Lucegath war ihm sicher, auf irgendeine Art und Weise, auf der Spur. Mochte der Rotgewandete lange suchen: Hier, im Schatten, war er gut verborgen. Sogar die Unkundige war in der Obhut von yarl Althopian auf der Burg des teirand sicher. Nichts sprach dagegen, sich für eine Weile hier in der Dunkelheit aufzuhalten, bis seine maghiscal sich wieder regeneriert und er einen durchdachten Plan gefasst hatte. Nach alledem, was der Magier in den letzten Tagen und den Stunden vor seiner Versteinerung gelernt hatte, begann er den Sinn weise erwogener Strategien zu schätzen. Er hatte bei allem, was vorgefallen war, entschieden zu viel improvisieren müssen. Meister Gíonar hatte ihm oft Unbesonnenheit vorgeworfen. Vielleicht hatte der humorlose Schattensänger damit die ganze Zeit recht gehabt.
Auch der Unkundigen würde es gut tun, behütet den Luxus von Valvivant zu genießen, unbehelligt von den Gefahren, die zweifelsohne auf ihn warteten. Vielleicht würde es ihr dort so gut gefallen, dass sie den Weltenschlüssel, mit dem sie sich aus ihrer eigenen Welt ausgesperrt hatte, für eine Weile vergaß.
Vielleicht wollte sie am Ende gar nicht mehr fort. Vielleicht fand sie neue Freunde in Valvivant, wenn seine Mission zu viel Zeit in Anspruch nahm oder er daran scheiterte. Vielleicht sogar einen hýardor.
Yalomiro war einen Augenblick selbst irritiert darüber, dass ihn letztere Vorstellung nicht so sehr befriedigte, wie es statthaft gewesen wäre.
Außerdem gab es da noch etwas, was Yalomiro verunsicherte. Ein Detail, das er zwar schon bemerkt hatte, als er in die Schatten eingetaucht war, dem er aber nun erst Beachtung schenkte, jetzt, da seine Sinne wieder geschärft und auf die Magie fokussiert waren, ohne dass ihn Menschen ablenkten. Etwas Vertrautes, aber Vergangenes, flüchtig, eine beinahe entschwundene Erinnerung. Ein Duft.
Sie waren hier gewesen.
Yalomiro tastete nach dem zarten Hauch, der sich ringsum aufbaute, kalt und schal, denn er war bereits vor langer Zeit in den Schatten zurückgelassen. Nun, da der camat’ay hier in der Dunkelheit mit Noktámas Billigung mächtige Magie gewirkt hatte, zogen die lange vergangenen Spuren zu ihm hin, wie Nebel, der sich an einen Luftzug heftete. Yalomiro spürte die Präsenz um sich, die ihre Anwesenheit vor vielen Wintern hinterlassen hatte, eine kaum noch wahrnehmbare Fährte, die nach all der Zeit mürbe und zerbrechlich geworden war wie ein Herbstblatt.
Der Magier folgte der Spur der längst vergangenen Präsenz in Nóktamas Domäne, wie ein Tier, das eine uralte Witterung aufnimmt. Er würde sie nicht mehr antreffen, das war ihm klar. Aber vielleicht gab es einen Hinweis darauf, wohin sie gegangen waren.
Und über alledem lag eine Assoziation, ein Aroma, ein Zeichen, das über der Vergangenheit schwebte und noch nicht ganz so … vorbei war. Yalomiro horchte in die Leere, bewegte sich Schritt für Schritt und folgte dem Duft von vertrocknetem Schnee. Er spürte den erloschenen Schatten nach, bis sich auch die Dunkelheit veränderte, bis die geheime Domäne das verwandelte, was sich nur sehr vage mit dem Begriff Konsistenz beschreiben ließ. Das warme, behagliche Dunkel außerhalb des Weltenspiels erkaltete, wurde zäh und schließlich so undurchdringlich, dass es kein Weiterkommen gab.
Eine Wand. Eine Grenze. Etwas, das hier nicht hätte sein sollen, undurchdringlich, eine Störung der Harmonie in der Dunkelheit, die ihn abstieß. Etwas, das in Nóktamas Domäne hinein gesunken war und nicht hierher gehörte. Er streckte die Hand aus und zog sie rasch wieder zurück. Nein. Keine Neugier mehr, kein Leichtsinn. Wo war er angekommen?
Yalomiro fröstelte und tauchte aus den Schatten auf wie ein Fisch aus den Tiefen eines Teiches.
Er stand nun zwischen Bäumen am Rand einer großen Wiese und hörte in der Ferne die unbeschwerten Stimmen spielender Kinder.
Als seine Augen sich schließlich ans Tageslicht gewöhnt hatten und er seine Umgebung näher betrachtete, war sein Erstaunen weniger groß als sein Entsetzen.
Hierher waren sie gegangen?
Die nächsten Stunden verbrachte ich damit, mich im Hof aufzuhalten und dem Treiben des Burgvolkes zuzuschauen. Es gab so viel zu sehen. Ich bemühte mich, alle Einzelheiten zu betrachten und mir einzuprägen. Das schöne neue Kleid war eine hervorragende Tarnung. Niemand schien mich als Außenstehende wahrzunehmen.
Ich grübelte über das, was Verta gesagt, oder vielmehr: Nicht gesagt hatte. Ich wurde einfach nicht schlauer aus all den Andeutungen über das Verhältnis, das die Menschen zu Schattensängern und Lichtwächtern hatten, abgesehen davon, dass die Sympathien offenbar zu Ungunsten von Yalomiros Leuten verteilt waren. Außerdem versuchte ich, Isan im Auge zu behalten. Zweimal bekam ich sie zu Gesicht. Einmal war sie zu meinem größten Erstaunen in Begleitung einer der beiden jungen Edeldamen und ihrer Dienerinnen, allerdings nicht bei der, für die Althopian schwärmte. Die Frauen standen mit ihr auf einem der Altane am Hauptgebäude und beugten sich interessiert über etwas, das Isan in einer flachen Schatulle bei sich hatte.
Einige Zeit später war sie mit einem der Diener der eld-yarlara im Gespräch auf dem Umlauf der Außenmauer. Die beiden tauschten kurze Worte miteinander aus, dann wechselte ein kleiner Gegenstand den Besitzer.
Als Isan zu mir kam, grinste sie über das ganze Gesicht. Sie schaute sich verstohlen um und lüftete flüchtig eine Falte ihres Obergewandes. Am Unterkleid steckte eine mit bunten Steinen besetzte Haarnadel.
„Das gehört der eld–yarlara von Ivaál”, wisperte sie.
„Isan!”
„Keine Sorge, die Dame bekommt es ja zurück.”
„Wo hast du das her?” Ich war darauf gefasst, eine abenteuerliche Geschichte zu hören zu bekommen, in der Isan die Dame geschickt abgelenkt und ihr das Schmuckstück aus der Frisur stibitzt hatte. Ich hätte es ihr zugetraut.
„Ich hab sie eingetauscht. Gegen ein paar bunte Heilsteine, die ich nicht mehr brauchte. Verta sagt, das sei Unfug. Die Mädchen aus Ivaál können sich eigenes Geschmeide daraus machen.”
„Das ist doch bestimmt ein Wertgegenstand, oder?”
„Klar. Allein der grüne Stein ist mehr wert als eine Kuh. Deshalb wird die eld-yarlara sicher zutiefst erleichtert sein, wenn das gute Stück wieder auftaucht.”
„Was hast du vor?”
Isan schmunzelte verschmitzt. „Das Gefolge der yarlara ist sich absolut sicher, dass sie den Haarschmuck heute früh noch trug, als sie den yarl kämpfen sah. Sie muss sie wohl verloren haben, just vor Althopians Füßen. Was glaubst du, er ist so artig und gibt ihr die Haarnadel zurück?”
Es wurde bereits dunkel, als der teirand und die Männer, die ihn begleitet hatten, zur Burg zurückkehrten. Sie waren rings um die Burg ausgeschwärmt und hatten den ganzen Tag nach dem mysteriösen Schattensänger gefahndet. Erfolg hatten sie allerdings nicht gehabt. Nicht einmal den Anwohnern an jeder Stätte, wo irgendetwas den Wald verwüstet hatte, war etwas Ungewöhnliches aufgefallen, niemandem ein Schwarzgewandeter begegnet.
All das entnahm ich den Gesprächsfetzen, die ich aufschnappte, als nach und nach Berittene wieder im Burghof ankamen. Allzu verwundert oder enttäuscht schienen die Männer nicht zu sein; eher erleichtert darüber, dass keiner von ihnen tatsächlich dem Magier begegnet war.
Unzufrieden war allerdings der teirand, als er mit den Rittern und einigen Waffenknechten wieder in seinem Haus ankam. Das sah man ihm an, als er von seinem Pferd abstieg, einem herbeieilenden Stallknecht die Zügel in die Hand drückte und dann wortlos in die Burg stiefelte. Als er an uns vorbei kam – Isan und ich saßen brav nebeneinander auf einer Bank unter den Arkaden – warf er mir allerdings einen Blick zu, den ich nicht deuten konnte. Sicherlich bildete ich mir das ein, aber er wirkte beunruhigt.
Isan hatte den Anstand, zu warten, bis Waýreth Althopian sein Reittier an einen Stallknecht übergeben hatte. Dann sprang sie auf und rannte zu ihm hinüber.
Ich wollte nicht mehr über die Sache wissen als nötig, also ging ins Gebäude. In der Halle waren nun Leute dabei, die hölzernen Bänke und Tische aufzustellen. Aus der Küche, die ich mir am Tag bereits neugierig angesehen hatte, drangen schon eine ganze Weile appetitliche Düfte. Von Isan hatte ich erfahren, dass es üblich war, dass der gesamte Haushalt des teirand am Abend gemeinsam in der Halle aß. Sie hatte sich gewundert, dass ich auch solche Selbstverständlichkeiten vergessen hatte. Heute würde ich jedenfalls erstmals dabei sein.
Dem teirand und seinen Gästen war ein vornehmer ausgestatteter Tisch vorbehalten, der quer an der Stirnseite aufgestellt war und mit Geschirr aus glasiertem Ton und gläsernen Trinkkelchen bereits eingedeckt war. Statt Bänken gab es dort Stühle für die einzelnen Personen, etwa ein Dutzend zählte ich. Für alle anderen standen Holzteller und Tonbecher bereit, alles sehr sauber und ordentlich. Abermals staunte ich darüber, wie kultiviert es in dieser Welt zuging. Ob das nur damit zusammenhing, dass ich mich in einer herrschaftlichen Umgebung befand?
Eine teiranda, auch das hatte ich ebenfalls erfahren, gab es nicht. Benjus von Valvivant hatte niemals eine hýardora erwählt. Söhne oder Töchter hatte er demzufolge nicht. Ich fragte mich, wie sich in dieser Welt eine Nachfolgerschaft regelte, wenn so etwas geschah. Würde ein entfernterer Verwandter auf den Thron aufrücken? Oder wählten sich die Leute ihren neuen Regenten? Ich fragte Verta, die bereits eingetroffen war.
„Der teirand wird noch zu Lebzeiten, mögen ihm die Mächte noch viele Sommer schenken, einen seiner yarlay bestimmen, seinen Platz einzunehmen”, erklärte die Heilerin. „Niemand rechnet mit jemand anderem als Herrn Léur, und es ist unwahrscheinlich, dass die anderen yarlay Einspruch dagegen erheben.”
„Aber sie könnten es tun?”
„Natürlich. Wie sähe es denn aus, wenn die Herren kein Vertrauen in ihren Schutzherren hätten?” Sie warf mir einen nachdenklichen Blick zu. „Wie kommt es, dass dich das so sehr interessiert – und du auch darüber nichts weißt?”
„Oh … einfach so.”
„Es kommt sehr selten vor, dass ein teirand ohne Nachkommen hinter die Träume geht. Wenn es bei dem unseren so sein soll, dann ist es Wille der Mächte, dass eine andere Familie die Geschicke übernimmt. Und das Haus Tjiergroen ist wahrlich keine schlechte Wahl.”
Ich nickte und beschloss, den heißen Boden dieses Themas zu verlassen, bevor es zu heikel wurde.
Nach und nach füllte sich der Saal. Auch der starke Mann, der mich gestern in das Krankenzimmer getragen hatte, tauchte auf und winkte mir freundlich zu, nahm aber an einem anderen Tisch Platz, wo offenbar seine Freunde bereits saßen.
Schließlich tauchte Isan auf. Ihr Gesicht war gerötet vor Aufregung.
„Und?”, fragte ich, bekam aber keine Antwort. Ich entschloss mich, den beiden einfach alles nachzutun, und setzte mich zu ihnen an eine der Bänke. Fatalerweise hatten die beiden just einen Sitzplatz nahe des fürchterlichen Wandgemäldes gewählt, an der Stelle, wo die zentrale Figur des bösen Schattensängers sein Gemetzel anrichtete. Ich konnte mich nicht abwenden, mehr noch: Ich fühlte mich von dem silbrigen Blick des Porträts geradezu angestarrt. Dass das Gesicht der Figur darum herum etwas Fratzenhaftes hatte, fiel überhaupt nicht ins Gewicht. Mir war unbehaglich.
Dass die doayra und das Mädchen sich anschwiegen, empfand ich noch dazu als unangenehm. Es war etwas Persönliches, Unausgesprochenes zwischen ihnen, das ich nicht einschätzen konnte. Also wartete ich, während das Essen auf Servierplatten und großen Schalen aufgefahren wurde. Es waren überraschend einfache Speisen, Brot, ein sämiger Brei aus Gemüse und Getreide. Obst und rohes Gemüse mit einer Art Essigsauce. Niemand griff zu. Ganz offensichtlich geduldete man sich, bis der teirand erschien.
Das dauerte, aber es schien niemanden zu stören. Natürlich mussten die Männer sich nach ihrem Ausritt erst ein wenig erfrischen. Die Leute bei Tisch waren nicht ungeduldig. Die Stimmung war entspannt, und überall plauderten die Leute. Ich hätte mich wohl gefühlt, wären da nicht so viele kleine Nadelstiche in dem gewesen, das ich seit meiner Ankunft hier erlebt hatte und worüber ich nicht sprechen durfte. Ich versuchte, das Wandgemälde zu ignorieren.
Zwischen Verta und Isan herrschte eisiges Schweigen. Möglicherweise hatte Verta etwas von Isans Aktion erfahren und ließ sie ihr Missfallen auf diese Weise spüren.
Schließlich erschien der teirand. Die yarlara von Ivaál und ihre Töchter begleiteten ihn und ließen sich zu seiner rechten Seite nieder. Links nahm der mynstir Léur Tjiergroen Platz. Am äußeren Ende des Tisches setzte sich der Ritter nieder, der am Morgen seinen Schaukampf mit Althopian ausgefochten hatte. Zu ihm gesellten sich mehrere andere fremde Männer, die wahrscheinlich ebenfalls yarlay waren, denn ihre Gewandungen ähnelten sich. Nur Waýreth Althopian ließ sich nicht blicken. Ob Isan keinen Erfolg gehabt hatte und deswegen so schweigsam war?
Offenbar wollte man auch nicht auf ihn warten. Gundald Lebréoka erhob sich und sagte einen Spruch auf, von dem ich kein Wort verstand. Die Anwesenden antworteten im Chor. Dann begannen alle, sich an den Schalen zu bedienen. Auch ich griff zaghaft zu. Das Mus war scharf gewürzt und schmeckte hervorragend.
Die alte yarlara plauderte angeregt mit Benjus von Valvivant, aber seiner Miene nach zu urteilen, hörte er ihr kaum zu. Die ältere der beiden jungen yarlaraé schaute immer wieder auf den leeren Stuhl bei den Rittern und tat gleich darauf so, als ginge es sie nichts an. Insgeheim fühlte ich mit ihr. Sie erinnerte mich an Dinge, die ich selbst erlebt hatte. Sie schwärmte heimlich für jemanden und durfte es der Mutter gegenüber sicherlich nicht zeigen. Ob sie sich Gedanken darüber machte, ob Althopian sich für sie interessierte? Oder sich für sie interessieren durfte?
Auch Isan wurde immer unruhiger, je länger der Ritter auf sich warten ließ. Offenbar passte das ganz und gar nicht zu ihrem Plan.
Vielleicht hatte Waýreth Althopian seine Gründe. Möglicherweise fehlte ihm das, was er im Kampf gegen andere Ritter oder wilde Tiere aufbrachte, wenn es um persönliche Dinge ging. Vielleicht wollte er auch nicht, dass sein heimliches Werben um die schöne yarlara sich durch eine von einem Kind angezettelte Kungelei zu einem Skandal auswuchs. Konnte ich denn wissen, nach welchen Regeln man sich in dieser Welt einander den Hof machte?
Verta und Isan hatten immer noch nicht gesprochen, zumindest nicht miteinander. Auf Gespräche mit ihren Sitznachbarn gingen beide ein; auf kleinen Smalltalk wie die Bitte, das Salzschälchen anzureichen und Bemerkungen über die exotische Garderobe der fremden Damen, die den vollen Beifall der Frauen am Tisch fand.
Als sich das gemeinsame Nachtmahl dem Ende zuneigte und die Schüsseln und Platten schon fast geleert waren, betrat ein Mann den Saal, wohl einer der Wachposten am Burgtor. Er trat an den mynstir heran und wechselte leise ein paar Worte mit ihm. Yarl Tjiergroen wandte sich daraufhin an den teirand und redete mit gedämpfter Stimme.
Benjus von Valvivant zuckte die Achseln, ohne vom Teller aufzuschauen. An seinem Tisch waren auch etwas aufwändigere Speisen serviert worden. Ein Stück Fleisch beanspruchte seine Aufmerksamkeit.
„Bring ihn her”, wies der mynstir den Wächter dann so laut an, dass alle es hören konnten. „Wenn er uns gebührend unterhält, mag er die Nacht über bleiben.”
Das versetzte die Anwesenden in gute Stimmung. Offenbar hatte bislang etwas an der üblichen Szenerie gefehlt.
„Oh, schön”, brach Isan das Schweigen. „Ich hatte schon befürchtet, es gebe heute keine Musik. Wie dumm, dass der teirand gestern die báchorkoray fortgeschickt hatte! Die waren richtig gut!”
„Du gehst schnurstracks zu Bett”, antwortete Verta streng. „Denkst du, ich hätte nicht mitbekommen, was du heute getrieben hast?”
„Aber…”
„Noch, mein Kind, bin ich diejenige, die dir zu befehlen hat.”
Isan warf ihr einen düsteren Blick zu. „Aber kurz ansehen darf ich mir den báchorkor, ja?”
„Meinetwegen”, knurrte Verta. „Aber dann verschwindest du und denkst über dein Benehmen nach.”
Wie meine Oma. Ich war amüsiert. Die alte Frau brachte es sicher nichts übers Herz, zu lange zu streng mit Isan zu sein. Sie ließ mit sich handeln.
Alle Augen wandten sich dem Mann zu, den der Wächter nun in den Saal hinein winkte. Interessierte Erwartung schlug dem Mann entgegen, der mit gesenktem Haupt und zögerlichem Schritt zwischen den Tischen auf den Thron zuging und dort niederkniete.
„Ach, so einer”, sagte Isan enttäuscht. „Der ist langweilig. Der hat bestimmt nur erbauliche Geschichten dabei.”
„Dann kannst du ja beruhigt schlafen gehen.”
Isan erhob sich, setzte sich aber sogleich wieder nieder. Aus der Tür an der Kopfseite des Saales, hinter der Tafel des teirand war yarl Althopian hervorgetreten. Er schaute sich nach der yarlara um, folgte ihrem Blick und starrte den Neuankömmling dann ebenso entgeistert an, wie ich es bereits tat.
Der teirand würdigte den Besucher kaum eines Blickes und speiste weiter. Der mynstir wartete einen Moment und übernahm das Wort.
„Wer bist du und wohin führend dich deine Wege?”
„Mein Name ist zu bescheiden, um vor den Ohren des teirand ausgesprochen zu werden. Ich komme vom Montazíel und meine Wege führen mich schon bald weiter, in das Reich Pianmurít.”
Benjus von Valvivant erstarrte. Wie in Zeitlupe legte er Messer und Gabel auf den Teller und hob langsam den Kopf.
„Pianmurít?”, fragte Léur Tjiergroen verwirrt. „Wo ist das?”
„Das ist eurem teirand wohlbekannt.”
Der Monarch blickte auf.
„Lasst ihn reden”, sagte er tonlos. „Ich will wissen, was er … darüber weiß.”
„Wenn Ihr erlaubt”, sagte der Mann und erhob sich, „möchte ich mich in dieser Burg mit einem Lied vorstellen.”
Hier und da lachte jemand verhalten, wahrscheinlich über das unangebrachte Selbstbewusstsein des Musikanten.
Selbst Isan grinste. „Ich glaube, der ist doch ganz witzig”, sagte sie zu mir.
Mir hingegen wurde angst und bange.
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